Streiflichter von den Banater Heimattagen 2019
Ausgabe Nr. 2629
Am vergangenen Wochenende war es wieder so weit. Hunderte und aberhunderte Banater Deutsche folgten dem Ruf, oder besser gesagt der Einladung des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat, zu den 14. Banater Heimattagen nach Temeswar. Das Motto der Heimattage lautete diesmal „Tradition und Moderne – Die Deutschen im Banat und 100 Jahre Rumänien”. Veranstalter sind das DFDB und das Deutsche Forum der Banater Jugend (DFBJ). Die jährlichen Treffen der ausgewanderten und ansässigen Deutschen finden abwechselnd in Ulm und in Temeswar statt.
Zwei Jahre nach dem letzten Treffen in Rumänien kamen die Banater dann am Samstagvormittag in der Nationaloper endlich wieder zusammen. Euphorie und Nostalgie standen spürbar in dem Raum, der von kunstvollen griechischen Verzierungen und anderen altertümlichen Malereien rund um die riesige Dachkuppel gesäumt war. Nicht nur ältere, auch viele junge Menschen waren zugegen.
Die Blaskapelle „Banater Musikanten“ hatte die Ehre, die Hymne der Banater Schwaben zu spielen, von Dr. Johann Fernbach dirigiert und in Begleitung einer Sängerin. Gleich zu Beginn wurde hervorgehoben, welche Bedeutung das Banat für seine derzeitigen und ehemaligen Einwohner besitzt. Das Motto dieses Jahres, „Tradition und Moderne – die Banater Deutschen und ein Jahrhundert Rumänien“ wurde auch bezüglich der folgenden Ansprachen von den Rednern und Rednerinnen aus Deutschland und Rumänien zum Vorbild genommen.
Fernbach, der Vorsitzende des DFDB, erinnerte an die Geschichte der Banater, die sich vor 100 Jahren beim Friedensvertrag von Paris dafür aussprachen, Teil des Königreichs Rumänien zu werden. Der Leiter der Oper, Christian Rudic, sagte ein paar Worte zu der Ehre und Verantwortung, Multikulturalität und Traditionen aufrecht zu erhalten.
Bernd Fabritius, der Beauftragte der deutschen Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, sprach in seiner Begrüßung von der Bedeutung der Schwaben in der Geschichte des Landes, und ihrer Funktion als Brücke zwischen den Ethnien und Nationen. Auch erinnerte er das Auditorium unmissverständlich an die Worte Angela Merkels im letzten Monat beim EU-Gipfel in Hermannstadt, welche die Rumäniendeutschen ihre „Verbündeten“ nannte und ihnen Unterstützung zusagte, wenn es zu Verfolgungen und Diffamierungen käme. Zudem lobte er die Freundschaft zwischen den beiden Ländern und erklärte diese zu einem Vorbild für das geeinte Europa.
Auch Sylvia Stierstorfer, die Beauftragte der Bayerischen Landesregierung für Aussiedler und Vertriebene, die der „schwäbischen Landsmannschaft” die Verbundenheit des Freistaates zusicherte und der Bundesvorsitzende der Banater Schwaben, Peter-Dietmar Leber, richtete daraufhin ebenfalls freudige Worte an die Anwesenden.
Der deutsche Konsul Ralf Krautkrämer erklärte, das Banat selbst stehe für Vielfalt und Toleranz, und die hohe Wahlbeteiligung von über 50 Prozent in diesem Landstrich spreche gar dafür, dass die Menschen hier ein Vorbild für den „Homo Europaeus“ seien. Auch forderte der Konsul dazu auf, die Heimattage dazu zu nutzen, alte Freundschaften zu pflegen und neue Bekanntschaften zu schließen.
Barbara Stamm, die ehemalige bayerische Landtagspräsidentin, äußerte sogar ein paar mahnende Worte an die Anwesenden: „Nach vorne können wir nur blicken, wenn wir wissen, was war.“, und ermutigte im gleichen Atemzug die Jugend, „Freiheit und Recht“ zu verteidigen, die zudem „Grenzen überwinden“ solle. „Wir brauchen großartige Europäer, wie Rumäniens Staatpräsidenten Johannis“, erklärte sie zudem, bevor sie das große ehrenamtliche Engagement der Banater, besonders das der Frauen, lobte.
Mit einer leidenschaftlichen Rede traf der 92-jährige Temeswarer Ignaz Bernhard Fischer den Nerv der Zuhörer. Er erinnerte an die Ankunft der Schwaben vor 300 Jahren, ihren Leitspruch „Schaffensfreude, Schaffenskraft, Gottvertrauen“, und an die Leistungen der Menschen jener Zeit, wie auch an das Unrecht im Zweiten Weltkrieg und das im Kommunismus, welches er am eigenen Leib spüren musste. Fischer war einer der damals Deportierten. Mit den abschließenden Worten: „Der Banater Schwabe, ob in Deutschland oder hier, wird sich, so lange er seine Werte im Herzen trägt, von keiner Macht der Welt unterkriegen lassen!“, erntete das Temeswarer Urgestein stehende Ovationen und tosenden Applaus.
Michael Szellner, der Stellvertretende Vorsitzende des DFDB, trug in sehr anschaulicher Weise Anekdoten aus dem Leben seines Großvaters vor und schaffte es, auf unterhaltsame Weise ein sehr ernstes Thema, nämlich die ereignisreiche Geschichte der Banater Deutschen, aber auch ihren eigentümlichen Charakter ins Gedächtnis zu rufen. „Wir Banater Deutschen, ob Schwaben oder Berglanddeutsche, als Städtler oder vom Lande, wir sind ein merkwürdiger Stamm“, erklärte er in seinem Vortrag, den er mit dem Ausruf „Hurra, wir leben noch!“ einleitete und beendete.
Abschließend wurde dem Vorsitzenden der Landsmannschaft der Banater Schwaben Peter-Dietmar Leber, die Ehrennadel in Gold verliehen. Er wurde als „engster Freund der Schwaben“ bezeichnet und für die „zutiefst europäische“ Zusammenarbeit gelobt. Leber gab sich gerührt und sagte, die Auszeichnung bedeute ihm sehr viel. Die junge Frau Andreea Lăpugean erhielt zudem von der Stefan-Jäger-Stiftung rückwirkend für 2018 eine Auszeichnung für ihre Leistungen im Bereich „Brauchtumspflege und Jugendtätigkeit“.
Ein wenig später folgte dann das Festprogramm der Kulturgruppen um 16.00 Uhr im Konzertsaal des Ion-Vidu-Musiklyzeums. Im Programm ging es quer durchs Banaterland, mit der Hilfe von zwanzig heimatverbundenen Chören, Kapellen, Tanz- und Trachtengruppen. Die Kulturgruppen kamen aus: Temeswar, Arad, Reschitza, Busiasch, Detta, Billed, Warjasch, Hatzfeld, Großjetscha, Großsanktnikolaus, Nitzkydorf und Steierdorf. Banatschwäbische Gäste aus Deutschland bereicherten auch dieses Mal die Vorstellung.
Als erste Gruppe trat die Jugend-Blaskapelle Steierdorf auf, die seit dem 20. Mai 1865 die Menschen in der Heimat in Freud und Leid begleitet. Die Musikgruppe führt ihre Tätigkeit unter der Leitung des Kapellmeisters Dimitrie Omescu.
Dann folgte die Tanzgruppe „Warjascher Spatzen“. Sie sind Preisträger der Folklore-Wettbewerbe „Lada cu zestre“ und „Moeşteanca”. Sie bestritten bereits Auftritte in Bulgarien, Ungarn und Griechenland, aber auch bei den Heimattagen 2018 in Ulm. Die Gruppe tanzte den Walzer „Bunte Blumen“ und die Polka „Auf der Gartenbank“. Tanzleiter und Choreograf ist Hansi Müller und Gruppenleiterin ist Monica Lazea, welche die Vorsitzende des deutschen Ortsforums ist.
Anschließend trat der Chor „Temeswarer Liederkranz“ auf, dessen Mitglieder nun schon fast 26 Jahre lang mit viel Freude deutsche Volkslieder singen. Es dirigiert Professor Arthur Funk. Es wurden die Lieder: „Glocken der Heimat“, „In einem Schwabendörfchen“, sowie „Fresch und Krotter“ gesungen.
Danach gab sich die Tanzgruppe „Buntes Sträußchen“ Großsanktnikolaus die Ehre. Der Name nimmt Bezug auf den Schmuck der schwäbischen Hüte der Jungen, aber auch auf die verschiedenfarbigen Trachtentücher der Mädchen. Sie präsentierten sich in der Großsanktnikolauser Kirchweihtracht.
Nachfolgend trat die Jugendtanzgruppe des Arbeitskreises Banat-JA auf, diesmal mit Trachten aus dem Kreis Arad, aus Glogowatz, Neuarad, Lippa und Wiesenhaid. Sie tanzten zwei Polkas, deren Choreografie von den Jugendlichen selbst erstellt wurde.
Schließlich kam die Tanzgruppe „Bunter Herbstreigen“ aus Temeswar an die Reihe. Das zeigte sie mit der Kreuzpolka und dem Windmühle-Tanz.
Danach trat der Jugendtrachtenverein Banater Rosmarein auf, welcher 1992 gegründet wurde und richtet seine Tätigkeit nach einem Zitat aus, das der verstorbene langjährige Vorsitzende des Regionalforums Karl Singer gern aussprach: „Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers“. Sie tanzten zwei Tanzfolgen aus dem Banater Bergland und trugen dabei die Rekascher und Guttenbrunner Kerweihtrachten.
Dann folgte die Tanzgruppe „Billeder Heiderose”, die Gruppe wurde 1998 von Edith Barta gegründet. Die Billeder Heiderose pflegt die örtlichen Traditionen und Bräuche der Schwaben, wie zum Beispiel Kirchweih. Sowohl die weiße Kirchweihtracht und die schön geschmückten Hüte, als auch die blaue Sonntagstracht für die frisch Verheirateten, wurden von den Tänzern und Tänzerinnen getragen.
Die Blaskapelle „Original Banater Dorfmusikanten“ betreut, im zweiwöchigen Rhythmus, über 20 Kinder und Jugendliche aus Spaichingen und unterrichten sie nicht nur in Tanz, sondern auch in der Traditions- und Brauchtumspflege. Zusammen mit den Münchner Gruppen waren sie die diesjährigen Ehrengäste des Kulturprogramms und der Heimattage. Die Banater Post schrieb: „Sie nennen sich Original Banater Dorfmusikanten. Einige Mitglieder der Kapelle stammen tatsächlich aus dem Banat. Die Hälfte von ihnen ist auch wirklich auf einem Dorf aufgewachsen. Und ein Original ist jeder für sich.” Die Tanzgruppe aus München ist im Rahmen des Kreisverbandes neben den Dorfmusikanten und dem Banater Chor tätig. Harald Schlapansky leitete die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die nebst den Tänzern aus Spaichingen in Begleitung der Kapelle anschließend auftraten.
Dann folgte die Kindertanzgruppe „Hänschenklein”. Sie wurde 1997 als Nachwuchsgruppe des Jugendtrachtenvereines Banater Rosmarein gegründet. Die Trachten sind banatschwäbische Kindertrachten aus der Gemeinde Bakowa. Die kleinen Tänzer führten die Tanzfolge: „Ein kleiner grauer Esel” auf.
Danach trat die Tanzgruppe „Hatzfelder Pipatsche” auf. Die Gruppe wurde 2016 anlässlich der 250-Jahr-Feier der Heideortschaft gegründet. Sie nahm an mehreren Wettbewerben teil und wurde in den letzten drei Jahren sogar Sieger beim regionalen Folklore-Wettbewerb „Lada cu zestre”.
Im Anschluss präsentierte sich die Tanzgruppe „Edelweiß Detta“. Die Choreografie, die sie zeigten, brachte ihnen den ersten Platz beim regionalen Folklorewettbewerb „Lada cu zestre” ein. Das Ehepaar Elena und Gerhart Şămanţu hatte dafür den Walzer „Rosen der Liebe” und die Polka „Großvaters Liebe” ausgesucht.
Schließlich trat der Franz Stürmer Chor auf, der seit über 25 Jahren nicht nur im Banater Bergland, sondern in fast allen Regionen Rumäniens auftritt. Sie treten überall dort auf, wo es Deutsche gibt im In- und Ausland. Begleitet wurden sie bei ihrem Auftritt von Georg Gassenheimer aus Reschitza.
Dann folgte das „Intermezzo“, diesmal als Duo aus Marianne Chirilovici und Lucian Duca.
Anschließend folgte eine Premiere für die Erwachsenentanzgruppe „Enzian“ Reschitza: Nicht nur in neuer Tracht, sondern auch mit neuen Tänzen, zwei Gemeinschaftstänze der banatschwäbischen Gruppen. Der Walzer „Liebesgedanke“ und die Polka „Für lustige Leut“ wurden gespielt von dem „Banater Bergland Musikensemble“, unter der Leitung von Georg Gassenheimer aus Reschitza.
Zum Schluss des Kulturprogramms standen die Banater Musikanten aus Temeswar alleine auf der Bühne und spielten den Don-Juan-Marsch.
Am späteren Abend, ab 21 Uhr, lud das DFDB dann in das Adam-Müller-Gutenbrunn Haus zum Tanz-Ball ein. Die Festivität wurde von Jung und Alt zum Anlass genommen, die Abendgarderobe und Trachten anzulegen und den Tag mit klassischen Tänzen abklingen zu lassen. Der Ball war stark frequentiert und sorgte bei den Besuchern bis in die Nacht hinein für eine ausgelassene Stimmung, wobei sowohl Deutsche als auch Rumänen ihr Vergnügen hatten.
Tags darauf kamen viele Banater in die Temeswarer Katharinenkirche, um an dem traditionellen katholischen Gottesdienst teilzunehmen. Es war der Dreifaltigkeitssonntag, und etwa 350 Gläubige oder mehr fanden sich in dem schmalen Gotteshaus ein um gemeinsam den Segen des Herrn zu empfangen. Bischof József-Csaba Pál selbst leitete den Gottesdienst an, nachdem er und andere Kirchenmitglieder in einer feierlichen Prozession durch die Reihen der gut gefüllten Kirche geschritten waren. Es wurden auf Deutsch Lieder wie das Halleluja gesungen, das Glaubensbekenntnis gemeinsam abgelegt und Psalme von Geistlichen wie auch Gläubigen verlesen. Bischof Pál hieß die Anwesenden herzlich willkommen und erinnerte an die vielen Schicksale, die vom Kommunismus schwer getroffen worden waren; später äußerte er seine Dankbarkeit für das Leben und dafür, dass die Banater an diesem Tage beisammen sein konnten. Auch erbat der Bischof den Beistand und Segen Gottes für die deutschen Heimattage. „Dieser Tag wird Tag der Einheit genannt werden” sagte er, und meinte damit vermutlich nicht nur die Wiedervereinigung der Banater, sondern wohl auch die Einheit der Dreifaltigkeit, die im Mittelpunkt stand, und ihr Vorkommen im Alltag. Weiterhin betonte er, dass die Gemeinde nicht nur eine materielle, sondern auch eine seelische sei, und wie wichtig das Vertrauen dafür ist.
Im Anschluss an den Gottesdienst versammelten sich alle vor der Katharinenkirche und bereiteten sich für den Trachtenumzug vor. Alle Teilnehmer trugen die üblichen Trachten, welche schon am Vortag zum Volkstanz gezeigt wurden. Der Umzug organisierte sich paarweise und in Gruppen. Die Gruppenleiter trugen Schilder mit den Ortsnamen in der Hand, um ihre Herkunft zu symbolisieren und danach wurde der Trachtenumzug von der Blaskapelle musikalisch begleitet. Der Weg führte über den Opernplatz, Richtung Gedenkstätte am Sieg-Platz (Piaţa Victoriei), an der sie in Gedenken an die Opfer der Revolution, einen Blumenkranz niederlegten.
Anschließend versammelten sich die Teilnehmer vor dem Opernhaus, auf dem Opernplatz. Dort wurden dann Tänze vorgeführt, noch immer in musikalischer Begleitung von der Blaskapelle. Dann bewegte sich der Umzug Richtung Freiheitsplatz, um sich dort zu versammeln und wieder einige Tänze vorzuführen. Aufgrund der starken Sonne wurde der Trachtenumzug dann vorzeitig gegen 13.45 Uhr beendet und die ca. 400 Teilnehmer suchten Schutz im Schatten der Häuser.
Die Heimattage der Banater Deutschen wurden aus dem rumänischen Staatshaushalt über das Departement für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Rumänischen Regierung und Bosch Service Solutionsgefördert. Partnerinstitution ist in diesem Jahr der Verein für Internationale Kooperation Banatia.
Jan-Christian BREWER
André WINTER