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Die Volkskundlerin Hanni Markel wird heute 80
Unglaublich! Heute feiert Hanni Markel, meine gute Freundin von der ,,Arhiva de folclor“ (Folkorearchiv) in Klausenburg, ihren 80. Geburtstag! Obwohl wir uns vor zig Jahren kennen gelernt haben (sicher schon im vorigen Jahrhundert!), konnte ich mir nicht vorstellen, dass die unheilbar optimistische und geistig junge Hanni altern würde. Aber… die Zeit ist auch in ihrem Fall stetig verronnen und bei dem Blick auf den Kalender erkennen wir, dass Hanni Markel am 9. August 2019, also heute, achtzig Frühlinge zählen wird.
Dieses Alter bewog mich, in den Archivbeständen des Forschungsinstituts für Geisteswissenschaften Hermannstadt zu stöbern, ihre Beiträge für die Fachzeitschrift ,,Studii și comunicări de etnologie“ (Studien und Mitteilungenzur Ethnologie) einzusehen, eventuelle Briefe (in unserer Jugend, liebe jüngere Kollegen, wurde auch noch handschriftlich kommuniziert!) und nach 2000… E-Mails. Ich stelle mit Freude fest, dass unsere Freundschaft schon Jahrzehnte währt und die wissenschaftliche Zusammenarbeit mehr als vierzig Jahre zählt. Wahre Treuerekorde gegenüber einem Freund und gegenüber einer Zeitschrift!
Hanni Markels erster Beitrag für Hermannstadt – Katharina Roppelt si povestile ei (Katharina Roppelt und ihre Geschichten) – erschienen im 3. Band unserer Zeitschrift ,,Studii și comunicări de etnologie“ (1981) stellt das Zeckeschgebiet (Țara Secașelor) in den Mittelpunkt, eine uns beiden nahe stehende Landschaft, ein Raum der Toleranz und der guten Verständigung, wo die ,,Sachsen einen Leibpelz (țundră) tragen und den rumänischen Reigen (învârtita) tanzen“ und die Rumäninnen in herzzerreissenden Versen trauern um die Nachbarin Maja, oder den Gevatter Hans.
Ihre Bemühungen galten der siebenbürgisch-sächsischen Volksprosa und so gab Hanni 1971 bei Kriterion den Band ,,Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen“ von Josef Haltrich heraus. Desgleichen veröffentlichte sie im Klausenburger ,,Anuarul de folclor“ (Folklorejahrbuch) die Studie Provenienta povestilor lui Josef Haltrich (II/1981). Andere Beiträge zur Geschichte der siebenbürgisch-sächsischen Volkskunde betreffen die Antworten, die W. Mannhardt bei seiner Feldforschung zu landwirtschaftlichem Brauchtum und dementsprechenden Praktiken von den Siebenbürger Sachsen erhalten hatte, mit Schwerpunkt auf der Weizenernte. Das Material wurde in 37 Dörfern gesammelt, die sowohl von Sachsen als auch von Rumänen bewohnt waren. Die Studie erschien unter dem Titel Cu privire la ancheta lui W. Mannhardt (1865). Raspunsurile de la sasii din Ardeal (Betreffend die Umfrage von Wilhelm Mannhardt (1865). Die Antworten der Siebenbürger Sachsen) im ,,Anuarul Muzeului Etnografic al Transilvaniei“ (Jahrbuch des Ethnografischen Museums Siebenbürgens) für die Jahre 1965-1967 und stellt bis heute eine der interessantesten wissenschaftlichen Arbeiten der Forscherin Hanni Markel dar.
Die Studie reiht sich ein in die älteren Beschäftigungen der Forscherin, die sie dem Phänomen der Zweisprachigkeit in einer Gemeinschaft im Kreis Hermannstadt (Törnen/Păuca) widmete, wo die sächsischen Gewährsleute über ein reiches Repertoire an rumänischen Geschichten verfügen, die sie sowohl in rumänischer als auch in siebenbürgisch-sächsischer Sprache erzählen.
2016 veröffentlichte sie in unserem Jahrbuch, gemeinsam mit ihrem Gatten Michael Markel, die Studie Volkstheater in und aus Deutschweißkirch, in deren Anhang die kritische Ausgabe des dritten siebenbürgischen Textes des Herodesspiels, in deutscher Sprache, den Johann Markel (1899-1974) 1912 aufgezeichnet hatte. Die Autoren der Studie konnten 1966 wertvolle und neue Daten sichern über die Aufführungen des Theaterstücks zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im zweiten Teil der Studie präsentieren sie die zeitgenössische Umsetzung eines traditionellen Volkstheaters: Jahr für Jahr führen in einem Lokal in Nürnberg zur Faschingszeit die ,,Deutschweißkircher Brummbären“ eine Gruppe Männer um die 50 Jahre, für das aus Deutsch-Weißkirch/Viscri stammende Publikum Theaterstücke in siebenbürgisch-sächsischer Mundart auf, die die Gruppe selbst verfasst hat. Das Phänomen empfiehlt sich für weitere Studien über die Bedingungen der Fortführung einiger traditioneller Formen in der Diaspora der Ausgewanderten.
Die 1992 in Nürnberg ansässig gewordene Hanni Markel, die im Kreis Hermannstadt geboren ist und dort ihre Kindheit verbracht hat, betreut auch heute die Mundart-Rubrik „Sachsesch Wält“ der Siebenbürgsichen Zeitung in München, ein Zeichen, dass sie Siebenbürgen und die Welt des siebenbürgischen Dorfes nie vergessen hat. Übrigens gehört Hanni Markel mit dem was sie geleistet hat, mit ihrer gesamten wissenschaftlichen Tätigkeit, der siebenbürgischen akademischen Welt und dieser Landschaft an. Ein Beweis dafür sind die Fachenzyklopädien und Wörterbücher, die in Rumänien erschienen sind – Ilie Moise, Sibiu – repere etnologice, Honterus-Verlag, Hermannstadt, 2004, S. 88; Iordan Datcu, Dictionarul etnologilor romani, Saeculum I. O., Bukarest, 2006, S. 569-570; Andreea Buzas, Ilie Moise, Din etnologia germanilor din Romania, Honterus, Hermannstadt, 2017, S. 356 – und wo ihre gesamte wissenschaftliche Tätigkeit verzeichnet ist und sie als eine der kundigsten Forscherinnen der siebenbürgisch-säschsischen Kultur und Zivilisation geschätzt wird.
Zum Geburtstag wünschen die akademische Gemeinschaft aus Hermannstadt und die Redaktion der Fachzeitschrift ,,Studii si comunicari de etnologie“ unserer Mitarbeiterin in Nürnberg viel Gesundheit, Schaffenskraft und ein freundschaftliches La multi ani!
Ilie MOISE
Anmerkung der Redaktion: Die Redaktion der Hermannstädter Zeitung schließt sich den Gratulanten an und wünscht der Jubilarin alles Gute und ein frohes Fest!