„Überragende Wissenschaftlerin“

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Ehemalige Brukenthalschülerin preisgekrönt

Ausgabe Nr. 2625

Nordrhein-Westfalens Wirtschafts- und Innovationsminister Andreas Pinkwart, Valentine Gesché (Kategorie „Nachwuchs“), Brunhilde Wirth, Helga Rübsamen-Schaeff (Ehrenpreis), Ministerpräsident Armin Laschet und Prof. Dr.-Ing. Dieter Spath, der Vorsitzende der Auswahl Jury und der Laudator für den Innovationspreis. (v. l. n. r.).
Foto: MWIDE NRW/Susanne KURZ

In der Kategorie „Innovation“ wurde Dr. Brunhilde Wirth, Direktorin des Instituts für Humangenetik in Köln, für ihren Durchbruch in der Behandlung der spinalen Muskelatrophie mit dem Innovationspreis des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Bei der Preisverleihung am 13. Mai lobte Nordrhein-Westfalens Wirtschafts- und Innovationsminister Andreas Pinkwart 

Wirth als „überragende Wissenschaftlerin“, deren „hartnäckige Recherchen“ zu diesem Durchbruch geführt hätten. Der Preis ist mit 100.000 Euro dotiert.

„Dies ist die bedeutendste Auszeichnung, die ich bisher erhalten habe. Sie rührt und ehrt mich zutiefst. Ich bin auch ein wenig stolz, sie als erste Frau entgegen nehmen zu dürfen. Meiner Ansicht nach würdigt dieser Preis die innovative Kraft der Humangenetik. Er macht den vier Millionen Menschen mit seltenen Erkrankungen in Deutschland und insbesondere denen mit spinaler Muskelatrophie Mut. Ihnen gilt unser täglicher Kampf für eine gezielte Behandlung“, sagte Prof. Wirth, die das Preisgeld in ihre Forschung stecken möchte. Dies erklärte sie gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger, der ihr
in der Ausgabe vom 14. Mai eine ganze Seite widmet, unter dem Titel Perspektive für Tausende Patienten“. Der Beitrag beginnt mit dem Satz Es war ein Lehrer auf ihrem Gymnasium in der Nähe von Sibiu im rumänischen Siebenbürgen, der Brunhilde Wirth für die Biologie begeisterte“. Bei dem Gymnasium in der Nähe von Sibiu“ handelt es sich um das Brukenthalgymnasium in Hermannstadt, das Wirth 1978 absolviert hat. Der Jahrgang 1978, zu dem übrigens auch der amtierende Staatspräsident Rumäniens, Klaus Johannis, gehörte, hatte vom 22. bis 24. Juni 2018 sein 40. Klassentreffen in Hermannstadt gefeiert.

Bei dem Biologielehrer um Horst Kolassovits, der ein begeisterter Genetiker war und seine damalige Schülerin ermutigte, Medizin zu studieren. Sie entschied sich für das Studium der Biologie in Bukarest, promovierte am Institut für Humangenetik der Bonner Uniklinik, arbeitete danach als Postdoktorandin in London und kehrte nach Bonn zurück als Nachwuchsgruppenleiterin. Schließlich wechselte sie als Professorin von Bonn nach Köln, wo sie 2003 das Institut für Humangenetik gründete, dessen Direktorin sie heute noch ist. Brunhilde Wirth habe sich seit 1990 zur beruflichen Lebensaufgabe gemacht, die Ursachen und die Behandlung der spinalen Muskelatrophie zu erforschen.

Spinale Muskelatrophie (SMA) ist die häufigste genetische Ursache, die zum frühen Tod im Kleinkindalter führt. Jede(r) 35. ist Anlageträger und jedes 6000. Neugeborene leidet unter dieser Form des Muskelschwundes. Allein in Europa leben etwa 30.000 Menschen mit spinaler Muskelatrophie. Bei etwa der Hälfte der Patienten ist diese Krankheit so stark ausgeprägt, dass sie innerhalb der ersten beiden Lebensjahre versterben.

Frau Prof. Dr. rer. nat. Brunhilde Wirth hat durch ihre bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der spinalen Muskelatrophie den entscheidenden Grundstein für die Entwicklung innovativer Therapien bei SMA-Patienten gelegt. Prof. Wirth ist es gelungen, Menschen zu identifizieren, die völlig gesund sind, obwohl sie aufgrund des Verlustes des SMN1 Gens eigentlich eine SMA entwickeln sollten. Diese gesunden Personen wurden aufgedeckt, weil sie erkrankte Geschwister mit identischen SMN1/SMN2-Genen haben, denen die vor der Erkrankung schützenden Gene fehlen.

Prof. Wirth hat herausgefunden, wie diese Menschen vor der Entwicklung einer SMA geschützt werden: Die sogenannten Modifier-Gene NCALD und CHP1 wurden zur Entwicklung von SMA-Therapien bereits patentiert. Beide können die SMA-gestörte Endozytose – ein wichtiger Prozess in der Neurotransmission vom Nerv zum Muskel – wiederherstellen.

2017 wurde die erste SMA-Therapie von der US-amerikanischen Arzneimittelaufsicht Food & Drug Administration und der European Medicines Agency zugelassen. Sie basiert auf der von Prof. Wirth identifizierten Ursache für das fehlerhafte Herausschneiden der Introns aus der SMN2-RNA. Mit Hilfe von kurzen genspezifischen Sequenzen (Antisense-Oligonukleotiden) wird das korrekte Prozessieren der RNA zum Teil wiederhergestellt. Die Folge: Menschen, die normalerweise aufgrund ihrer Erkrankung niemals Gehen lernen würden, erlernen mit dieser Therapie Sitzen und Gehen. Bereits ein Jahr nach Zulassung befinden sich über 5000 SMA-Patienten und Patientinnen in Therapie.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart schlussfolgerte bei der Preisverleihung: „Frau Prof. Wirth ist eine überragende Wissenschaftlerin, deren hartnäckige Recherchen zu einem Durchbruch beim Verständnis und bei der neurogenetischen Behandlung der spinalen Muskelatrophie SMA geführt hat. Ihre Arbeit am Kölner Institut für Humangenetik verbindet Spitzenforschung und konkrete Anwendung in beispielhafter Weise und eröffnet damit zehntausenden Erkrankten in Europa neue Perspektiven. Ihre patentierten Erfindungen könnten dazu führen, dass SMA eines Tages der Vergangenheit angehört. Ich bin froh und ein wenig stolz, dass sie am Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen dazu einen innovativen Beitrag leisten kann.“

Beatrice UNGAR

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Medizin.