Kultur dient dem Zusammenleben

Teile diesen Artikel

Gespräch mit dem baden-württembergischen Staatssekretär Julian Würtenberger

Ausgabe Nr. 2626

 

Staatssekretär Julian Würtenberger.
Foto: Laurence CHAPERON

Seit 2016 ist Julian Würtenberger Amtschef und seit Mai 2018 auch Staatssekretär im Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration des Landes Baden-Württemberg. Vom 30. Mai bis zum 2. Juni d. J. unternimmt er als Vorsitzender des Stiftungsrates der Donauschwäbischen Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg (DSKS) eine Informationsreise nach Siebenbürgen, an der Spitze einer Delegation. Im Vorfeld gab Staatssekretär Würtenberger der HZ-Chefredakteurin Beatrice U n g a r Auskunft über seine Tätigkeit.

 

Betrachtet man neben Ihren Aufgaben als Amtschef Ihre fachlichen Zuständigkeiten im Innenministerium des Landes Baden-Württemberg – Sie sind zuständig für Personal, Finanzen, Organisation, Dienstrecht, die Polizei und die Themen Ausländer und Flüchtlinge, Migration, Verfassungsschutz, Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa – stellt sich die Frage: Wann haben Sie Zeit für die Deutschen im östlichen Europa gefunden?

In Deutschland haben Bund und Länder den gesetzlichen Auftrag, das Kulturgut der Deutschen aus dem östlichen Europa im Bewusstsein aller Deutschen und auch des Auslands zu erhalten. Dieser Aufgabe stelle ich mich – ob als Vorsitzender des Stiftungsrats der Donauschwäbischen Kulturstiftung und des Donauschwäbischen Zentralmuseums, ob auf Veranstaltungen des Bundes der Vertriebenen und der Landsmannschaften, auf denen ich immer wieder eine Festrede halten darf. Und ich stelle mich dieser Aufgabe gerne, denn das Thema der Deutschen im östlichen Europa ist geschichtlich bedeutsam und interessant. Insofern ist es für mich keine „Pflichtaufgabe“, sondern eine Aufgabe, die ich gerne wahrnehme und für die ich mir gerne Zeit nehme.

Sind Sie zum ersten Mal in Rumänien unterwegs?

Ich war vor zehn Jahren schon einmal in Rumänien, und zwar in Temeswar und Hermannstadt. Als Regierungspräsident habe ich seinerzeit mit Landräten aus der südwestlichen Region von Baden-Württemberg einen Informationsbesuch gemacht. Dabei hatte ich auch die Freude, den damaligen Bürgermeister von Hermannstadt und heutigen Staatspräsidenten von Rumänien, Klaus Johannis, kennenzulernen. Gerne erinnere ich mich an unseren regen Gedankenaustausch.

Unabhängig von diesem Besuch erfahre ich durch meine berufliche Tätigkeit viel über das Land, seine verschiedenen Regionen und seine bezaubernde Vielfalt – ob im Hinblick auf Mensch, Natur oder Kultur. Selbstverständlich gehört dazu auch das Leben der Deutschen in Rumänien und die von der Donauschwäbischen Kulturstiftung bisher geförderten Projekte. Aber darüber in Unterlagen zu lesen, ist das eine. Das andere ist, vor Ort zu sein und sich einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen. In diesem Sinne freue ich mich, mit Hermannstadt, Klausenburg und Schäßburg einen Ausschnitt der angesprochenen Vielfalt kennenzulernen und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

Welche Projekte der DSKS haben Sie schon im Vorfeld gekannt und welche Projekte liegen Ihnen besonders am Herzen?

Der Stiftungsrat der Donauschwäbischen Kulturstiftung wird durch Berichte und Wirtschaftspläne regelmäßig über die Stiftungsarbeit informiert. Vor diesem Hintergrund sind mir sämtliche Förderbereiche, vor allem auch die wichtigsten Vorhaben, durchaus bekannt.

Bei der Frage nach mir wichtigen Projekten möchte ich zunächst auf die Philosophie der Stiftungsarbeit eingehen. Der deutsche Philosoph Richard David Precht hat einmal prägnant formuliert, dass die Technik dem Menschen zum Überleben dient, die Kultur dagegen zum Zusammenleben. Ein weiterer Aspekt im Zusammenspiel von Kultur und Zusammenleben ist die Sprache. Sie ist Teil einer Kultur und vermittelt Kultur. Und sie ist das wesentliche Element bei Begegnung, Dialog und Verständigung.

Die DSKS fördert eine Reihe von Maßnahmen, bei denen insbesondere junge Leute aus den Ländern Rumänien, Kroatien, Serbien, Ungarn und Baden-Württemberg zusammenkommen. Durch die länder-
übergreifende Begegnung mit dem Ziel, die deutsche Sprache zu erlernen und zu pflegen, finden Dialog und Verständigung statt. Wie wichtig diese völkerverbindende Dimension ist, liegt angesichts unserer geschichtlichen Erfahrungen und gegenwärtiger, weltweit bestehender krisenhafter Situationen auf der Hand.

Vor diesem Hintergrund sind mir solche von der DSKS geförderten Projekte wichtig, an denen Menschen aus verschiedenen Ländern zusammenkommen und die deutsche Sprache pflegen. Die entsprechenden Maßnahmen haben unterschiedliche Formate – Jugendcamps, Lehrerfortbildungen und auch die hier in Hermannstadt stattfindende Sommerakademie „Siebenbürgen – deutsche Sprache, Kultur, Literatur und Geschichte in Südosteuropa“.

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich oftmals erstaunt und zugleich erfreut bin über die Kreativität und Nachhaltigkeit, mit der Projekte von den Verantwortlichen auf den Weg gebracht und umgesetzt werden. Und so ist es mir ein wirkliches Anliegen, allen Beteiligten in den verschiedenen Ländern ein herzliches Dankeschön zu sagen und sie zu ermuntern, so engagiert wie bisher weiterzumachen.

Das Programm Ihrer Informationsreise enthält sowohl Begegnungen mit Vertretern der Wirtschaft als auch Vertretern des deutschsprachigen Bildungswesens sowie der politischen Vertretung der deutschen Minderheit in Rumänien.  Haben Sie die Schwerpunktthemen bestimmt und wenn ja, welche wären diese?

Bei Gesprächen mit Vertretern aus der Wirtschaft interessieren mich z. B. die Rahmenbedingungen und Entwicklungen der Unternehmen von ihrer Ansiedelung bis heute, ihre Erwartungen und Perspektiven für die Zukunft. Stehen ausreichend und gut qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung? Bei deutschen Unternehmen und ihren zum Teil deutschen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stellt sich z.B. auch die Frage, ob deutschsprachige Kindergärten und Schulen vorhanden sind und welche anderen deutschsprachigen Einrichtungen gegebenenfalls wünschens- und unterstützenswert sind.

In puncto Bildung steht für mich die Frage nach dem deutschsprachigen schulischen und universitären Bildungssystem und den deutschsprachigen Tagungen, Aus- und Fortbildungen und anderen Veranstaltungen im Vordergrund. Wie werden die Angebote angenommen? Was ist die Motivation, Deutsch zu lernen?

Mit den Vertretern des Forums der Deutschen in Rumänien bzw. Siebenbürgen wird es um die Situation der deutschen Minderheit gehen. Wie stellt sich die Situation dar? Wird, wenn ja wo und in welche Richtung, Entwicklungsbedarf gesehen?

Ich freue mich, mit den Vertretern aus den verschiedenen Themenfeldern ins Gespräch zu kommen und mich mit Ihnen über die dargestellten wie auch über weitere Aspekte auszutauschen.

Die von der DSKS in Rumänien zur Förderung der deutschen Sprache und Kultur eingesetzten Mittel stellen einen Sauerstoffballon auch für die deutsche Minderheit dar. Wie sieht hier die Zukunft aus?

Ich freue mich, dass Sie unsere Förderung als Sauerstoffballon” bezeichnen. Genau das soll sie nämlich sein, sie soll Luft zum Atmen und Weiteratmen geben. Das setzt natürlich voraus, dass Fördermittel vorhanden sind. Wir haben erreicht, dass die Fördermittel ab diesem Jahr strukturell um 50 % erhöht werden, d. h. die erhöhten Mittel stehen auch in den nächsten Jahren zur Verfügung. Darüber hinaus versuchen wir von Jahr zu Jahr, weitere Mittel bereitzustellen. Dies ist uns bereits in den letzten Jahren gelungen. Und auch in diesem Jahr haben wir es mit einem Plus von 20 % geschafft.

Nach dem Verständnis und der Zielsetzung der Arbeit der Donauschwäbischen Kulturstiftung bedarf es einer soliden Aus- wie auch nachhaltigen Fortbildung von Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern. Der Schwerpunkt darf dabei nicht allein im Bereich der Sprachdidaktik liegen. Es ist wünschenswert, dass auch Bildung im Allgemeinen Sinn hinzukommt. Die Lernenden können dann eine Multiplikatorenfunktion wahrnehmen und die deutsche Sprache und Kultur weitertragen. Dies ist umso wichtiger, als die Beherrschung der deutschen Sprache auch ein wichtiger Faktor für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Region ist. In diesem Sinn wird die Donauschwäbische Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg ihre Arbeit in den nächsten Jahren fortsetzen.

Danke für das Gespräch.

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Politik.