„Die Schwere einer Banausenstadt…“

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Ein Frauenschicksal aus alten Zeiten: Elsa Asenijeff

Ausgabe Nr. 2615

 

Max Klinger: Elsa Asenijeff.

Als „Femme Fatale“ wird sie hin und wieder bezeichnet, die Elsa Asenijeff, die in Wien als Elsa von Packeny im Jahr 1868 geboren wurde. Die Eltern waren angesehen und wohlhabend, die Tochter wollte gegen den Strom der Zeit schwimmen. Doch vorerst heiratete sie im Jahr 1890 den bulgarischen Diplomaten und Ingenieur Ivan Nestoroff, der sehr gut zu ihr war, wie sie oft beteuerte, doch sehr einfach, wie sie meinte. Der Sohn Asen wurde in Sofia geboren, den sie abgöttisch zu Tode liebte. Das Kind starb und ihr Künstlername Asenijeff entstand.

 

Inzwischen war die gelernte Lehrerin Schriftstellerin geworden. Nach der Geburt des zweiten Kindes, Niki, trennte sich das Ehepaar 1896. Den kleinen Jungen brachte Elsa kurzerhand zur Erziehung nach Wien zu ihrer Mutter und verschwand 1897 schnurstracks als Gasthörerin an die Universität Leipzig. An den Universitäten wurden  damals Frauen nicht zugelassen. Wahrscheinlich durfte sie als Gast in der allerletzten Reihe verborgen zuhören. Der Universitätsbetrieb und die klassischen Fächer wurden noch lange von Männern beherrscht. Frauen wurden zurückgehalten, bekamen eine Halbbildung, weshalb man sie belachte und über sie witzelte.

Während eines festlichen Essens in Leipzig traf sie den Künstler Max Klinger (1857-1920). Der Dramatiker und Schauspieler Frank Wedekind hatte zu dem Zeitpunkt nicht ein, nein zwei Augen auf die expressiv und exotisch aussehende Elsa geworfen. Doch sie hatte nur einen im Blick: den rothaarigen Hünen Max Klinger. Sie wurde seine Geliebte und Muse. In der Villa Romana in Florenz steht bis heute die Klingersche farbige marmorne Portraitbüste von Elsa Asenijeff.

Die gemeinsame Tochter Desiree Otima kam im September 1900 in Paris zur Welt. Einen Tag nach der Geburt malte Klinger sein Kind. Ein zauberhaftes Kinderportrait von der einen Tag alten Desiree fiel mir in die Hände. Klinger und Asenijeff überließen das Kind der Bäuerin Madame Heudeline in Frankreich, besuchten es hin und wieder, schickten regelmäßig Geld und verschwanden in unterschiedliche Orte Europas. Bereits der Erste Weltkrieg trennte sie von Desiree. Sie lebten für sich und ihre Freiheit, ein Kind hätte gestört. Sie reisten viel, empfingen Gäste in Kleinjena an der Saale und in Leipzig.

Auf Drängen des Künstlerbundes war Max Klinger in Italien auf der Suche nach einer passenden Villa, einem Haus, einem Künstlerhaus. Elsa begleitete und beriet ihn auf diesen Reisen, fungierte ebenfalls als Sekretärin und kümmerte sich um die Gäste. Wichtige und bedeutende Menschen der Zeit lernte sie persönlich kennen. Max Klinger und Elsa Asenijeff verbrachten so manche Zeit in den folgenden Jahren in der Villa Romana in Florenz.

Skandalumwittert war die Beziehung Klinger – Asenijeff nicht nur in der Gesellschaft. Die Familie des Künstlers in Leipzig verdarb in ihrer Kleinbürger- und Spießigkeit dem Paar die Heirat, ließen sie nicht  zu. Hätte man ihn, Max Klinger, enterbt? Als Künstler war er schon damals mit großen Aufträgen bedacht, doch auf das Geld der wohlhabenden Leipziger Familie war er sicherlich ebenso angewiesen.

In einem Brief an Graf Kessler schrieb Elsa: „Die Schwere einer Banausenstadt drückt auf der Seele!“ Viel ist damit gesagt und kann nicht so recht zur tiefen Liebe beigetragen haben.

Elsas extreme Lust zum emanzipierten Leben, die Eroberung des sächsischen Hagestolzes Max Klinger, das Getrenntleben von diesem Mann, hat sicherlich nicht nur zur Verwirrung der Umgebung, sondern auch zur üblen Nachrede geführt. Derartige Exzesse waren andere von ihren Ehefrauen nicht gewohnt, hätten sie auch nicht geduldet. Herabwürdigen eines Menschen, einer Person, in diesem Fall einer Frau, ist eine bürgerliche „Tugend“. Bis in die Gegenwart ist das so geblieben.

Als Gastgeberin war Elsa einzigartig, etwas Besseres hätte sich Klinger nicht wünschen können. Klug war sie außerdem. Ihre Bücher wurden veröffentlicht, womit sie wiederum der Gesellschaft die Stirn bot. Auch Essays über Klingersche Kunstwerke verfasste sie.

Die Leidenschaft und Zuneigung des ungleichen Paares verblasste, Elsas Prosa und Gedichte bekamen endlich Anerkennung, ihr Auftreten als Schriftstellerin war schillernd, die Säle gefüllt. Irgendwann tauschte Klinger die Musen, trennte sich von Elsa und lebte mit der 18jährigen Gertrud Bock im Weinberghaus in Kleinjena. Nach einem Schlaganfall 1919 heiratete er Gertrud Bock und ein Jahr später starb er. Erb- und Familienquerelen folgten.

Elsa Asenijeff vertrug die Trennung von Max Klinger nicht. Von ihrer Schriftstellerei konnte sie nicht leben, von Klinger kam kein Geld, die Armut erwischte sie. Kuriose und expressive Situationen gab es, Prozesse führte sie, wie eine Fregatte aufgedonnert streunte sie durch die Straßen. Zum Gespött der Leipziger wurde sie, man steckte sie in unterschiedlichste Nervenheilanstalten. 1941 starb sie in der Stadt an der Pleiße, ihre Tochter Desiree, die inzwischen einundvierzig Jahre alt war, hatte sie nie wieder gesehen. Mit Kindern hätte sie kein großes Glück gehabt, war ihre Aussage in den Jahren, doch offenbar wollte sie es auch nicht. Eine erbärmliche Aussage und ein erbärmliches  Ende für eine Persönlichkeit, die sie zweifelsohne war. Elsas Sehnsucht nach allem, wurde nie erfüllt!

Die Geschichte dieser Frau hat mich ungemein beeindruckt. Die Kopie der Portraitbüste von Elsa Asenijeff, die Max Klinger um 1900 anfertigte, steht noch heute im sonst so kargen Eingangsbereich der Villa Romana. Zusammen mit Klinger und anderen Künstlern hatte sie Anfang des vorigen Jahrhunderts das Grundstück mit der Renaissancevilla entdeckt, gekauft, viel und oft waren sie beide hier zu Gast.

Christel WOLLMANN-FIEDLER

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Geschichte.