„Wir sind heute alle Sachsen“

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Das 29. Sachsentreffen hat am Wochenende in Bistritz stattgefunden

Ausgabe Nr. 2642

Von der Bühne auf dem Hauptplatz begrüßte der Vorsitzende des Siebenbürgenforums, Martin Bottesch (am Mikrofon) im Namen der Veranstalter die Teilnehmenden am 29. Sachsentreffen am Samstag. Weitere Grußworte richteten Bürgermeister Ovidiu Crețu (in siebenbürgisch-sächsischer Tracht und der Trikolore-Schärpe), Thomas Șindilariu, die Österreichische Botschafterin Isabel Rauscher, der Deutsche Konsul Hans Erich Tischler, der Vorsitzende des Bistritzer Forums, Christian Roth-Gross und im Namen der Regionalgruppe Nordsiebenbürgen-Nösen Dr. Hans Georg Franchy (v. l. n. r.).                                                            
Foto: Werner FINK

Am vergangenen Wochenende fand das 29. Sachsentreffen nun nach 2010 zum zweiten Mal in Bistritz statt, wobei das Motto dieses Mal „Gemeinsam-Gedenken-Aufbauen” lautete. Außerdem fand im Rahmen des Sachsentreffens auch das Treffen der Regionalgruppe Nordsiebenbürgen-Nösen des HOG-Verbands statt und so wurde auch der Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen vor 75 Jahren gedacht. Mit der Honterus-Medaille geehrt wurden Kurator Johann Schaas aus Reichesdorf und Lektorin Ortrun Morgen aus Schweischer.

Bischof Reinhart Guib, das Ehepaar Johanna und Johann Schaas aus Reichesdorf, die Lektorin Ortrun Morgen aus Schweischer und der Vorsitzende des Siebenbürgenforums, Martin Bottesch, bei der Verleihung der Honterus-Medaille (v. l. n. r.)
 Foto: Werner FINK

„Das ‚Gemeinsam‘ war und ist uns Siebenbürger Sachsen wichtig. So sehr wir auch unterschiedliche und eigene Wege in den letzten 75 Jahren gegangen sind, sehnen wir uns doch wieder nach der Gemeinschaft und nach Siebenbürgen. Darum sind wir hier“, sagte Bischof Reinhart Guib in seinem Grußwort. „Das ‚Gedenken‘ führe unsere Gedanken 75 Jahre zurück, in die Zeit der Evakuierung und Flucht der nordsiebenbürgischen und einiger südsiebenbürgischen evangelischen Gemeinden vor der Roten Armee. Die damals erlebten Traumata  und die Trennung wirken sich bis heute aus und verdienen unsere Empathie und unser Weiterdenken. Das ‚Aufbauen‘ ist im Heute verankert, zielt aber in die Zukunft“. Das beste Beispiel sei die evangelische Stadtpfarrkirche in Bistritz. Sie und weitere 14 Kirchen und Kirchenburgen werden mit EU-Fonds und engagiertem Beitrag seitens der Gemeinden, Bezirke, Landeskirche, HOGs, Partnervereinen  und im Fall von Bistritz vom Bürgermeisteramt restauriert und neu erschlossen. Aber nicht nur Mauern, sondern auch neue tragbare Strukturen, Gemeinschaftsformen, Traditionen einerseits und verlässliche Netzwerke, Partnerschaften und Freundschaften andererseits gelte es zu verankern.

Am Freitagabend gab es ein Offenes Tanzen im Festzelt mit dem „Trio Saxones“
Foto: Werner FINK

Das Sachsentreffen startete mit einer Vernissage der Gemäldeausstellung Gustav Gross im ehemaligen Gewerbevereinsgebäude, dem heutigen Kulturpalais. Über das Leben von Gustav Gross sprach sein ehemaliger Freund und Klassenkollege Reinhold Erich Kohlruss der u. a. die Begabung von Gross als Sportler, Musiker, Schriftsteller und Kunstmaler hervorhob. Der nostalgische Einfluss seiner Jugend hatte Gross immer dazu bewogen als Maler Motive aus dem Bistritzer Raum zum Thema seiner Werke zu machen. Die von der HOG Bistritz-Nösen erworbenen und gespendeten Werke werden nun Teil der Sammlung des Kreismuseums Bistritz-Nassod, wobei sie im Goldschmiedehaus, neben den Werken seines ehemaligen Meisters Norbert Thomae ihren Platz finden. Weiterhin wurde das Buch „Erinnerungen des Taschnermeisters Arthur Karl Wollmann an Bistritz und Mühlbach” von Volker Wollmann vorgestellt, der das Manuskript seines Vaters drucken ließ. Dabei geht es um Erinnerungen aus der Kindheit des Vaters bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts. Im Vordergrund der Beschreibung der Lehrjungen- und Gesellenzeit gibt es auch Angaben zur Geschichte der Bistritzer Riemereinigung, die, um sich gegen die übermächtige Konkurrenz der Industrie durch Zusammenschluss zu schützen, die „Riemnerassoziation” gründete und die sich von allen siebenbürgischen Städten nur in Bistritz auf Dauer halten konnte.  Über die rumänische Fassung sprach Corneliu Gaiu. Weiterhin stellten Kulturhausdirektor Dorel Cosma zusammen mit Lehrerin Elena Cîmpan das Buch „Vom Gewerbeverein zum Kulturpalast” vor, das unter Cosmas Koordination entstanden ist. Für Musikeinlagen sorgten Schüler des Musiklyzeums in Bistritz, aber auch Carla Sophie Aichinger von der Musikschule aus Salzburg, die auch siebenbürgisch-sächsische Wurzeln hat. Beendet wurde der Freitag im Zelt wo das ,,Trio Saxones“ die Stimmung richtig anheizte und das Tanzbein gehörig  geschwungen wurde. Und noch mehr: Es trat sogar die Tanzgruppe aus Mühlbach u. a. mit einer Sternpolka auf.

Das Blasorchester Siebenbürgen-Drabenderhöhe e.V..
Foto: Werner FINK

„Ich bin zutiefst bewegt, unsere Bistritzer Kirche so voll zu sehen“, freute sich  Pfarrer Hans-Dieter Krauss in seinem Grußvort  im Festgottesdienst am Samstag. „Herr Pfarrer, Sie sind nicht allein“, soll ihm ein Sachse gesagt haben, der nach dem Brand 2008 anrief und seine Unterstützung zusagte. Tatsächlich fanden die Teilnehmer kaum Platz in der riesigen Kirche, wo die Restaurierungsarbeiten noch laufen und deshalb nur teilweise genutzt werden konnte. Es predigte Hildegard-Servatius-Depner.

„Wir sind heute alle Sachsen”, sagte auf dem Hauptplatz Bürgermeister Ovidiu Crețu, der ein siebenbürgisch-sächsisches Trachtenhemd trug. „Bistritz empfängt euch mit Freude”. Rund 1.500 Teilnehmer sollen laut seiner eigenen Aussage dabei gewesen sein. Er unterstrich u. a. auch, dass man nun die geistigen Nachfolger der Sachsen sei.

Samstagnachmittag folgte die Verleihung der Honterusmedaillen und die Festansprachen. Karl Hellwig hielt die Laudatio für Ortrun Elisabeth Morgen, die als Schneider 1941 in Reschitz geboren ist. 1969 heiratet sie den aus Schweischer stammenden Absolventen des Theologischen Institutes Andreas Morgen. In  der Gemeinde Schweischer wirkt sie 21 Jahre lang als Lehrerin.  Von 1990 bis 2005 wirkt sie als Lehrerin in der Zentrumsschule in Reps und danach tritt sie nach 44 Jahren im Lehramt in den Ruhestand. Ihr Wirkungsbereich wird größer, wobei es ihr darum geht, Menschen vor Vereinsamung zu bewahren und geistlich zu betreuen. So lässt sie sich zur Lektorin ausbilden und leistet diesen Dienst bis heute. Ihre Lektorengottesdienste hat sie bisher 28 Jahre lang gehalten. Seit 1990 umschließt ihre Arbeit auch die Frauenarbeit der Landeskirche, wo sie im Vorstand ist. Sie ist Organisatorin und Förderin des jährlichen Weltgebetstages der Frauen. Außerdem ist sie Gründungsmitglied des Deutschen Ortsforums in Reps und aktive Mitarbeiterin. An jedem Freitag ist sie im Pfarrhaus in Reps zu finden, wo sie sich bemüht, herangetragene Probleme zu lösen. „So ist der Dienst von Ortrun Morgen geprägt“, sagte Hellwig. „Sie dient von Herzen“. Die Laudatio für  Johann Schaas, „ein Mann, der im Kleinen Großes bewirkt hat“, hielt Pfarrer Ulf Ziegler und lud die Teilnehmer ein, ihn in über fünf Schritten kennenzulernen: Als Reichesdorfer verstehe er mit seinem Charme „sein Dorf und seine Kirche“ jedem Gast nahe zu bringen und habe sich den Besuchern auf unvergesslicher Weise eingeprägt.  1933 ist Schaas in Reichesdorf geboren. Er lernte u. a. den Beruf des Wagners, qualifizierte sich zum Zimmermann, lernte das Mauern, das Eisenbiegen und die Arbeit als Elektriker und wurde so von Auftraggebern geschätzt, weil er alles konnte. Seinen Fleiß und seine Rastlosigkeit für die Gemeinschaft wolle man heute ehren und schätzen. Er sei ein Mann „der bis heute die blaue Schürze trägt“. Weitere Eigenschaften, für die Schaas in der Laudatio geehrt wurde, waren als Kurator, ein Amt, das er seit 1990 bekleidet, als Musiker, als Bastler und Erfinder sowie als Erzähler.

Volker Wollmann stellte das Buch seines Vaters vor.
 Foto: Werner FINK

Zu den Festrednern gehörte Horst Göbbel, der auf die Evakuierung Nordsiebenbürgens und der sieben Ortschaften aus dem Zwischenkokelgebiet von 1944 einging. Bei der Evakuierung sei er selber und seine Zwillingsschwester, die allerdings nicht überlebte, im Viehwaggon irgendwo in Ungarn geboren worden. Von den etwa 800 im Nösnerland zurückgebliebenen Personen seien dann 1945 mehrere in die Sowjetunion deportiert worden. Aus dem sowjetisch besetzten Österreich wurden etwa 5.000 Sachsen zurückgeführt nach Siebenbürgen. Durch Geschlossenheit konnten die Vorfahren die Herausforderungen von damals überstehen. Göbbel betonte, dass ebenso die Bistritzer Freunde von heute, die Bistritzer Stadtverwaltung, besonders Bürgermeister Ovidiu Crețu seinen Respekt und Dank verdiene, der auch ein Förderer der siebenbürgisch-sächsischen Belange und Kultur sei.

Der zweite Vortrag wurde von Architekt Klaus Birthler aus Sächsisch-Regen gehalten, der auf Fehler in der Sanierung einging, vor allem wo es um Gebäude geht, die das Stadtbild prägen, was natürlich auch Identitätsverlust mit sich bringt. Er sprach auch über Projekte wie die Umwandlung des Mühlkanals zu einer Attraktion mit Kajakclub.

Im Dritten Vortrag ging es um die Vorstellung der Briefmarke zum Anlass der freiwilligen Anschlusserklärung der Siebenbürger Sachsen an Rumänien 1919 durch Thomas Șindilariu.

Das Welser Symphonieorchester bot unter der Leitung von Walter Rescheneder ein außerordentliches Konzert im Kulturhaus.
Foto: Werner FINK

Am Samstag Nachmittag bot das Welser Symphonieorchester ein außerordentliches Konzert im Kulturhaus im Rahmen der Partnerschaft der beiden Städte. Außerdem war  eine Delegation aus Stadträten, darunter zwei stellvertretende Bürgermeister aus Wels dabei. Die Partnerschaft soll über die Heimatortsgemeinschaft der Siebenbürger Sachsen aus Österreich zustande gekommen sein. Erwähnt wurde insbesondere Fritz Frank, der es bedauerte nicht dabei gewesen zu sein.

Im Anschluss zu den Festansprachen wurden an dem 2014 aufgestellten Denkmal des Bildhauers Mircea Mocanu am Dominikanerplatz zehn Tafeln mit den Ortsnamen und der Anzahl der Geflüchteten eingeweiht.

Zu den von weither angereisten Gruppen gehörten die Tanzgruppe der Siebenbürger Sachsen aus Nürnberg, das Blasorchester Siebenbürgen-Drabenderhöhe e.V. , die Tanzgruppe der Siebenbürger Sachsen und die Blaskapelle aus Wels/Traun.

In der Predigt ging der Bischof am Sonntag auf die Evakuierung vor 75 Jahren der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinden in Nord- und teilweise in Südsiebenbürgen und kurz auf die darauffolgenden Ereignisse ein, bis zu 1989, als alle Dämme brachen und sich die siebenbürgische Gemeinschaft abermals in alle Winde verstreute. „In dem einen Europa haben wir in den Jahren seit 2007 das Zusammengehörigkeitsgefühl wieder entdeckt”, betonte Guib. Die getrennte Gemeinschaft sei inzwischen gewachsen und zum „Gemeinsam-  Gedenken – Aufbauen“ gereift.

Werner FINK

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.