„Obstinate Suche nach Identität“

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Vier Tage im Zeichen der Roma-Poesie

Ausgabe Nr. 2598

Am weitesten angereist waren die beiden Romatänzerinnen aus Japan von der Gruppe „Kalibelya Dance“: Tanaka Yuki und Takahashi Aysel, die sowohl am Samstag als auch am Sonntag auftraten.
Foto: Mugur FRĂȚILĂ

Bereits zum dritten Mal fand in Hermannstadt das Internationale Roma-Poesiefestival statt. Das Festival wurde 2016 von der Ion Cioabă-Stiftung ins Leben gerufen, um den interkulturellen und internationalen Dialog über die Roma und ihre Literatur zu stärken. Zum diesjährigen viertägigen Kongress waren Gäste von insgesamt vier Kontinenten angereist.

Als Gastgeberin, Initiatorin und Organisatorin, begrüßte die Autorin Luminiţa Cioabă alle Teilnehmenden am Donnerstagmorgen in der Aula der Lucian Blaga-Universität in der Schewisgasse/Bd. Victoriei und leitete zwei intensive Tage voller Vorträge und Diskussionen ein. Sie betonte die Bedeutung des Romani für die Identität der Roma: „Wenn du deine eigene Sprache nicht hast, dann hast du nichts.“ Im Anschluss sprach Gheorghe Sarău von der Universität Bukarest über die mangelnde Sprachbildung in Schulen, denn obwohl Rumänien das einzige Land mit Romani-Lehrbüchern für alle Altersstufen sei, hätten nur wenige Roma-Kinder in der Schule die Gelegenheit, ausreichend Romani zu lernen.

Luminița Cioabă begrüßte die Teilnehmenden.
Foto: Katharina BAUM

Am Freitag eröffnete der argentinische Aktivist Jorge Bernal den Kongress mit einem Bericht über die Situation der Roma in den Amerikas“. Diese würden zwar oft übersehen, hätten aber mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie die europäischen Roma. „Menschen mögen uns nicht, Menschen lieben uns nicht – Ich weiß nicht, warum. Wir sind doch auch Menschen und haben der Welt viele Dinge geschenkt.“

Als nächste Rednerin sprach Delia Grigore, ebenfalls von der Universität Bukarest, zunächst über die Geschichte der Roma, die dazu geführt habe, dass heute viele Roma ihre Identität verleugneten. Dann leitete sie zum eigentlichen Thema des Kongresses, der Roma-Poesie, über. Grigore sprach über verschiedene (historisch bedingte) Leitmotive, wie z. B. den Holocaust und das als Zwang empfundene Nomadenleben. Zur Verdeutlichung zitierte sie mehrere Gedichte, darunter auch eines des ebenfalls anwesenden Santino Spinelli. Der Italiener, der in seinem Vortrag über die dominierende Natur-Symbolik vieler Gedichte sprach, sagte über die Roma-Poesie, sie sei „eine obstinate Suche nach Identität“.

Diesen Gedanken griff Cecilia Woloch (USA) in ihrem sehr emotionalen Vortrag auf, der von ihrer eigenen Suche nach Identität auf den Spuren ihrer Großmutter handelte. Woloch stellte die Frage nach der Existenz nicht nur ihrer Familie, sondern aller Roma in der Literatur, wo diese absolut unterrepräsentiert seien, wofür sie von allen Anwesenden viel Zustimmung erhielt.

Applaus erhielt auch Orhan Galjus aus den Niederlanden, der an diesem Tag das Schlusswort hatte: „Wir organisieren uns nicht in Staaten und führen keine Kriege. Wir Roma wissen, dass Unterschiede zu Harmonie führen können.“ Im Anschluss wurde Galjus´ Dokumentarfilm „Broken Silence“ gezeigt.

Nach dem Ende des akademischen Teils erwartete die Teilnehmenden am Samstagvormittag im Jungen Wald ein traditionelles Roma-Festessen, zubereitet am offenen Feuer. Auch traditionelle Roma-Bräuche- und Kleidung wurden vorgestellt und ein Silberschmied zeigte sein Handwerk.

Als Abschluss und Höhepunkt des Festivals hatten die Veranstalter am Samstag- und Sonntagabend zu einer Vorführung auf dem Kleinen Ring geladen. Gemeinsam mit anderen Künstlerinnen und Künstlern präsentierten die Kongress-Teilnehmer Gedichte, Musik und Tanz in einer abwechslungsreichen, farbenfrohen Show und ernteten viel Applaus von den Zuschauern.

Katharina BAUM

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Literatur, Aktuelle Ausgabe.