Gedanken zu einer neuen Veröffentlichung von Elfriede Dörr
Ausgabe Nr. 2655
Unter dem Titel „Geh aus, mein Herz und suche Freud“ ist vor Kurzem ein ansprechendes, zum Nachdenken anregendes Büchlein von Elfriede Dörr erschienen. Darin wird der nachdenkliche Leser in viele Bereiche der uns von allen Seiten umgebenden Natur und Umwelt geführt, wie wir ihr im Alltag begegnen. Es handelt sich in dieser Veröffentlichung, wie die Autorin mehrfach betont, um eine Handreichung zu einer nachhaltigen Lebensweise, um den Erwerb eines verantwortlichen Lebensstils, der die Umwelt schont. Dabei gilt es, Herausforderungen unserer Zeit zu erkennen, sich gesellschaftlich zu engagieren und abseits von weitläufigem Theoretisieren ein tieferes Verständnis des Lebens zu gewinnen.
Zu den reichen, mannigfaltigen natürlichen Dingen tritt in der bewussten Begegnung eine neue geistige und geistliche Dimension hinzu: Die Natur wird als Schöpfung erkannt, hinter der der gütige, schenkende Gott steht. Und wir Menschen, als bewusste und denkende Wesen, sind zu einem dankbaren und verantwortlichen Umgang mit der Schöpfung gerufen. Denn unsere Umwelt ist seit der zunehmenden Industrialisierung und dem verantwortungslosen Raubbau an ihrem natürlichen Reichtum in zunehmender Gefahr. Der Klimawandel ist ein brennendes Menschheitsproblem geworden, das nicht nur Fachleute in Wissenschaft und Wirtschaft, sondern auch in der Politik beschäftigt. Aber auch jenseits von diesen die ganze Welt bewegenden Fragen, auf die der Einzelne kaum Einfluss hat, kann ein bewusster Umgang mit der uns im Alltag begegnenden Welt ein kleiner Beitrag werden, die Umwelt zu schonen, unnötige Verschwendung zu vermeiden und sorgsam und wach die Gaben der Schöpfung zu bewahren. Bei solcher ganz bewusster Einstellung wird jeder zugleich dessen inne, dass er ja selbst ein Teil der Schöpfung ist. Als waches, wahrnehmendes Geschöpf ist er zugleich ein personhaftes Gegenüber zu seinem Schöpfer, dem er sich denkend und betend zuwenden kann. Das führt dann auch zu einem tieferen Schauen und Erkennen der anderen Geschöpfe und der ganzen Umwelt. Es kommt zu einem geistigen, vertieften Umgang mit der Schöpfung, zu einer „spirituellen Begegnung“. Hier werden auch biblische Bezüge deutlich, und passende Kernstellen der Heiligen Schrift werden herangezogen, die in der Meditation bedacht, zu innerem Sprechen führen. Die Autorin will gerade zu einer solchen vertieften Schau der Dinge und zu innerem Hören auf das Wort anregen und gibt dazu in jedem Kapitel ihres Buches konkrete Anleitungen. Der Untertitel heißt daher auch: „Einfache Schritte zu spirituellen Übungen zur Bewahrung der Schöpfung“.
Die einzelnen Abschnitte spannen einen weiten Bogen, der alle Lebensbereiche umfasst. Zunächst wird über den Zeitablauf und über die Notwendigkeit des Innehaltens und der Ruhe nachgedacht. Der sonntägliche Ruhetag ist ein Geschenk, das es bewusst und dankbar anzunehmen gilt. An diesem wöchentlichen Feiertag soll eine neue Lebensqualität erspürt und eingeübt werden; jenseits von allem Leistungszwang gilt es, achtsam und gesammelt zu sein und sich der ewigen Bestimmung zu öffnen. Dann geht es um die köstliche Gabe des Wassers, mit dem haushälterisch umzugehen ist und das sauber erhalten werden soll. Es ist wichtig, Informationen über den Wasserhaushalt rund um die Welt zu erhalten, denn täglich frisches Wasser zu haben ist durchaus nicht selbstverständlich. Es geht um den rechten Gebrauch und um die sparsame Nutzung der Energie, sei das im Blick auf nötige Wärme und Beleuchtung oder auf Transport und Bewegung. – Unser Zusammenleben mit Pflanze und Tier wird bedacht, wobei das Auge auf der Schönheit und Vielfalt und zugleich auf der Sinnhaftigkeit von allem Geschaffenen ruht. Das wahrzunehmen bedeutet, dankbar dafür zu sorgen, dass dieser Reichtum erhalten bleibt. Auch so prosaische Dinge wie Essgewohnheiten, die Art der Bekleidung oder die entsprechende Weise, den Abfall zu entsorgen, kommen ins Blickfeld. Und das alles kann Gegenstand zu verantwortlichem Nachdenken und Handeln werden. Ein Beitrag zum Klimaschutz kann etwa geleistet werden, wenn der Energieverbrauch bewusst reduziert und der Wärme- und Wasserverlust vermieden werden. Nachdem die zunehmende Mobilität zu steigenden Treibhausemissionen führt, ist es wichtig, an diesem Punkt zu sparen, statt dem Flugzeug lieber die Eisenbahn zu benutzen, im Nahverkehr das Fahrrad zu gebrauchen und überhaupt „umzudenken“. Das mag auch unbequem sein, doch gilt es, Gleichgesinnte zu finden, Zivilcourage zu üben und für den Gedanken des Umweltschutzes auch öffentlich einzutreten und die Zivilgesellschaft dafür zu gewinnen. Das alles hat für den Christen letztendlich mit seinem Schöpfungsglauben zu tun. Und darum reicht alles auch in das Leben der Kirche hinein. Wenn diese Zusammenhänge einmal erkannt sind, kann auch eine Kirchengemeinde diesen Gedanken aufgreifen und im Bereich ihrer eigenen Möglichkeiten, z.B. bei der Erziehungsarbeit im Religionsunterricht und bei allen Gelegenheiten der Bewusstseinsbildung für den rechten Umgang mit den Gaben der Schöpfung eintreten. Es gilt, den eigenen Lebensstil und die eigenen Bedürfnisse zu vereinfachen – im Sinne von weniger, kleiner, seltener, bewusster. Es geht um eine freiwillige Askese, einen Verzicht auf Haben-müssen und unkontrollierten Konsum. Dabei macht man die Erfahrung, dass Einfachheit und Verzicht das Leben im Grunde bereichern. Ein verantwortlicher Lebensstil kann als Frucht einer solchen Einstellung heranreifen. Das Büchlein endet in diesem Sinne auch mit einem Abschnitt über umweltfreundliches Handeln in der Kirche.
Gefragt sind gegenwärtig Anleitungen für eine „umweltfreundliche Gemeinde“. Innerhalb der „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa“ (GEKE) werden diese Fragen intensiv erörtert und es gibt viele Anregungen in dieser Richtung. Es ist ein wichtiges gemeinsames Anliegen, für die Bewahrung der Schöpfung bewusst einzutreten. Die evangelische Kirchengemeinde A.B. in Hermannstadt hat sich als erste Gemeinde in Rumänien darum bemüht, ihr Umwelt-Management nach der europäischen EMAS-Norm zertifizieren und ihren Haushalt kritisch überprüfen zu lassen und konkrete Schritte zum Schutz der Umwelt und zur Bewahrung der Schöpfung zu unternehmen. Die „Grüne Kirchenburg“ in Hammersdorf mit einem umweltbewussten Erziehungsprogramm und das Schellenberger Pfarrhaus als Sozialwohnstätte mit dem großen Garten mit ökologischem Gemüseanbau weisen vielleicht in diese Richtung.
Eine anziehende, heitere Ergänzung bilden die geistreichen Illustrationen und Karikaturen, die Siegfried Kolck-Thudt zu jedem Kapitel gezeichnet hat. Sie regen mit hintergründigem Humor erstrecht zu ernstem Nachsinnen an. Ein Nachwort der Theologin Margot Kässmann verstärkt solches Nachsinnen. Dem Büchlein, das von unserer Kirche und von der Kirchengemeinde Hermannstadt herausgegeben wurde, ist eine weite Verbreitung und eine aufmerksame Leserschaft zu wünschen.
Hermann PITTERS