Interview mit dem Softwareingenieur und Restaurantbetreiber Martin Müller
Ausgabe Nr. 2608
Es ist nun 10 Jahre her seit das „Hermania“-Restaurant in dem ehemaligen Gebäude des Hermannstädter Musikvereins auf der Kleinen Erde/Str. Filarmonicii von Martin Müller eröffnet wurde. Hier werden die Gäste von Kellnern in siebenbürgisch-sächsischen Trachtenhemden empfangen und die Gerichte zu 80 Prozent aus hauseigenen Produkten zubereitet. Im Gebäude übte einst auch der Männerchor „Hermania“, und der vor 180 Jahren gegründete Hermannstädter Musikverein trug nach der Fusion mit dem Chor ebenfalls diesen Namen. Später beherbergte das Gebäude auch die Hermannstädter Staatsphilharmonie. Martin Müller ist Softwareingineur und ein gebürtiger Mediascher, der 1978 im Alter von 21 Jahren nach Deutschland auswanderte, wo er studierte und 15 Jahre lang arbeitete. 1998 ist er nach Rumänien zurückgekommen, wo er seitdem an der Spitze seiner Firma SOBIS Solutions for Business im Bereich Softwarelösungen tätig ist. Im Laufe der Zeit erweiterte er hier seine unternehmerische Aktivität auch auf andere Bereiche. Über die Entstehung des „Hermania“-Restaurants sowie seine Erfahrungen als Unternehmer in Rumänien sprach Martin Müller mit dem HZ-Redakteur Werner F i n k.
Wie kam es zu der Eröffnung des „Hermania“-Restaurants?
Hans Klein, der damalige Vorsitzende des Hermannstädter Forums, sprach mich an, ob ich mir vorstellen könnte, dieses Gebäude, das dem Forum gehört, zu nutzen. Das war im Sommer 2008. Ich fand, das Gebäude mit seinem neoklassizistischen, teilweise barocken Stil hatte Charme. Allein die Höhe der Fenster beträgt sechs Meter. Das kulturelle Erbe war für mich schon eine Verpflichtung im Sinne unserer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft, das hier in Schuss zu bringen. Ich habe Hans Klein gesagt, das einzige das ich mir vorstellen könne, sei eine Gastwirtschaft mit sächsischer Küche. Er war begeistert. Wir haben 300.000-400.000 Euro investiert und am 11. Dezember 2008 wurde es eröffnet.
In diesem Jahr ist Hermannstadt Europäische Gastronomische Region. Wurden dafür spezielle Vorbereitungen getroffen?
Unser siebenbürgisches Menü-Angebot lautet: Kümmelsuppe, Fischtatar, Forelle in Weinsoße und sächsische Pfanne.
Was hat Sie bewogen, nach Rumänien zurückzukehren?
Ich bin Softwareingineur und habe begonnen ab 2003 in Rumänien zu investieren, einfach weil ich Softwareingenieure brauchte. Und die habe ich auf dem deutschen Markt nicht gefunden, aber in Rumänien. Diese haben in den ersten Jahren für die SOBIS GmbH gearbeitet und dann habe ich 1998 SOBIS Rumänienmit Sitz in Hermannstadt gegründet. Ich hatte damals in Deutschland gewohnt und gearbeitet und bin 2003 zurückgekommen. Ich bin also ein „Heruntergekommener“, ein Rücksiedler. 2006 habe ich noch einmal geheiratet und habe mich hier niedergelassen. Im Moment arbeite ich nur für den rumänischen Markt, sowohl mit der Softwarefirma, als auch mit den Gaststätten Hermania und Albota.
Was kam danach?
Dann kam Albota, die Forellenzucht in Arpașu de Sus. Für mich war es ein Hobby, neben der virtuellen Welt aus dem Softwarebereich auch etwas Praktisches zu haben. Als Mediascher verbinde ich meine ganze Kindheit mit der Kokel. Als Jugendlicher war ich ein guter Fischer und das Fischen ist mein Hobby. Insofern habe ich mich gefreut, in Albota Forellen zu züchten. Wenn man Forellen züchtet, muss man sie aber auch verkaufen und ich fand kaum Absatz dafür. Dann habe ich gedacht, ich mache dort eine Gaststätte. Nachdem die funktioniert hat, war die Idee, dass man nicht von Hermannstadt nach Albota kommen muss, um einen Fisch zu essen, man kann einen guten Fisch nun auch hier in Hermannstadt essen. Hier war ein weiterer Absatzmarkt meiner Produktion.
Sie züchten aber nicht nur Fische?
Nachdem das mit der Forelle so gut funktionierte habe ich gedacht, dass man das auch mit anderen Fleischsorten erweitern kann. Wir haben jetzt Farmen, wir haben über 400 Angusrinder, 150 Büffel, 1.000 Schafe, 600 Ziegen, wir haben einen eigenen Schlachthof, eine eigene Metzgerei, eine eigene Käserei, also eigene Produkte. Albota haben wir ausgebaut als ein Tourismuszentrum mit über 40 Zimmern. Im Kreis Hermannstadt ist es, glaube ich, einer der größten Tourismusbetriebe, weil ich allein im Tourismus 120 Angestellte habe, die nur davon leben. Ich glaube, es sind wenige im Kreis Hermannstadt, die diese Größenordnung erreicht haben und die Tendenz ist weiter steigend. Jährlich wachsen wir mindestens um zehn Prozent.
Und was ist SOBIS Tourism?
Das ist die Firma, mit der wir eng verwandt sind. Dort kümmert sich Radu Lazăr um Buchungen, online-Buchungen für die Forellenzucht, aber auch für Reisen, Flüge, Busfahrten. Das haben wir externalisiert.
Welchen Platz müsste die Wirtschaft in Politik und Gesellschaft in Rumänien einnehmen? Darüber haben Sie bei einem Treffen des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen (DWS) gesprochen.
In Rumänien ist es leider so, dass die Wirtschaft der Politik untergeordnet ist. Z. B. so wie jetzt, wo Anfang Januar 2019 neue Gesetze verabschiedet wurde, vom Mindestlohn bis zu Änderungen die Abgaben der IT-Branche betreffend, als auch die der Freizeitbeschäftigungen, ohne dass diese jemals mit einer Gewerkschaft, oder mit der Vereinigung der Unternehmer besprochen worden wären, mit meines Erachtens schwerwiegenden Auswirkungen auf das Geschäftsleben. Die Politik macht was sie will, stimmt es mit keinem ab, keiner ist verantwortlich, auch nicht einmal für die Konsequenzen. In einem ganz normalen Staat ist man partnerschaftlich.
Was könnte der öffentliche Sektor vom privaten Sektor lernen?
Ein Verwalter des Staates, egal ob Bürgermeisteramt oder ein anderes Amt, hat die gleichen Voraussetzungen, er ist Dienstleister, er muss seine Ein- und Ausgaben zielgerecht, also für den Bürger genauer definieren und wenn er das in Einklang macht, dann denkt er wie ein Unternehmer. Aber solange es diese Kriterien gar nicht gibt, oder diese gar nicht gewünscht sind, ist der Staat wie in einem Bienenstock die Drone, und er verschlingt viele Ressourcen ohne Sinn. Das sieht man auch an der Infrastruktur, an den Straßen, das sieht man an Schulen, in dem Gesundheitswesen, überall.
Gibt es Schwierigkeiten Mitarbeiter zu finden?
Mitarbeiter zu finden ist schwierig und wird noch schwieriger. Politiker und Unternehmer müssen gemeinsam überlegen, wie man die Leute hier halten und so motivieren kann, dass sie bleiben und möglichst so gute Rahmenvoraussetzungen bietet, dass Leute auch wieder zurückkommen, also konkret mehr Arbeitskräfte einwandern wie auswandern.
Haben Sie da konkrete Vorschäge?
Der Rumäne sagt: „vrem o țara ca afară“ (wir wollen ein Land wie im Ausland). Da muss man die gleichen Regelungen einsetzen. Wir sind ein EU-Land, also müssen wir nur die EU-Regelungen und die EU-Auslegungen für uns nutzen, und alle zielgerichtet auf Demokratie, auf Leistung, auf Absorption von EU-Mitteln aus sein.
Ab heute haben wir den EU-Ratsvorsitz inne. Das Bild nach außen ist aber ungeschlossen. Es gibt nichts katastrophaleres, als uneinig zu sein. In allen Sachen nach außen müssen wir gut geschlossen und konsensfähig sein für Lösungen. Genau das ist die Stärke der Siebenbürger Sachsen. Das war die Taktik, die Lebenseinstellung, die es uns ermöglicht hat, uns über 800 Jahre lang als Gemeinschaft zu behaupten.
Sind auch von Ihnen Mitarbeiter abgewandert?
Laufend. Ich habe mindestens ein Drittel meiner Mitarbeiter an Deutschland verloren. Es ist ein logischer Trend. Wir haben Ausbildungshilfe für Deutschland geleistet, enorm, und nicht nur wir, sondern auch viele andere Firmen. Hermannstadt ist ein gutes Sprungbrett in viele Richtungen, vor allem in den Westen, auf Grund der deutschen Sprache, auf Grund der deutschen Schulen, auf Grund einer alten Tradition.
„Verlasse den Ort des Leidens nicht, sondern handele so, dass die Leiden den Ort verlassen!” dieses Zitat von Eginald Schlattner hatten sie in ihren Vortrag beim DWS als Schlussfolgerung eingebaut. Was war damit gemeint?
Das ist eine sehr tiefe innere Einstellung eines Geistlichen, der hier lebt, denn ich habe den Ort verlassen, ich war in Deutschland, ich bin auch wieder zurück gekommen, ich kämpfe für Rumänien und stelle fest, wie schwierig das ist, weil gewisse Rahmenbedingungen hier nicht so gut funktionieren und die Leute sich dessen auch nicht bewusst sind. Es ist schon wichtig, nicht die Flinte ins Korn zu werfen, sondern Eigenkritik und in diesem Fall Verbesserungspotential besser zu nutzen.
Mit ihrer Firma SOBIS bieten sie Lösungen für den öffentlichen Bereich?
Ja, genau für den Staat, der laufend Gesetze ändert, deshalb wird Software gebraucht. Und zwar von heute auf morgen und das ist eigentlich die Kapazität und Qualität die Sobisbietet in diesem etwas chaotischen Umfeld. Man kann damit gutes Geld verdienen, ich bin aber nicht stolz darauf.
Haben Sie weitere Ziele?
Ich bin stolz auf meine Mitarbeiter und das was ich habe, möchte ich erfolgreich weiterführen. Das ist mein Hauptziel. Ich steige aus dem Geschäft schrittweise aus. Ich habe einen neuen Geschäftsführer, dem ich die Verantwortungen übergebe.
Danke für das Gespräch.