Die Karpaten mit allen Sinnen erlebt

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Streiflichter von einer erlebnisreichen Skitour in den Fogarascher Bergen

Ausgabe Nr. 2613

 

Hier schmorte ein Hammel am Spieß.                         
Foto: Elisa ERNI

Sonntag, 10. Februar dieses Jahres, eine neunköpfige Gruppe aus Bayern, Stuttgart, Österreich und der Schweiz, begibt sich frohen Mutes per Minibus nach Fogarasch, um von dort mit der Bahn zum Buleasee/Bâlea Lac zu kommen. Geplant ist, eine Woche lang mit den Skitourenskiern die Karpaten zu erkunden. Der Anreisetag steht ganz unter dem Zeichen eines herzhaften Willkommens. So zeigt sich uns die Gegend von der schönsten Seite, die Sonne spiegelt sich im ungetrübten Weiß der Landschaft, für uns Touristen aus Mitteleuropa eine Augenweide. Erfeut, voller Tatendrang hieven wir unser Gepäck über das meterhohe bedeckte Gelände, direkt am Buleasee. Begeistert von den reinen Massen, des zu unserer Lande rar gewordenen Elementes, beziehen wir Quartier und warten die Bergwacht ab, da sie mit dem Bergführer unserer Gruppe sprechen möchte, bevor wir uns auf die Tour machen.

 

Zwischenzeitlich ist eine kleine Entdeckertour am und um den See angesagt. In klirrender Kälte, mit wärmender Freude im Herzen, steigt die Gruppe die wenigen Meter hoch. Der Schnee wird untersucht und die  Hanglage, respk. die Steilheit der Hänge inspiziert. Schnell wird klar, es herrschen Extrembedingungen, die die Lawinengefahr potenzieren. Abends, im Gespräch mit der Bergwacht, stationiert am Buleasee, wird das bereits Gesichtete von den rumänischen Experten bestätigt. Der stete Wind, der heftige Schnellfall und die Steilheit der Hänge in Kombination, stellen eine Lawinengefahr der Stufe 4 dar.

Nichtdestotrotz ziehen wir am Montag gestärkt, mit einem reichhaltigen Frühstück und einem herzhaften Nachtessen, samt Obstler und unwiderstehlicher Nachspeise in den Bäuchen, den Hang hoch. Nur nach einigen Höhenmetern, in einem Gelände von 42 Grad, werden wir von unserem Bergführer aufgefordert, unverzüglich abzufellen und den lawinenträchtigen Hang links zu durchfahren, eine andere Stelle wird anvisiert, um hochzugehen, weniger steil, dafür sicherer.

Trittsicher steigt die Gruppe dem Gipfel entgegen, die Karpaten zeigen sich in voller Kraft. Es herrscht eine Temperatur von bis zu 10 Grad Minus, das sich durch den bissigen Wind empfindlich auf der Haut anfühlt. Eingepackt in Thermowäsche und Funktionskleidung trotzt die Truppe den Umständen. Umso größer die Freude sicher auf dem Gipfel angekommen zu sein. Zum Genießen besteht keine Gelegenheit, die arktischen Verhältnisse treiben zum Aufbruch, Ziel die warme Unterkunft mit wärmendem Obstler und gemütserhellendem Papanași (Quarkknödel).

Zur  Überraschung der Deutschsprachler, findet sich ein Kamerateam im Eishotel-Palast am Montagabend ein. Vor dem Eingang, in eisiger Kälte, an einem drehenden Spieß ein Hammel, der bei jeder Umdrehung bei Minus 12 Grad zu einem mundenden Braten wird. Dieses Bild entlockt dem trockensten Bergsteiger ein Schmunzeln. In den Karpaten ist nichts Unmöglich oder eher, die Rumänen machen es möglich. Die Gruppe wird Zeuge vom Beginn des Gourmet-Festivals zum Auftakt des Programms Europäische Gastronomieregion Hermannstadt, mit Präsenz aus Irland, Katalonien, den Niederlanden, Finnland und Deutschland. Mit Handschuhen, weißem Kragen und Chefmütze wird im Eishotel warm serviert. Auch dieser Abend neigt sich warm, mit Bier, Schnaps und üppigem Essen der sternenklaren Mondnacht entgegen.

Der Dienstag zeigt sich in noch ausgeprägter Form. Der Schneefall hielt die ganze Nacht an, der Wind trug das Seine dazu bei. Vor dem Abmarsch filmt das Kamerateam aus Bukarest die Wagemutigen. Der Bergführer wird interviewt, allen Ernstes wird die Gruppe losziehen. Das Vorhaben muss schnell abgebrochen werden, das Risiko eine Lawine im steilen Hang loszutreten, zu hoch. Bei sturmsdickem Nebel, der eigene Atem ist nicht ersichtlich, mit großem Abstand, fährt jeder einzeln den Hang hinab. Vor unseren Augen verschwindet der Erste, unser Bergführer, taucht nach einer unendlich langen Minute einige Meter unten, schneegepudert, auf den Skiern auf.

Brav, der Reihe nach, wie wir es gewohnt sind, befolgen wir die Anweisung und setzen das Angekündigte in die Tat um. Freude war in diesem Moment keine zu verspüren, der Enthusiasmus wich dem reichhaltigen Geschenk von Frau Holle. Der sonst so langersehnte weiße Pulverschnee, Champagner-Powder in der Skitourenszene genannt, wird in diesem Moment zur überlebensmeisternden Herausforderung. Ein winziges Ungleichgewicht, eine kleine Unsicherheit, da mit Gefühl gefahren wird, auf die   Augen ist kein Verlass, alles ist weiß, der einzige Kontrast ist das Unbehagen, das uns voll umgibt, lässt einen fallen, stürzen in den Pulverschnee, der urplötzlich für die Skifahrer mit Rucksack am Rücken zur angsteinflößenden Falle wird.

Erleichtert, heil unten zu sein, durchqueren wir zu Fuß den Tunnel, um auf der anderen Seite dem Wunder der Natur seine Wartung aufzubringen. Schnee und Kälte in allen Facetten der Natur bietet sich uns. Schneeverwehungen, so steil vom Wind gezeichnet, dass man einen Bildhauer dahinter vermutet. Der Anblick ist anmutend, inne halten über die Kraft und Macht der Natur ist angesagt. Die  Winzigkeit des Menschen tritt in diesem Moment zu Tage. Kommentarlos, ohne Worte ist es allen Beteiligten klar. Demütig und dankbar schreiten wir der Unterkunft entgegen.

Am Mittwoch folgt die Programmänderung. Die Gruppe verlässt den Berg, will hinunter ins Tal, mit dem Minibus weiter, sich eine sichere Destination aussuchen.

Jeder ist mit sich beschäftigt, die ansonsten redselige, zusammengewürfelte Gruppe fährt die Passstraße hinab, den Eindruck der Karpaten in sich, um damit zu machen, was jeder für richtig befindet. Schimpfen über die verlorenen Tage oder dankbar sein für die gewonnene Zeit, die vor uns steht. Wir sind zurück im Leben  – in Kronstadt angekommen.

Elisa ERNI

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Tourismus.