„Die beste Zeit ist … heute”

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Auftaktveranstaltung des evangelischen Gedenkens an die Neuordnung Europas

Ausgabe Nr. 2603

Die aus Mitteln des Deutschen Kulturforums östliches Europa finanziell unterstützte Wanderausstellung wurde zuerst in der evangelischen Kirche in Bukarest gezeigt.                                                     Foto: Stefan COSOROABĂ

Die Auftaktveranstaltung des evangelischen Gedenkens zu der Neuordnung Europas nach dem Ersten Weltkrieg, welche bis 2021 unter dem Motto „Gesichter – Grenzen – Geschwister“ auf den Zusammenhalt von Christen – trotz immer wieder wechselnden Grenzen – hinweisen will, hat vom 9. bis 11. November in Bukarest stattgefunden. In Bukarest stand sie unter dem Titel „Hundert Jahre zusammen“, da die evangelischen Gemeinden des Altreichs sich unter den neuen staatlichen Gegebenheiten an die Evangelische Kirche in Siebenbürgen anschlossen.

 

„Die beste Zeit ist heute“ antwortete Dr. Peter Datculescu, Direktor des Umfrageinstituts IRSOP, als bei der Pressekonferenz in den Räumen des Bukarester Evangelischen Pfarramtes gefragt wurde, welches in den letzten hundert Jahren die beste Zeit für die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien gewesen sei. Diese Aussage war es, die die Auftaktveranstaltung im Gleichgewicht hielt. Sie stellte den Gegenpol zur Erinnerungskultur dar.

Oberkirchenrat Norbert Denecke (am Lesepult) von der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands gehörte zu den  Ehrengästen.
Foto: Stefan COSOROABĂ

Verständlicher Weise wurde während der Tage die Vergangenheit besonders hervorgehoben, eine Zeit, in der die evangelischen Gemeinden des Altreichs 20.000 Mitglieder zählten und in der Bukarest die zweitgrößte deutschsprachige Gemeinschaft außerhalb des geschlossenen Sprachraums – nach Sankt Petersburg – beherbergte. Gesicht – und Nestor – dieser vergangenen Epoche war und bleibt Stadtpfarrer Hans Petri (1880-1974). Aber auch an deutsche Konsule, Königinnen und Barone sowie an die Leitung durch das preußische Oberkonsistorium aus Berlin erinnerte man sich bei dieser Gelegenheit dankbar. Das geschah im Vortrag des Stadtpfarrers Dr. Daniel Zikeli, der den Prozess von dem Synodalverband der evangelischen Gemeinden an der unteren Donau zu der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien beleuchtete aber auch in dem vorgestellten TV Film und bei der Präsentation der Bücher von Hans Petri. Die Ausstellung der Kirchengemeinde arbeitet die Vergangenheit gekonnt und sichtbar auf.

Das Motto der Feier war das schlichte „Hundert Jahre zusammen“. Es enthielt aber somit das Zauberwort „Zusammen“, welches den Ablauf der Veranstaltung deutlich prägte. Dieses kann auch für die Zukunft der Bukarester evangelischen Gemeinde das entscheidende Wort sein.

Das strukturelle „Zusammen“ mit den Evangelischen aus Siebenbürgen ist in den letzten hundert Jahren zur Selbstverständlichkeit geworden. Die beiden Pfarrer, Daniel Zikeli und Andrei Pinte, stammen von dort und sind in Hermannstadt ausgebildet worden. Die Zusammengehörigkeit mit Siebenbürgen hat durch seine Gegenwart und Predigt Bischof Reinhart Guib sinnbildlich zum Ausdruck gebracht. Auch die Teilnahme von Rainer Lehni als Vertreter des Verbandes der Siebenbürger Sachsen und der Gemeinschaft evangelischer Siebenbürger Sachsen aus Deutschland zeigte, dass das Altreich von den Sachsen „adoptiert“ wurde. Die Zukunft liegt eindeutig in der Ausweitung solchen gemeinsamen Tuns auf unterschiedlichsten Ebenen.

So wurde dieses programmatische „Zusammen“, z. B. konkret mit der internationalen Ökumene sichtbar. Es kamen Gäste aus Ungarn, Österreich, Tschechien, der Slowakei und Deutschland, die alle großes Interesse am evangelischen Bukarest zeigten. Sie kamen mit Bischof Pál Lackner (Budapest), Prof. Dr. Karl Schwarz (Wien) und Dr. Wilhelm Hüffmeier (Berlin) bei der Podiumsdiskussion zu dem Weg der evangelischen Gemeinden in der Neuordnung Europas – zusammen mit den Gastgebern – zu Wort. Das evangelische Leben innerhalb des Altreichs selbst steht und fällt mit dem Zusammen der verstreuten evangelischen Gläubigen, die zu dem Gedenken aus dem Dreieck Jassy – Konstanza – Craiova angereist waren. Auch innerhalb von Bukarest ist es schon eine Herausforderung, die Mitglieder von Drumul Taberei bis Militari zusammen zu führen!

Die eröffnete Ausstellung „Gesichter“ zeigt ebenfalls das Zusammensein aller evangelischen Gemeinschaften als geschwisterliche Schicksalsgemeinschaft. Doch es gibt schon gelebte Realität des Zusammen-Seins:  Das mit der Bukarester Öffentlichkeit. Dieses verdeutlichte das Orgelkonzert, welches Vlad Năstase gespielt hat, zu dem die Musikliebhaber der Stadt mit eingeladen – und gekommen – waren. Gleiches gilt auch für das sprachliche „Zusammen“, wurde doch am Haupttag der Veranstaltung durchgehend ins Rumänische übersetzt. Es lässt sich aber auch zusammen mit den Menschen, die in der Vergangenheit biographisch mit Bukarest verbunden waren, Zukunft bauen. Das zeigten Udo Acker, der Enkelsohn von Hans Petri sowie der ehemalige Bukarester Pfarrer Christian Reich, die speziell zur Veranstaltung angereist waren. Nachholbedarf im Zusammen-Sein mit der lokalen Ökumene sollte aber auch angezeigt werden. Dankenswerterweise kamen zur Veranstaltung Vertreter der griechisch-katholischen und armenischen Kirche, leider aber keiner der großen orthodoxen, römisch-katholischen oder auch reformierten Kirchen. Das ist und bleibt ein Stachel im Fleisch.

Somit hatte die Veranstaltung eine doppelte Botschaft: Einesteils war es der Stolz und die Genugtuung angesichts einer großen Vergangenheit der evangelischen Gemeinden im Altreich, andernteils der Impuls zur klugen Nutzung der geschenkten Gaben im Jetzt und Heute.

Der nächste Schritt von „Gesichter – Grenzen – Geschwister“ bringt Menschen am 7. April 2019 im westrumänischen Nadlak/Nădlac zusammen, wo die Geschwister nicht nur unter den deutschen Evangelischen gesucht werden, sondern auch unter den slowakischen und den ungarischen.

Stefan COSOROABĂ

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche.