Tagung zur Beitrittserklärung der Siebenbürger Sachsen vom 8. Januar 1919
Ausgabe Nr. 2609

Gruppenbild mit Vortragenden und Organisatoren in der Aula des Stephan-Ludwig-Roth-Lyzeums in Mediasch (v. l. n. r.): Daniela Stanciu, Rudolf Gräf, Thomas Șindilariu, Vasile Ciobanu, Ruxandra Hurezean, Elena-Teodora Ion, Paul-Jürgen Porr, Ovidiu Ganț (1. Reihe), Konrad Gündisch, Alexandru Nicolaescu, Daniel Seiberling und Helmuth Julius Knall (2. Reihe).
Foto: Beatrice UNGAR
Unter dem Titel „100 Jahre seit der Beitrittserklärung der Siebenbürger Sachsen zur Vereinigung mit Rumänien“ veranstalteten das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien und die Hanns-Seidel-Stiftung am vergangenen Samstag eine Tagung im Festsaal des Stephan-Ludwig-Roth-Lyzeums in Mediasch. In diesem Saal des damaligen evangelischen Gymnasiums hatten am 8. Januar 1919 die 138 Delegierten der Sächsischen Nationalversammlung ihre Zustimmung für die Vereinigung Siebenbürgens mit dem Königreich Rumänien ausgedrückt. Sieben Vortragende referierten über die Ereignisse in jenen Jahren und die Folgen dieser Entscheidung.

Zwei Sonderbriefumschläge mit Sonderstempel hat der Mediascher Philatelist Liviu Pintican-Juga zu diesem Anlass herausgegeben. Auf dem einen ist die unter dem Titel „An unser Volk!“ in der Mediascher Zeitung veröffentlichte Anschlusserklärung zu sehen.
Der DFDR-Vorsitzende Dr. Paul-Jürgen Porr sagte in seiner Ansprache zum Auftakt der Veranstaltung, „die Stimme der Siebenbürger Sachsen war entscheidend für die Vereinigung“ und „ohne zu übertreiben sind die Siebenbürger Sachsen ein Gründungsmitglied von Großrumänien gewesen.“
Seitens der Hanns-Seidel-Stiftung sagte Direktor Daniel Sieberling, Leiter der Rumänien-Vertretung, das Thema sei „auch heute im europäischen Kontext wichtig“, betreffe es doch „ein historisches Ereignis“.

Zwei Sonderbriefumschläge mit Sonderstempel hat der Mediascher Philatelist Liviu Pintican-Juga zu diesem Anlass herausgegeben. Auf dem zweiten Umschlag ist das Faksimile der Erklärung, die weiter unter im Wortlaut zu lesen ist, zu sehen.
Als „große, feierliche und hochsymbolische Anlässe in der Geschichte des neuen Staates“ bezeichnete in seinem Grußwort der Deutsche Botschafter Cord Meier-Klodt die 100jährigen Jubiläen der Bekenntnisse einzelner Volksgemeinschaften und nationalen Minderheiten zu dem Staat Rumänien. Er stellte fest: „Im gegenwärtigen politischen Umfeld, wo es einigen Kräften im Lande offenbar immer wieder wohlfeil erscheint, die Rolle der deutschen Minderheit in diesem gemeinsam Rumänien zu verunglimpfen, sind sie es mehr denn je. Man kann im Falle der deutschen Minderheit von Beitritt, von Eingliederung in den neuen Staat oder gar von freiwilligemAnschluss sprechen. Ich möchte es aber vor allem als das bezeichnen, was es nun wirklich im Kern der Sache war: Die klare Loyalitätsbekundung der deutschen Minderheit zum neuen Staat – im Vertrauen auf die ihr bei dieser Gelegengeit zugesicherten Rechte, namentlich die politische und kulturelle Gleichstellung mit der Mehrheitsbevölkerung“.
Dem Botschafter für dessen ersten Besuch in Mediasch dankte Bürgermeister Gheorghe Roman in seinem Grußwort. Die Schulleiterin Elena Teodora Ion begrüßte ihrerseits die Anwesenden.
Dann übernahm Hannelore Baier die Moderation der Tagung. Zunächst stellte der Initiator der Veranstaltung, der Geschichtslehrer Helmuth Julius Knall, als Insider „Mediasch zur Zeit der Vereinigung“ vor.
Es folgte der Nachwuchshistoriker Alexandru Nicolaescu vom Hermannstädter Forschungsinstitut für Geisteswissenschaften der Rumänischen Akademie, der „Das Bild der Sachsen in der rumänischen Presse zwischen 1914-1919″ beleuchtete.
Aus Gundelsheim angereist war Dr. Konrad Gündisch vom Siebenbürgischen Kulturzentrum „Schloss Horneck“, der in seinem Vortrag auf die Folgen der Erklärung von Mediasch einging.

Zum Auftakt brachte das Mediascher Männeroktett unter der Leitung von Pfarrer Gerhard Servatius-Depner einige Lieder zu Gehör.
Foto: Beatrice UNGAR
Der neue Direktor des Hermannstädter Forschungsinstituts für Geisteswissenschaften und Prorektor der Klausenburger Babeș-Bolyai-Universität, Dr. Rudolf Gräf lenkte die Aufmerksamkeit aud „Die Banater Schwaben sowie die Banater Berglanddeutschen und die Vereinigung von 1918″.
Der Historiker Dr. Vasile Ciobanu, ebenfalls vom Forschungsinstitut referierte über „Die Bedeutung der Beitrittserklärung von Mediasch und deren Echo“.
Zuletzt ging es in dem Vortrag von Thomas Șindilariu vom Honterus-Archiv Kronstadt ebenfalls um die Folgen der Beitrittserklärung, unter dem Titel „Der Preis der politischen Vernunft“.
Im Anschluss an die Tagung stellte Daniela Stanciu den Sammelband „Loyalitätswechsel und institutioneller Neuanfang. Die regionalen deutschen Minderheiten in Rumänien 1918-1928″ vor, den sie gemeinsam mit Dr. Rudolf Gräf in dem Verlag Presa Universitară Clujeanămit der finanziellen Unterstützung des Departements für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Regierung Rumäniens durch das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien und das Demokratische Forum der Deutschen in Klausenburg herausgegeben hat.
Das Studienbuch „Mediașul si Marea Unire“, (Herausgeber: Vasile Mărculeț und Helmuth Julius Knall) präsentierte der Mediascher Geschichtslehrer Mihai Chiriac.
Nicht zuletzt stellte die Journalistin Ruxandra Hurezean als Koordinatorin das Projekt der Michael-Schmidt-Stiftung „Die Deutschen. 100 Schicksale im rumänischen Jahrhundert“ vor, nachzulesen unter http://www.fundatia-michael-schmidt.org/100deetnicigermani/100-etnici-germani.php
Beatrice UNGAR
An unser Volk!
Die Weltereignisse haben für das Gebiet, auf dem das Volk der Siebenbürger Sachsen vor fast 800 Jahren seine Heimat begründet hat, neue Tatsachen geschaffen; König Ferdinand von Rumänien hat in seinem Dekrete vom 27. Dezember 1918 die Herrschaft über dieses Gebiet ausgesprochen und angetreten. Der zahlreichste Volksstamm Siebenbürgens und der angrenzenden Teile Ungarns aber hat in seiner Karlsburger Nationalversammlung den Anschluss an Rumänien erklärt. Durch die Vereinigung Siebenbürgens und der von Rumänen bewohnten Teile Ungarns mit Rumänien wird ein Gesamtgebiet geschaffen, dessen Zusammengehörigkeit in den ethnographischen Verhältnissen begründet ist.
Angesichts dieser Tatsachen und in der Überzeugung, dass sich hier ein weltgeschichtlicher Vorgang vollzieht, spricht das sächsische Volk in Siebenbürgen, indem es sich auf den Boden des Selbstbestimmungsrechtes der Völker stellt, seinen Anschluss an das Königreich Rumänien aus und entbietet dem rumänischen Volke seine brüderlichen Grüße und herzlichen Glückwünsche zur Erfüllung seiner nationalen Ideale.
Das sächsische Volk Siebenbürgens trägt damit nicht nur der weltgeschichtlichen Entwicklung Rechnung, sondern auch dem innern Rechte des rumänischen Volkes auf Vereinigung und Staatenbildung und spricht die zuversichtliche Erwartung aus, dass sich das rumänischen Volk und der rumänischen Staat, dem das sächsische Volk seine altererbte Tüchtigkeit zur Verfügung stellt, ihm gegenüber immer durch vornehme und gerechte Gesinnung leiten lassen wird. Das sächsische Volk, das Jahrhunderte hindurch eine verfassungsmäßige Selbstverwaltung besaß, die ihm entgegen feierlicher und gesetzlicher Zusicherung widerrechtlich entzogen wurde, erwartet ferner, dass es ihm niemals unmöglich gemacht werde, sich als eine ihres Volkstums bewusste nationale und politische Einheit in aller Zukunft zu behaupten und zu entwickeln, in der Voraussetzung, dass der neue Staat ihm alles gerne bieten und geben wird, was es als seine Lebensbedingung ansieht.
Eine Gewähr hierfür sieht es in den Karlsburger Beschlüssen der rumänischen Nationalversammlung, in denen ausgesprochen ist, dass jedes Volk sich in seiner Sprache und durch seine Söhne leiten, unterrichten, verwalten, rechtsprechen und in Gesetzgebung und Regierung die entsprechende Vertretung erhalten soll, die für Kirche und Schule Autonomie gewährleisten und überhaupt eine gerechte und wohlwollende Berücksichtigung aller freiheitlichen, nationalen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte der Völker und damit auch unseres Volkes verbürgen. [ … ]
Im vollen Bewusstsein der Bedeutung seines Entschlusses, betrachtet sich das sächsische Volk von heute an als ein Glied des rumänischen Reiches, seine Söhne und Töchter als Bürger dieses Staates. Es bittet Gott, dass er den verantwortungsvollen Schritt, den es zu tun sich verpflichtet fühlte, zum Guten lenke und mit seinem Segen begleite.