Lesung zum Abschluss der Ausstellung in der Sakristei
Ausgabe Nr. 2628
Ein würdevoller Abschluss wurde der Ausstellung „Deportation der Rumäniendeutschen. Immer war diese Hoffnung Ehemalige Russlanddeportierte erinnern sich“ des Luxemburger Fotografen Marc Schroeder am letzten Donnerstag Abend in der Sakristei der evangelischen Stadtpfarrkirche zuteil. Der Initiator der Ausstellung selbst war nicht dabei, jedoch wurde er vertreten von Mitgliedern der deutschen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters.
Die knapp zwei Monate, in denen Interessierte die Ausstellung von Marc Schroeder in der Sakristei der evangelischen Stadtpfarrkirche besuchen und erleben konnten, sind nun vergangen. Damals hatte die HZüber die Eröffnung berichtet (https://www.hermannstaedter.ro/2019/04/wartemit-janiauf-einlebenszeichen-voneuch/) .
Etwa ein Dutzend Menschen haben es geschafft, der Abschlussveranstaltung beizuwohnen. Der Aussteller und Fotograf der Bilder konnte zwar leider nicht dabei sein, wurde jedoch von vier Schauspielerinnen und Schauspielern der deutschen Abteilung vom Radu Stanca-Nationaltheater vertreten. Ab 18 Uhr begann das Quartett, nebeneinander auf Stühlen sitzend, abwechselnd Gedichte von Betroffenen der Deportation vorzulesen. Es waren die unterschiedlichsten Tonarten und Gefühlsregungen, die von den prosaischen Zeilen ausströmten und in der hohen, von Bogengewölbe überdachten Räumlichkeit widerhallten.
Die Gedichte in dem 2015 im Schiller-Verlag Hermannstadt-Bonn herausgegebenen Band „Lagerlyrik – Gedenkbuch 70 Jahre seit der Deportation der Deutschen aus Südosteuropa in die Sowjetunion: Gedichte, Fotografien, Zeichnungen, Lieder, Verse, Reime, Sprüche (Literatur aus Siebenbürgen)“ waren von unterschiedlicher Länge und auch die Tonarten unterschieden sich gewaltig – ähnlich wie die Geschichten, die die Fotos in dem Raum erzählen. Hier waren ebenfalls sowohl positive als auch negative Sichtweisen erkennbar, es waren Gedichte über die Deportation, das Leben in den Lagern und über die Heimkehr. Oft waren Entbehrungen wie der Hunger ein Thema, oder auch die Absurdität darin, von einem auf den anderen Moment wieder in das alte Leben zurückgleiten zu müssen, und das nach all der Zeit in der Fremde als Arbeitssklave. Insofern traf die Lesung der ausgewählten Werke den Kern und den Geist der Ausstellung Schroeders auf den Punkt.
Den eigentlichen Abschluss des Abends und damit auch der Ausstellung selbst bildete aber ein Lied aus jener Zeit, in das nicht nur die vier VorleserInnen einstimmten, sondern auch alle anderen Anwesenden, HZ-Mitarbeiter eingeschlossen:
„Lustig ist es in Russland leben, faria, faria, ho! Essen geben sie uns zu wenig, faria, faria, ho! Zu Norme muß es immer sein, Sonst gibt es nur Suppe allein. Faria, faria, faria, faria, faria, faria, ho!
Wenn wir in die Arbeit marschieren, In der Reihe von drei bis vieren, Schau´n wir alle so traurig drein, Denken, es könnt ja schon Abend sein.
In der Arbeit angekommen, Wird die Haue zur Hand genommen; Denn wir hacken ja so gut Und wir decken das Gras nur zu.
Tut uns dann der Hunger plagen, Schau´n wir nach dem Essenswagen; Rennen wir an den Kochtopf hin, Daß die Köchin kommt von Sinn´.
Sind dann uns´re Kastollen (Kochtöpfe) gefüllt, Schrein wir wieder: Es war zu wenig, Denn der Löffel war wieder nicht voll! Denken: Der Teufel wird dich einmal hol´n.
Wenn die Sonne dann wird sinken, Fragen wir: Hat´s nicht geklingelt? Rennen in das Lager zurück Nach dem Hleba (Brot) geht auch schon der Blick.
Wenn der Leutnant nicht tut lauschen, Tun wir unsre Jubki (Steppjacken) tauschen, Rennen wir in die Erdhütt´ hinein, Fragen: Konnt hier nicht Moloko (Milch) sein?“
Die Melodie ist natürlich die des Volksliedes „Lustig ist das Zigeunerleben“.
Unter den Teilnehmern des Abends war auch Günter Czernetzky, einer der Herausgeber des Gedichtbandes „Lagerlyrik“, aus dem vorgelesen worden war. Die Siebenbürger Ikone hatte die Bücher zur Verfügung gestellt und unterstützt die Arbeit Schroeders. Zwar fand er die Räumlichkeiten der Sakristei etwas zu klein und versteckt für eine Foto-Exposition wie diese, und auch die Fläche zum Aufhängen und Arrangieren der Bilder fand er ausbaubar, jedoch war er froh, dass es die Ausstellung überhaupt gibt. Oder gab, muss man jetzt ja sagen. Czernetzky plädierte daher: „Man sollte sie wandern lassen.“
Der „Vater“ der Bilder und des Projektes selbst, der sich derzeit wieder in Luxemburg aufhält, sagte dazu, dass es sehr gut gelaufen ist und dass das Feedback äußerst positiv ausgefallen ist. Er deutete auf Nachfrage nach weiteren Ausstellungen bereits an: „Ich denke, die Ausstellung in Hermannstadt wird nicht die letzte Veranstaltung in Rumänien gewesen sein.“
Jan-Christian BREWER