Buntes Sammelsurium

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XXII. Tagung der Kronstädter Germanistik

Ausgabe Nr. 2620

Bei der Premiere des Stückes „Hades. Carpatesca cum figuris statt“ machte der Hermannstädter Schriftsteller Joachim Wittstock (vorne links), mit. Nach dessen Erzählung „Hades“ hatte das Kronstädter Ensemble „DIE GRUPPE“ unter der Spielleitung von Carmen Elisabeth Puchianu diese „kollagierte Reminiszenz“ einstudiert.

Am 4. April des Jahres war es wieder soweit. Die XXII. Internationale Tagung der Kronstädter Germanistik unter dem Motto „Gesehenes, Gehörtes, Erdachtes. Kulturelle, literarische und sprachliche Paradigmen und Strategien der (rumänien)deutschen Postmoderne“ vereinte für zwei volle Tage 27 Germanisten zum gegenseitigen Austausch und Präsentieren ihrer neuesten Forschungsergebnisse.

Eröffnet wurde die Veranstaltung in der Aula der Transilvania-Universität mit einem Grußwort der Veranstalterin, Prof. Dr. Carmen Elisabeth Puchianu, und einer schwungvollen Darbietung beliebter Filmmusikstücke durch das Kammermusikensemble der Tudor-Ciortea-Musikschule aus Kronstadt, geleitet von Izabella Brașoveanu.

Es folgten acht Vorträge rund um das schriftstellerische Werk Joachim Wittstocks, des Ehrengastes der Kronstädter Tagung.  Der Hermannstädter Schriftsteller feiert in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag und stand folglich im Mittelpunkt der Veranstaltung.

Zur Einleitung gab es eine historisch-wissenschaftliche Deutung der Vornamen und des Namens Wittstock. In einem weiteren Vortrag ging es um die Barockfiktion als Gegenwartskommentar in „Herr Gryphius und der gefangene Dichter. Phantasie über den geringen Beistand”, es folgte eine kulturwissenschaftliche Besprechung von „Karusselpolka”, danach ging es um sprachkritische und sprachphilosophische Reflexionen in dem Roman „Die uns angebotene Welt”, um „Die dalmatinische Friedenskönigin” als Plädoyer für die Freiheit, die Erzählung „Weißer Turm, schwarzer Turm” und den Erzählzyklus „Ascheregen”. Ergänzt wurden die der Literatur gewidmeten Vorträge durch eine Präsentation der siebenbürgischen bildenden Künstlerin Margarete Depner (1885-1970), der Großmutter Wittstocks.

Nach einer willkommenen Stärkung in der Mittagspause gab es am Nachmittag weitere acht Vorträge aus sehr unterschiedlichen Bereichen.

Der Nachmittag vereinte ein buntes Sammelsurium an Themen auf sich. Drei Vorträge widmeten sich auf sehr unterschiedliche Weise der Identität in Zeiten der Globalisierung; von einer sehr weit ausholenden philosophischen Herangehensweise an Literatur und Identität in einer globalisierten Welt, über die Präsentation einer Fallstudie zu Migration und Identität und die von ihnen wahrgenommene Brückenfunktion bei den Siebenbürger Sachsen, bis hin zum ewigen Leben“ mittels virtueller Friedhöfe“ und den postmodernen Strategien der Trauerverarbeitung im digitalen Zeitalter.

Zwei sprachwissenschaftliche und drei literaturwissenschaftliche Beiträge, jeweils aus ganz unterschiedlichen Bereichen, ergänzten auf profesionelle Weise die beachtliche thematische Bandbreite.

Besonders Interesse rief jedoch ein sehr fundierter Vortrag unter dem sehr allgemein gehaltenen Titel „Paradigmen der Wissensproduktion und –vermittlung” hervor, da es darin um Raubverlage, Techniken zum Ausbooten der wissenschaftlichen Evaluierungsmaßstäbe ging, um die finanzielle Vorteilsnahme auch angesehener Wissenschaftsverlage, die davon profitieren, dass Wissenschaftler weltweit bei ihnen publizieren müssen und vieles mehr. Die Referentin lieferte auch zahlreiche Belege, Zahlen und Beispiele, um die eigentlich erschreckende Lage in diesem Bereich zu veranschaulichen.

Am Abend dann durften alle Tagungsteilnehmer und zahlreiche weitere Gäste die Premiere des Stücks „Hades. Carpatesca cum figuris” nach der Erzählung Hades“ aus Joachim Wittstocks Erzählband Scherenschnitt“ als kollagierte Reminiszenz’ unter der Spielleitung Carmen E. Puchianus erleben. Es spielte DIE GRUPPE“ mit musikalischer Begleitung durch das Duo CRISTIAN, wobei der Schriftsteller weite Teile der Textvorlage von seinem Platz vor der Bühne selber vorlas. Die gut durchdachte Inszenierung ließ die Zeit wie im Fluge vergehen. Die ruhige Stimme des Autors, die ausdrucksvolle Pantomime der Spielenden, untermalt von dramatischen Musikeinlagen und auf die Leinwand im Hintergrund projizierten, vorher gefilmten Szenen, das Einbeziehen der Zuschauer und des Zuschauerraumes ergänzten sich zu einem Kunsterlebnis der besonderen Art, das unter die Haut ging. Wer die Vorstellung verpasst hat, kann das morgen bei den Deutschen Literaturtagen“ in Reschitza nachholen.

Am Samstag Vormittag ging es mit frischen Kräften in den zweiten Tagungstag. Carmen E. Puchianu beschrieb und erklärte sehr anschaulich ihre Arbeit an der szenischen Umsetzung von Joachim Wittstocks Erzählung „Hades” als „Carpatesca cum figuris”. Zwei der Beiträge widmeten sich den literarischen Werken der Banater Schriftsteller Richard Wagner und Balthasar Waitz. Von den sprachwissenschaftlichen Vorträgen rief besonders jener zum Sprachwandel im Zeichen der Politischen Korrektheit sehr angeregte Diskussionen hervor, was man nach zwei so arbeitsreichen Tagen gar nicht mehr erwartet hatte.

Im Anschluss fand eine außerordentliche Landeskonferenz der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens statt, zu der zusätzlich zu den schon anwesenden Vorstandsmitgliedern und Delegierten noch weitere Teilnehmer aus dem Land angereist waren. Dabei ging es außer um die vereinsmäßig übliche Berichterstattung auch um eine Neuorientierung der GGR, womit den veränderten Rahmenbedingungen der Gegenwart Rechnung getragen wird.

Sunhild GALTER

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bildung.