Zeitbestimmte Daseinsbekundungen

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Großangelegte Ausstellung der VUdAK im Forumshaus in Hermannstadt

Ausgabe Nr. 2628

Bei der Vernissage sprachen (v. l. n. r.) Johann Schuth, Angela Kolb, Ákos Matzon, István Damó vom VuDAK seitens der Gäste und der DFDR-Geschäftsführer Benjamin Józsa seitens der Gastgeber.
Foto: Fred NUSS

„Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit“ – Friedrich Schillers Wegweisung folgend stellt sich aktuell der Verband Ungarndeutscher Autoren und Künstler (VUdAK) durch die Ausstellung „Gestern – Heute – Morgen“ in Hermannstadt vor. Der Titel dieser Werkschau inkludiert Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen durch die Zeit und hält zeitgleich auch an ihrer Daseinsberechtigung fest. Sie ist Teil einer großangelegten Wanderausstellung, die 2017 quer durch Westeuropa reiste – mit Stationen in Fünfkirchen, Berlin, Brüssel, Eupen, Stuttgart und Budapest – und dieses Jahr in Reschitza. Nun wird sie im Atrium im Sitz des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt bis zum 19. Juni gezeigt. Natürlich mit einem aktualisierten Ausstellungsmaterial, das den (Ausstellungs-)Räumlichkeiten vor Ort angepasst wurde.

Das verbindende und bestimmende Element dieser Künstlergemeinschaft ist die Abstammung, das Bekenntnis zur deutschen Identität. Diese Bestimmung wird durch Mehrstimmigkeit getragen, die Diversität in der künstlerischen Ausdrucksweise der einzelnen Mitglieder ist prägend.

Die Kunstwerke dieser Ausstellung repräsentieren die Vielfalt der Techniken, der Materialien, der Sicht- und Denkweisen, die Unterschiede der einzelnen Künstlerpersönlichkeiten. Die Werke bilden auch Identitäten ab: Durch den Brückenschlag der Vermittlung reflektieren die Kunstwerke auch moderne Identitätskonstruktionen der Ungarndeutschen in der bildenden Kunst.

Um nun diese zeitbestimmte Daseinsbekundungen im Titel zu erläutern, gestatten Sie mir etwas in der Geschichte des Verbandes Ungarndeutscher Autoren und Künstler weiter auszuholen.

Antal Lux (geb. 1935), Adam Misch (1935-1995) und Josef Bartl  (1932-2013) sind diejenigen drei Künstler aus Schorokschar (heute der XXIII. Bezirk von Budapest), deren Ausstellung 1979 in Fünfkirchen den Start zu einer ungarndeutschen Kunstbewegung markierte. Es war zugleich die Initiative zur Gründung der Künstlersektion im Verband der Ungarndeutschen (1982) bzw. des Verbandes Ungarndeutscher Autoren und Künstler (1992).

Das Werk des Gründungsmitglieds Josef Bartl „Gepunktetes Bild mit Grabholz“ enthält verewigte Gegenstände und Erinnerungen aus seinem Heimatort Schorokschar. Er gestaltete eindeutig ein persönliches, nur für ihn charakteristisches System von Zeichen, in dem diese sich zwar in einer universellen, weitläufigeren Semantik bewegen, die jedoch durch ungarndeutsche Motive getragen ist. Adam Mischs lyrischer Expressionismus oder seine expressive Lyrik“ beseelte die Idee, Gefühle darzustellen mit allen von der Natur gegebenen Mitteln – wie sich Antal Lux erinnert. Antal Lux, der in Berlin lebende Künstler, der dritte im Bunde, verwendet moderne Techniken, Film und Video sind sein Medium. Persönliche Erlebnisse, Erinnerungen, die Beziehung von Ich und Welt melden sich auch bei ihm zu Wort.

Robert König (1951-2014) schaffte in der Kunst den Zugang zu historischen Themen der Ungarndeutschen, seine Grafikmappe „Dort drunt an der Donau“ stellt ein wichtiges Werk im kulturellen Gedächtnis der Ungarndeutschen dar. In der aktuellen Ausstellung steht die Historie der Provinz Pannonia im Mittelpunkt.

Ákos Matzon (geb. 1945), Munkácsy-Preisträger, Sektionsleiter von VUdAK, Kurator, ist Architekt, sein Expertentum bemerkt der Betrachter auch in der Komposition seiner Kunstwerke und Objekte. Das Spiel mit dem Licht dominiert seinen geometrischen Zugang. Er gibt dem Zufall Raum und baut seine Bilder monochrom oder farbenfroh auf: Struktur und Flächenbearbeitung steigern die Spannung. Seine Bekundung der Wichtigkeit von philosophischen Themen stellt den Betrachter vor die Aufgabe, sich Gedanken zu machen, er regt zum Nachdenken an, schafft es jedoch zugleich, rätselhaft zu bleiben. Seine Kunstwerke sind für den Betrachter ein wichtiger Kompass der großen geheimnisvollen Fragen des Lebens.

Gábor Kovács-Gombos (geb. 1955) lädt den Betrachter zu einer meditativen Lichtreise mit biblischen Topoi ein, Licht- und Schattenspiele, moderne Altarbilder schaffen eine Neuinterpretation des religiösen Erbes in der Kunst. Auch Manfred Karschs  (geb. 1948) Kunstwerke begeben sich auf meditative Art auf die Suche nach dem Licht, seelische Zustände werden durch seine Farbkompositionen beschrieben. Die Tiefe des Gefühls wiederspiegelt sich in seinen Werken und diese erschaffen auch lyrische Momente.

Zsuzsa Triebs (geb. 1982) Werke zeichnet eine moderne Großstadtidentität aus. Die Montage schafft die Bedeutungen zu vervielfältigen und neu zu ordnen. László Hajdús (geb.  1938) spannende Flächenbearbeitung ordnet ihn den wichtigsten zeitgenössischen Repräsentanten des geometrischen Konstruktivismus zu.

Ingo Glass` (geb. 1941) Farbtheorie unterscheidet sich von der des Bauhaus, seine drei Grundformen – Kreis, Dreieck und Quadrat – konstruiert der aus Temeswar stammende und in Budapest lebende Bildhauer durch seine individuelle Farbenlehre zu eigenständigen Bedeutungsträgern.

Péter Berentz` (geb. 1971) Hommage á Loránd Eötvös“ ist ebenfalls eine mehrschichtige konstruktivistische Interpretation des in Ungarn wurzelnden kulturellen Erbes.

Volker Schwarz (geb. 1960) erstellt geographische Landschaftsbilder, impulsiv, farbintensiv, ergreifend-ehrlich reißen diese den Betrachter mit. Seine Experimentierfreude beschreibt er als „ewigen Zwiespalt. Ruhelosigkeit und Trägheit. Liebe zum Chaos und Drang nach Ordnung“.

Géza Szily (geb. 1938) lädt durch sein Werk in die Welt seiner Erinnerungen ein. Die Motive seiner Geburtsstätte sowie der engeren Umgebung sind im Werk des Munkácsy-Preisträgers immer wiederkehrende Momente: „Das sind aber höchstens Ausgangspunkte, von denen aus das Abenteuer (…) beginnen kann“.

István Damó (geb. 1951), der hier in Hermannstadt geboren wurde, lässt auch durch seinen Titel einen breiten Freiraum der Interpretation zu. Eine eigene Mythologie und das visuelle Erlebnis stehen im Mittelpunkt seiner Bilder. Er schafft Freiräume an der Schwelle zwischen philosophischem Raum und Figurenkonstellation. Bekannt ist er auch durch seine Tätigkeit als Buchillustrator. Kalligraphie und Figuren beherrscht er auf bravuröse Weise.

Julius Frömmel (geb. 1959) lädt zu einer seelischen Reise ein, eine Art impulsive Odyssee kann durch sein Werk nachempfunden werden. Jakob Forsters (geb. 1947) Bilder haben aktuell Hermannstadt im Blick. Er ist ein aufmerksamer Chronist und stellt mit scharfem Blick die ihn umgebende Welt dar.

Antal Dechandts  (geb. 1959) Kunstwerken wohnt eine archaische Sprache inne. Holzskulpturen und -objekte stellen auch ein Stück Heimat dar, Landschaftsdetails nehmen etwa auf die hügelige Landschaft seines Heimatortes Nadasch in Südungarn Bezug, doch tiefer und mitreißender ist die Suche nach einer allgemeineren, allumfassenderen Wahrheit.

György Jovián (geb. 1951) greift in der Thematik den Umweltschutz auf: eine gemeinsame, begründete Besorgnis, die fotografieartig und zeitgemäß Darstellung findet.

János Wagner (geb. 1936) ist ein naturnaher Maler, seine Farbgebung wie auch die Flächenbearbeitung drücken „die Unabhängigkeit und die Abweichung von den Normen“ aus. Seine Kunstwerke sind lyrische Momente, die wie eine Symphonie im Innenohr noch weiterklingen. Erzsébet Lieber (geb. 1961) experimentiert auch viel mit Fotographien, ihre Technik und Darstellungsweise verleihen der Komposition eine konstante Spannung.

Junge, bzw. jüngst aufgenommene Mitglieder symbolisieren die Zukunft, das „Morgen“, die Kontinuität. Der Maler Csaba Szegedi (geb. 1960) stellt in seinen Werken zeitgenössische Großstadtidentitäten vor. Die Bildhauerin Erzsébet Horváth (geb. 1976) arbeitet mit Installationen, die Vielfalt der Technik sowie die Freude am Experimentieren sind für sie charakteristisch. Bernadett Breszkovics (geb. 1992) greift ebenfalls das Thema der Großstadtidentität auf in ihrem aktuell ausgestellten Kunstwerk lächelt uns der Frühling an.

Endre Lehel zeigt uns in dieser Ausstellung ein geheimnisvolles Tor, das als Symbol auch im übertragenen Sinne auch für Weltoffenheit steht. Er greift in seiner Kunst oft und gerne an Erinnerungen und prägende Momente zurück.

Der Verband besteht aus zwei Sektionen, die befruchtend aufeinander einwirken: wie eine Art Gesamtkunstwerk werden auch im Zuge des künstlerischen Schaffens Bezugsräume geschaffen. Ein plausibles Beispiel für diese gattungsübergreifende Intertextualitäten stellt der VUdAK-Jubiläumsband „ZeiTräume“ dar.

Und aus diesem Grund möchte ich Robert Beckers Gedicht „Gemälde“ zitieren: Pinselstriche / tragen Ähren / untergehender / Sonnen // Zeit ruht / an Farben / getrocknet. // (…)

Morgen ist heute schon gestern! An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich für das unermüdliche Engagement, für den ungebrochenen Einsatz für das Fortbestehen dieser Künstlergesellschaft bei deren Motor, Johann Schuth (1. Vorsitzender) und Ákos Matzon (Kurator) bedanken. Ganz herzlichen Dank auch an das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien für die Möglichkeit, die VUdAK-Gemeinschaftsausstellung auch in Hermannstadt vorstellen zu können. Ich lade Sie alle dazu ein, die Kunstwerke näher zu betrachten sowie den Weg der Begegnungen gemeinsam anzutreten!

Angela KOLB

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kunst.