Erste deutsche Premiere des Jahres endet in Gemetzel
Ausgabe Nr. 2658
„Ich glaube an den Gott des Gemetzels!“ ruft Andreas Wagner in den Kampfplatz hinein. Den Kampfplatz, der eine halbe Stunde zuvor noch das schicke Wohnzimmer des Pärchens Meier gewesen war und in dessen Überresten sich nun die vier Hauptdarsteller des Stückes von Yasmina Reza allesamt mit den kümmerlichen Überbleibseln ihrer Existenz konfrontiert sehen. Die erste Premiere an der deutschen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters fand am Freitag im Studiosaal des Ion Besoiu-Kulturzentrums mit dem Theaterstück „Der Gott des Gemetzels“ von Yasmina Reza und in der Regie von Bogdan Sărătean statt.
Dabei hatte alles so harmlos angefangen: Weil der elfjährige Sohn von Annette und Andreas, Ferdinand, dem gleichaltrigen Jungen von Veronik und Michael, Bruno, mit einem Stock zwei Zähne ausgeschlagen hat, treffen sich die beiden Paare, um friedlich und zivilisiert über eine Lösung des Problems zu beratschlagen.
Die Situation gerät langsam aber sicher außer Kontrolle, nicht erst als sich Veronik auf den wertvollen Kokoschka-Band von Anette übergibt und sich herausstellt, dass Anwalt Andreas, der bei einem Pharmakonzern arbeitet, die gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen eines Medikaments vertuscht, das Michaels Mutter seit einiger Zeit einnimmt.
Nachdem man anfangs noch versucht, mit – wenngleich gespielter – Höflichkeit die Situation zu deeskalieren, kippt die Stimmung nach relativ kurzer Zeit völlig, und das Gespräch endet in einem wahrhaftigen „Gemetzel“.
Auf unzähligen Bühnen wurde es bereits aufgeführt, vielfach rezensiert, von Roman Polanski verfilmt, als Buch tausende Male verkauft – kurz: „Der Gott des Gemetzels“ gehört zu den erfolgreichsten Theaterstücken des letzten Jahrzehnts. Die Komödie für vier Personen scheint dabei nicht nur für die großen Bühnen geeignet zu sein, sondern geradezu wie gemacht für die Bühne des kleinen Studiosaals. Und die Auswahl der Schauspieler ist ebenfalls gut gelungen.
Kein anderer hätte den skrupellosen Geschäftsmann Andreas besser spielen können als Daniel Plier, und Johanna Adam verkörperte gekonnt Gattin und Vermögensberaterin Annette, die nach einer Kotzorgie auf Kokoschka mit steigendem Alkoholpegel die Dinge auf den Punkt bringt: Alles war nur Fassade, Verlogenheit! Emőke Boldizsár war eine Idealbesetzung für die Rolle von Veronik, der emanzipierten Frau, deren geistiger Horizont bis zu den Massakern von Darfur reichte. Ihren Ehemann Michael verkörperte Daniel Bucher, einen bodenständigen Kleinbürger, Großhändler für Sanitäranlagen und Küchenbedarf.
Das Publikum wird sofort ins Geschehen gezogen, wenn das höflich beginnende Gespräch schlagartig an Fahrt gewinnt, die beiden Paare um Worte ringen, sich abwechselnd auf die Anklagebank setzen. Der Streit wird immer hässlicher, ehrlicher. Es bilden sich kurzweilige Allianzen unter den Paaren, brechen wieder auseinander, um sich in bitterböser Komik aufzulösen.
„Der Gott des Gemetzels“ ist absolut sehenswert, was auch das Hermannstädter Premierenpublikum bestätigte, während es sich für die gute Performance mit Stehapplaus bei den Schauspielern bedankte.
Cynthia PINTER