Tagung der Institute zur deutschen Kultur und Geschichte im östlichen Europa
Ausgabe Nr. 2642

Dr. Hans-Jakob Tebarth, der Leiter der Martin-Opitz Bibliothek (rechts) überreichte Konsul Hans Erich Tischler
ein Gastgeschenk.
Foto: Beatrice UNGAR
Was kann und soll eine Bibliothek für die sogenannten „digital natives“ sein? Kann diese im digitalen Zeitalter überhaupt etwas anbieten? Kann sie sich im Kampf mit den online Suchmaschinen behaupten? Mit diesen und anderen aktuellen themenspezifischen Fragen beschäftigten sich Vertreter von Bibliotheken und Archiven aus Deutschland, Ungarn, Polen und Rumänien zwischen dem 16. und dem 19. September im Hans Bernd von Haeften-Tagungshaus der Evangelischen Akademie Siebenbürgen.
Im zweijährigen Turnus findet die Fach- und Fortbildungstagung der Verbundkatalogteilnehmer (VOE) und der Institute zur deutschen Kultur und Geschichte im östlichen Europa statt. Nach Pilsen/Tschechische Republik (2015) und Kattowitz/Polen (2017) hatte die Evangelische Akademie Siebenbürgen in Hermannstadt die Ehre, Gastgeber der Fachtagung ,,Rumänien im Fokus. Bestände zur Kulturlandschaft Siebenbürgens in Deutschland und Südosteuropa. 20 Jahre VOE-Katalog“ zu sein. Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft der Bibliotheken und Sammlungen zur Geschichte und Kultur der Deutschen im östlichen Europa wurde die Tagung von der Martin-Opitz-Bibliothek, in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Siebenbürgen, dem „Friedrich Teutsch“-Begegnungs- und Kulturzentrum der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, sowie der Kulturreferentin für Siebenbürgen organisiert.
Zu den drei vorgesehenen Themenblöcken – Kulturhistorische Einführungsbeiträge; deutsch-rumänische und internationale Kooperationen und Kooperationsmöglichkeiten; Bibliotheken, Archive, Germanistische Institute, außeruniversitäre Forschung und aktuelle bibliothekarische Fragen – wurden namenhafte Referenten aus Deutschland, Ungarn, Polen und Rumänien eingeladen. Eröffnet wurde die Fachtagung mit Grußworten seitens des Programmleiters der Evangelischen Akademie Siebenbürgen, Roger Pârvu, des Konsuls der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt, S. E. Hans Erich Tischler, der Chefredakteurin der Hermannstädter Zeitung und Kreisrätin Beatrice Ungar, des Vertreters des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Prof. Dr. Hans-Ulrich Baumgarten und des Leiters der Martin-Opitz Bibliothek, Dr. Hans-Jakob Tebarth.
Die einleitenden Vorträge waren dem Spezifikum Siebenbürgens gewidmet. Dr. Harald Roth, Direktor des Deutschen Kulturforums östliches Europa, bot den Teilnehmern einen Einblick zur Entwicklung und den Besonderheiten der siebenbürgischen Geschichte und Kultur. Das Bild des siebenbürgischen Spezifikums wurde von dem Vortrag von Dr. Gerhild Rudolf, Leiterin des Begegnungs- und Kulturzentrums Friedrich Teutsch, zum Erhalt der deutschen Sprache durch Kirche und Schule vervollständigt.

Gruppenbild mit Teilnehmenden und Referenten vor dem Tagungshaus der EAS.
Foto: Ioana GÖLLNER
Die Kulturreferentin für Siebenbürgen, Dr. Heinke Fabritius, stellte zwei KünstlerInnenbücher in den Fokus und verwies dadurch auf verborgene Schätze des deutschsprachigen Kulturgutes in Siebenbürgen und der Bukowina.
Zu Transylvanica-Beständen in deutschen Bibliotheken referierte die Geschäftsführerin des Siebenbürgen-Instituts, Dr. Ingrid Schiel. Thomas Șindilariu (Archiv und Bibliothek der Honterusgemeinde/Kronstadt) äußerte sich zu den Herausforderungen des Erhalts des kulturellen Erbes in Osteuropa am Beispiel der Dokumentation und der Digitalisierung der deutschen Nachkriegspresse in Rumänien.
Die Fülle an bereits vorhandenen Kooperationen mit den jeweiligen Instituten und Bibliotheken im östlichen Europa war Thema des Beitrags von Herr Prof. Dr. Zdzislaw Gebolys von der Universität Bromberg/Bydgoszcz (Polen). Er sprach über die Übersetzungen der polnischen Literatur ins Rumänische nach dem Zweiten Weltkrieg im Licht der Bibliographie und der Verlagsstatistik.
Dr. Hans-Jakob Tebarths Referat bot den TeilnehmerInnen eine erste Annäherung an die Thematik des neuen europäischen Urheberrechts und den dadurch entstandenen neuen Herausforderungen für digitale Bibliotheken, beziehungsweise den Bibliotheken der Zukunft.
Die Zukunft von Bibliotheken und Archiven im digitalen Zeitalter waren Thema und Inhalt der meisten Vorträge. Die Frage nach Rolle, Bedeutung und Aufgabe derartiger Einrichtungen ist brennender als je zuvor. „Ich frage den Bibliothekar” kann eine reale alternative zur „Tante Google” werden, wenn eine zeitgemäße Positionierung der Bibliotheken auf dem Markt der Möglichkeiten mittels moderner Instrumente gelingt, so Constantin Nicolaescu von der Internetplattform www.kosson.ro.
Neben den fachlichen und wissenschaftlichen Vorträgen und den bereichernden Begegnungen, wurden die TeilnehmerInnen von dem Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien Reinhart Guib im Bischofspalais empfangen. Zum Programm gehörte auch ein Besuch des Landeskirchlichen Museums im Teutsch-Haus, bei welchem die über 50 Gäste mehr über die evangelische und siebenbürgisch-sächsische Geschichte erfahren konnten. Abgeschlossen wurde das reichhaltige Programm mit einem Besuch in der Bibliothek der „Lucian Blaga“-Universität.
Als Fazit der Tagung kann behauptet werden: Bibliotheken und Archive werden auch in Zukunft ihre kulturgutsbewahrende Rolle erfüllen müssen, relevant aber für ein breites Wirkungsfeld können sie nur in dem Maße sein, in welchem ihre Interaktion mit den Nutzern die Erwartungen derselben erfüllt. Der Einsatz moderner Instrumente allein kann dieses nicht sichern, es braucht auch eine Anpassung des Selbstverständnisses an die aktuellen Gegebenheiten.
Ioana GÖLLNER