Neuer Rekord beim Astra Film Festival in Hermannstadt aufgestellt
Ausgabe Nr. 2599
Über 70.000 Zuschauer besuchten laut Organisatoren das Astra Film Festival dieses Jahr, fast fünf Prozent mehr als 2017. Über 25.000 davon waren Kinder und Jugendliche, die zusammen mit ihren Lehrer/innen jeden Morgen beim Astra Film Junior dabei waren. Die 19. Auflage des Dokumentarfilmfestivals Astra Film fand heuer vom 15. bis 21. Oktober statt und zeigte Filme aus dem wahren Leben. In Zahlen sah das Astra Film Festival heuer folgendermaßen aus: 128 Dokumentarfilme, davon 55 Filme aus 30 Ländern die in 5 Kategorien beim Wettbewerb teilgenommen haben.
Mehrere Filme wurden im Rahmen eines gewissen Themas gezeigt. Die Themen lauteten: „Mamma Mia – Mutterschaft heute“, „Achtung! Eltern am Lenkrad!“, „Rechtsradikalismus neben uns“, „Meine Herkunft/Religion und ich“, „#unserelebenonline“, „Überlebender im eigenen Heimatland“, „Herausfordernde Schicksale“, „Erwachsenwerden“, „Die Suche nach dem Zuhause“ und „Gegen den Strom“.
So konnte man sich als Zuschauer orientieren, ob der eine oder andere Film von Interesse war oder nicht. Alle Filme waren neu, keiner älter als ein Jahr. Die meisten Dokus wurden zwei Mal oder sogar drei Mal während des Festivals gezeigt und am letzten Tag, dem Sonntag, konnte man die Gewinnerfilme sehen.
Dieses Jahr gab es vor der Preisverleihung einige Highlights. Das größte war das Gespräch zum Thema „Rumänische Diaspora“ das Emil Hurezeanu, Botschafter Rumäniens in Berlin, mit Cristian Tudor Popescu, Schriftsteller, Journalist und Filmkritiker am Freitagabend, dem 19. Oktober, im Thaliasaal führten.
Vorher wurde der rumänische Dokumentarfilm „Nunta anului“ (Die Hochzeit des Jahres“) gezeigt. Darin ging es um das Phänomen der vielen Hochzeiten in der Oaș-Region während der Sommerzeit. Da die meisten Bewohner im Ausland leben und arbeiten, kommen sie im Sommer in ihre alte Heimat zurück, wo sie sich mit dem auswärts hart verdienten Geld riesige Villas gebaut haben, und feiern Hochzeiten nach alten traditionellen Ritualen. Die ganze Region verwandelt sich im Monat August in eine große Hochzeit. Der Film wurde in Weltpremiere beim Astra Film Festival gezeigt.
Im Anschluss fand die Diskussion zwischen Emil Hurezeanu und Cristian Tudor Popescu im ausverkauften Thaliasaal statt. Dabei verglich Cristian Tudor Popescu die im Ausland lebenden Rumänen mit den Siebenbürger Sachsen: „Die Rumänen, die weggezogen sind, sind wie die Sachsen und Juden der 60-er, 70-er, 80-er Jahre. Die Rumänen sind jetzt die Sachsen und Juden. Damals sind die Sachsen gekauft worden, wie die Juden auch. Die Rumänen konnten damals nicht weg, weil kein Staat für sie gezahlt hat. Darum blieben sie hier, bei Ceaușescu. (…) Jetzt sind die Rumänen in einer Art serbisch-kroatischen Situation. Wer wegzieht, wird nicht mehr als Rumäne angesehen. So war es auch zu Ceaușescus Zeiten. Wer ging, war der Verräter, dem Hab und Gut enteignet wurde. Am klarsten zu sehen war diese Idee bei den Protesten in Bukarest, am 10. August“. Die Diskussion ging spannend weiter, wurde aber aus Zeitgründen abgebrochen, just als die Frage: „Was ist ein Rumäne?“ geklärt werden sollte.
Spannend war die Preisverleihung am Freitagabend, dem 20. Oktober. Aus 55 Filmen wurden die besten ausgesucht. Pro Kategorie gab es drei Juroren oder Jurorinnen, die die Qual der Wahl hatten. Schließlich wurden die besten Dokumentarfilme der diesjährigen Auflage vorgestellt. In der Kategorie „International“ gewann der Film „I Am Another You“ (Ich bin ein anderer Du) von Nanfu Yang. Darin begegnet die chinesische Dokumentarfilmerin Nanfu Wang, die in den USA lebt, auf einer ihrer Reisen durch das Land dem jungen und charismatischen Obdachlosen Dylan, der ein bequemes Leben mit Familie und einem sicheren Zuhause freiwillig hinter sich gelassen hat. Fasziniert von seiner Entscheidung und dem Leben, das er führt, entscheidet sich Wang dafür, ihn auf seiner Reise mit der Kamera zu begleiten. Was bedeutet für ihn das Leben auf der Straße und was hat ihn zu dieser Ablehnung der gesellschaftlichen Regeln gebracht? Es geht um die Freiheit und Idealismus, aber auch um deren Grenzen, die nicht zuletzt auch im Persönlichen gefunden werden können. Die Jury begründete ihre Wahl mit folgenden Worten: „Es ist ein Film mit Tiefen, eindringend und sensibel. Eine persönliche Reise, die neue Facetten einer tiefen menschlichen Realität zum Vorschein kommen lässt.
In der Kategorie „Zentral- und Osteuropa“ gewann der Film „When The War Comes“ von Jan Gebert. Der tschechisch-kroatische Film beleuchtet die slowakische paramilitärische Gruppierung Slovenski Branci und feierte seine Weltpremiere im Februar 2018 auf der 68. Berlinale im Rahmen des Panorama-Programms.
Zum besten Film in der Kategorie „Rumänien“ wurde „Caisă“ von Alexandru Mavrodineanu gekürt. Darin wird die Beziehung eines Boxtrainers mit seinem 12-jährigen Schüler beleuchtet. Die Jury dazu: „Der Film zeigt eine aufwühlende Perspektive über die rumänische Gesellschaft, in deren Mittelpunkt sich ein Mensch befindet, der sich nicht vom generellen Zynismus beeinflussen lässt und Jugendlichen eine Unterkunft und eine Chance bietet.“
Der Preis für die „Beste Regie“ ging an „Srbenka“ von Nebojsa Slijepcevic. Die Dokumentation „Srbenka“ untersucht die Gruppendynamik von Gewalt gegen Kinder verschiedener Nationalitäten in Kroatien und den Umgang der nach dem Krieg geborenen Generation mit der Geschichte des Landes. Im Blickpunkt ist vor allem die serbische Minderheit in Kroatien, die schon in den Schulen gemobbt wird.
In der Kategorie „DocSchool“ (Studentenfilm) gewann „Ink of Yam“ von Tom Fröhlich aus Deutschland. Ein Tattooladen vor den Stadtmauern Jerusalems ist Schauplatz des Dokumentarfilms, der seine ganz eigenen Geschichten über Jerusalem erzählt. Ein Mönch mit Paulus-Tattoo, ein atheistischer Koch aus einer ultraorthodoxen Familie und eine Frau, die nach einer Explosion das Bedürfnis nach einem Drachentattoo verspürt, sie alle kommen zu Daniel und Poko’s Tattooladen. Wer zu ihnen kommt, wird tätowiert, gleich welcher Religion und welcher Nationalität. Während die Tinte in die Haut der Menschen dringt, erzählen sie ihre Geschichten.
Der beste Kurzfilm war „They Come and Go“ von Boris Poljak. Ein Beobachtungsdoku über das Leben auf einem Strand in Split, wo Jung und Alt ihre Urlaube verbringen.
Michael Stewart, Leiter des Dokumentarfilmfestivals „London Open City“ (Großbritannien) wurde mit dem Exzellenzpreis des Astra Film Festivals gewürdigt.
Sehr beliebt aber leer ausgegangen war der Film „Putin’s Witnesses“ von Vitaly Mansky, der auf Anfrage des Publikums öfters wiederholt wurde. Die Erzählung beginnt mit dem Amtsantritt des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Jahr 1999, und zeigt, wie er durch die Operation „Nachfolger“ zum scheinbar ewigen Präsidenten Russlands wurde.
Über 70.000 Zuschauer wohnten dem größten Dokumentarfilmfestival Rumäniens binnen einer Woche bei. „Nächstes Jahr wird es noch schöner sein“, versprach Festivaldirektor Dumitru Budrala in seiner Abschlussrede. Man möge auf nächstes Jahr gespannt sein.
Cynthia PINTER