Kunst als Zeitzeugnis?

Teile diesen Artikel

Neue Streiflichter von der Saison France-Roumanie  / Von Claus REHNIG                                                         

Ausgabe Nr. 2612

Chefkoch Ioan Bebeșelea vom Hermannstädter Restaurant Syndikat Gourmetbeim Kochen in der Grande Carriole.      
Foto: T. CHAPOTOT

Inzwischen bewegt sich die Saison France-Roumanie zunehmend durch alle Gegenden Frankreichs. Schwerpunkte gibt es in Städten wie Strassburg, Grenoble, Lyon. Ein Beispiel für diese Reiselust ist die Grande Carriole, eine Art Foodtruck, ein von rumänischen Designern (Maria Decu, Mihal Dumitrache) erstelltes Gefährt, wo in jeder Stadt ein anderer Küchenchef seine Spezialitäten vorstellt. In Paris war es Ioan Bebeșelea aus Hermannstadt. Die Verlorenen Eier auf gerösteten Zwiebeln mit Tomatensoße sind ein Traum. In andere Städte kommen Nicola Londras, Horia Simon, Johnny Susala, Alex Petricean.

 

Beim Filmfestival Premiers Planin Angers standen eine Hommage für Corneliu Porumboiu auf dem Programm. Gezeigt wurden seine und Filme von Lucian Pintilie, sowie Kurzfilme von Studenten der UNATC.  In Brest wurden Bilder, Zeichnungen, Collagen von Răzvan Boar ausgestellt, in Lyon herausragende rumänische Ikonen (17.-19. Jahrhundert). In Paris selbst findet natürlich das meiste erstmal statt (der französische Zentralismus will das nun mal so), z .B.Bildjäger”, eine Schau von Mircea Cantor (Prix Marcel Duchamp 2004), der vom Museum für Jagd und Natur eine carte blanchebekam. In einem Raum stellt Cantor Bilder von befreundeten Malern vor allem aus Klausenburg vor, die alle irgendetwas mit dem Thema Jagd zu tun haben: Sorin Câmpan Die Jagd, Gabriela Vanga Wenn Elias schläft, wo ein Kind beim Schlafen von einem Leoparden bewacht wird, Der Hinterhalt’, eine echte Jagdszene von Alin Bozbiciu, Jagd Archivevon Radu Oreian,Jäger im Schneevon Șerban Savu, und viele mehr.

Zum andern importierte” Cantor einige Schätze aus dem Bukarester Nationalen Bauernmuseum (Muzeul Național al Țăranului Român). Zwei Meter hohe Verkleidungen mit Masken (Teufels- und Ziegenköpfe), Raritäten, die aber teils in anderer Form heute noch zum Jahreswechsel in der Moldau und Siebenbürgen vorkommen. All das integriert sich sehr schön und da im Museum wenig freier Platz ist, sieht man dann zwischen ausgestopften Bussarden und Adlern plötzlich eine kleine Zeichnung und andere Werke von Mircea Cantor und direkt auf eine Wand gezeichnete Masken von Cantor als Antwort auf die rituellen Masken. Dieses Thema Tradition und Moderne findet man auch in seinem Film Aquila non Capit Muscas”, wo ein Adler eine Drone jagt oder auch in dem Film, wo er einen Wolf eine Hirschkuh treffen lässt, aber nur virtuell.

In dem zwischen Theater und Tanz angelegten Stück Warten, dass das Leben vergeht”, nach Kafkas Die Verwandlung, laufen fünf Mädchen oft wie gehetzt durch die Gegend. Vom Totalitarismus der Globalisierung und von der Liebe zum Geld ist da in mehreren Sprachen in Off-Stimme die Rede. Choreographisch und sensoriell mit das Schönste, was man bisher gesehen hat und schöner Applaus mit vielen Bravos für  die Regisseurin Silvia Cîrcu , die derzeit bei der Compagnie Desidératé gastiert. Das Stück soll im April d. J. in Neumarkt zu sehen sein.

Rumänische Künstler sind auch in einigen Galerien vertreten, wie etwa Decebal Scriba mit Fotos und klassischen oder vom Surrealismus geprägten Werken. Die mehr poetische oder konzeptuelle Resistenz gegen das Regime in den siebziger Jahren (Serie Masken,Das Geschenk), wo der Künstler sich selbst investiert und die Fotos von den Happenings können indirekt als Zeitzeugnisse gelten.

Mehr in der Gegenwart angesiedelt sind die Arbeiten des Hermannstädter Künstlers Dan Perjovschi in einer anderen Galerie. Eine riesige Wand voll mit Titelblättern von Zeitungen aus verschiedenen Ländern und darauf mit dicker Schrift Worte in verschiedenen Sprachen wie: Hoffnung, Terror, Wo Fremde fremd sind, Der Held, Migranten, Was ist los, Brexit, Angst (mehrmals).

Repräsentativ und weitläufig ist die von der Temeswarer StiftungArt Encounters veranstaltete Ausstellung, die unter dem Titel Ex-East“ Werke mehrerer Generationen von rumänischen Künstlern mit oft nur einem Exponat im Foyer des Oscar-Niemeyer-Hauses präsentiert. Von Constantin Brâncuși über Tristan Tzara, Victor Brauner bis hin zur Zeit nach dem Mauerfall. Interessant sind da neben all den Größen vor allem einige Werke von Künstlern der jüngeren Generation, die über die Zeit des Kommunismus reflektieren. Als sanfte Provokation mögen da die Worte schwarz auf weiss von Ciprian Mureșan (2006) gelten, Communism never happened”, in dem Gebäude, das noch immer Sitz der KP Frankreichs ist. Und dann noch mal Dan Perjovschis vergängliche auf einer Plastikwand geschriebene Slogans: Hammer zeichnen, Sichel zeichnen” und auch Capitalism is bad, Communism is bad, China is good”.

Adrian Ghenie beschreibt mit Basement Feeling” das Gefühl des Künstlers unter der kommunistischen Herrschaft, wo der Keller eine Art Zuflucht war. Düsteres Bild, noch übertroffen durch Lea Rasovszkys überdimensionale aufblasbare gelbe Pistole, Bubblegum of Sweet Surrender 2 (Soft War)”, die sich ständig aufbläst und wieder hinlegt; mag wohl bedeuten, dass alles, was da ist, vergeht und wieder auflebt und wieder vergeht, und…

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Allgemein, Tourismus.