,,Sehr geschmackvoll und überaus solid“

Teile diesen Artikel

Vor 120 Jahren wurde die Synagoge in der Salzgasse feierlich eingeweiht

Ausgabe Nr. 2639

Die Soziologin und Übersetzerin Nadia Badrus (Bildmitte) erzählte den interessierten Gästen aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Hermannstadt und dem Bau der noch recht gut erhaltenen Synagoge.
Foto: Beatrice UNGAR

Zahlreiche Interessierte nahmen am Sonntag die Einladung der Hermannstädter jüdischen Gemeinde an, der Synagoge in der Salzgasse einen Besuch abzustatten. Anlass der Veranstaltung war das 120. Einweihungsjubiläum der Synagoge, das in diesem Jahr am gleichen Tag gefeiert wurde wie der Europäische Tag der jüdischen Kultur.

Die Stadträtin Katharina Birk und der Gemeindevorsitzende Otto Deutsch vor der Eingangstür.                                                
Foto: Beatrice UNGAR

Die Hermannstädter Zeitung vereinigt mit dem Siebenbürger Boten berichtete am 5. September 1899 unter dem Titel ,,Synagogen-Einweihung“: ,,Am 3. d. M. fand die feierliche Einweihung der neuerbauten monumentalen Synagoge der hiesigen israelitischen Cultusgemeinde mit großer Solennität statt. Der erste Theil des Festprogrammes wurde im alten Bethaus absolvirt, wo um 2 ½ Uhr nach einem Choral Oberrabiner Horovitz eine kurze Abschiedsrede hielt, worauf die mit Silberzierrath reich behangenen und geschmackvoll bekränzten ‚Thora‘-Rollen ausgehoben wurden, und nachdem sich der Festzug, ‚Thora‘-Träger unter einem Sammtbaldachin, umgeben von 10 Herren mit brennenden Lichtern und 10 jungen Mädchen mit Immergrün-Kränzen, geordnet, setzte sich derselbe unter Gesang in Bewegung. Es ging entlang der Elisabeth- und Salzgasse bis vor dem neuen Tempel, allwo sich schon früher die geladenen Gäste eingefunden hatten und unter einem schönen Zelte der Ankunft des Festzuges harrten. Wir bemerkten unter vielen Anderen: Josef Nagy, ref. Pfarrer, Bürgermeister Josef Drotleff, Finanzdirector Dr. Denk, Director des Staatsgymnasiums Stefan Ferenczy, Stadthauptmann Robert Simonis, öffentl. Notar Zagoni, Stationschef Fabritius, Johann Keßler, den Commandanten der Honvéd. (Bischof Dr. Müller und Metropolit Metianu hatten sich brieflich entschuldigt.) Der Zug hielt vor dem mit einer in Gold ausgeführten hebräischen Devise versehenen Portale und der Baumeister Franz Szalay, der den Tempel sehr geschmackvoll und überaus solid aufführte, übergab mit einer sehr gelungenen ungarischen Ansprache die Schlüssel dem Cultus-Vorsteher Dr. Josef Schwartz, der ebenfalls ungarisch antwortete, worauf das Portale geöffnet wurde und der Baldachin mit den ‚Thora‘-Rollen, das riesige Publicum zog in die Synagoge ein, die in diesem Augenblicke in glänzenden elektrischen Lichte erstrahlte. Nun wurden verschiedene Chorale executirt, worauf Oberrabbiner Horovitz die reichdecorirte Kanzel bestieg und eine ergreifende Einweihungsrede hielt. Zu Beginn apostrophirte er den Cultus Vorsteher, den er zum Anzünden der heiligen ‚ewigen Lampe‘ aufforderte, womit der erste Act der Weihe vollzogen war. Hierauf sprach der Rabbiner ein schönes Gebet in clasischem Hebräisch (eine Variation des Einweihungsgebetes des Königs Salomo), dann nahm er ungarisch das Wort und verrichtete ein Gebet für Se. Majestät und das Vaterland, die Behörden und Bürger unserer Stadt, woran sich die Absingung des ‚Hymnus‘ anschloß. Mit Niederlegen der Kränze auf den Stufen der Bundeslade endete die schöne denkwürdige Feier.“

Fünfzig Jahre davor, 1849, hatte der Siebenbürger Bote bemerkt: ,,Wir haben kein Berdürfnis zu einem Ansatz einer künftigen Judenbevölkerung in Hermannstadt oder sonstwo im Sachsenlande. Das mag sehr illiberal klingen; aber wir haben unsere guten Gründe dafür. Die vor der magyarischen Plünderung herrschende Wohlhabenheit des sächsischen Landbauers rührt nicht allein von dem Fleiße und der Sparsamkeit desselben her, sondern auch von dem gesetzlichen Verbot der Judenansässigkeit auf Sachsenboden. In ganz Siebenbürgen gibt es überhaupt wenig Juden (zwischen 3-4.000), weil das Gesetz nur wenige Orte nennt, an denen Juden gestattet ist, zu wohnen; Hermannstadt ist nicht darunter!“ Das Zitat ist  im Kapitel ,,Volksfremde Bürger“ in dem dritten Band des Buches ,,Vom alten Hermannstadt“ von Emil Sigerus (Verlag Krafft & Drotleff A. G., Hermannstadt, 1928) nachzulesen, wo auch vermerkt wird: ,,Erst seit dem Ausgleich 1867 entstand eine größere Judengemeinde in Hermannstadt“.

Übrigens gibt es in der ebenfalls von Emil Sigerus verfassten ,,Chronik der Stadt Hermannstadt“ (Honterus-Buchdruckerei und Verlagsanstalt der evangelischen Landeskirche A. B. in Rumänien, Hermannstadt, 1930) keinen Eintrag zur Einweihung  der Synagoge in Hermannstadt. Bloß wird im Jahre 1855 vermerkt: ,,1.7. Im Lazarett wird der erste jüdische Friedhof angelegt“. Und im Jahr 1921 kann man lesen: „Die Volkszählung ergibt 32.748 Bewohner der Stadt, darunter 18.218 Deutsche, 8.553 Romänen, 4.291 Ungarn, 1.310 Juden und 376 Andere“.

Die jüdische Gemeinde in Hermannstadt (zu der auch Mediasch gehört) zählt heute in Hermannstadt 50 und in Mediasch zehn Mitglieder.

Bei der Veranstaltung am Sonntag führten Nadia Badrus und Otto Deutsch die Besucher durch die Synagoge. Im Eingangsbereich hatte man einen Büchertisch aufgestellt, mit neuen und alten Büchern aus dem Hasefer-Verlag sowie einigen Ausgaben der Realitatea evreiasca, der Zeitschrift des Verbands der Jüdischen Gemeinschaften in Rumänien.

Nadia Badrus stand auch für Fragen zur Verfügung und wies die Besucher auf einige Inschriften hin, u. a. die auf dem Eingangsportal –  הדערב וליגו האריב ״ה תא ודבע/Dienet dem Herrn mit Furcht und freuet euch mit Zittern. (Psalm 2,11) bzw. auf dem Gewölbebogen über dem Schrein – תדעה ןורא לע רשא םיברכה ינש ןיבמ תרפכה לעמ ךתא יתרבד םש ךל יתדענו/Von dem Ort will ich dir zeugen, und mit dir reden; nämlich von der Gnadenstuhl zwischen den zwei Cherubim, der auf der Lade des Zeugnisses ist. (Exodus 25,22)

Bedauerlicherweise hat die Inschrift, die in dem Eingangszitat ,,jüdische Devise“ genannt wird, inzwischen ihren goldenen Glanz verloren und die Synagoge auch. Hier gibt es noch viel zu tun und die kleine Gemeinde ist auf Hilfe angewiesen. Vielleicht sollte man solche Tage der Offenen Türen regelmäßig veranstalten, denn viele (auch alteingesessene) Hermannstädterinnen und Hermannstädter haben noch nie einen Fuß in dieses geschmackvolle und solide Gotteshaus gesetzt. Am Sonntag waren übrigens bis auf einige Ausnahmen hauptsächlich Gäste aus dem Ausland der Einladung der jüdischen Gemeinde gefolgt.

Beatrice UNGAR

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.