Präsentation über Hermannstadt bei den Offenbacher Interkulturellen Wochen
Ausgabe Nr. 2597

Ruxandra-Maria Jotzu bei ihrer Präsentation im Bücherturm des Büsingpalastes in Offenbach. Foto: Brânduşa MASSION
ARO Rumänischer Kulturverein Frankfurt & Umgebung e.V, www.aro-rhein-main.de, bot am 21. September 2018 eine besondere Veranstaltung, die im Rahmen der Offenbacher Interkulturellen Wochen in der Stadtbibliothek im Büsingpalais stattfand. Das Event „Hermannstadt – Sibiu – deutsche Stadt in den Karpaten“ präsentierte die alte deutsche Stadt in Siebenbürgen, die seit Jahrhunderten vom plurikulturellen Zusammenleben geprägt ist und offen in Richtung Europa schaut. Auch ein Dokumentarfilm über Hermannstadt stand auf dem Programm.
Brânduşa Massion, die Veranstalterin des Abends, Vorstandsmitglied des Vereins, begrüßte uns mit einem „Herzlich willkommen!“
Frau Massion hat das Thema des Abends über Hermannstadt, im Zusammenhang mit der Jubiläumsfeier „100 Jahre seit der Großen Vereinigung Rumäniens am 1. Dezember 1918“ gebracht, zu der Hermannstadt damals einen erheblichen Beitrag geleistet hat. Sie bedankte sich bei der Leitung der Bibliothek, Frau Nicole Köster und Frau Setta Aro, die es ermöglicht hatten, dass die Veranstaltung in diesem wunderbaren Kulturzentrum stattfinden konnte.
Die Bibliothek hat eine ausgeprägte architektonische Besonderheit, den sogenannten Bücherturm. Das kreisförmige Innere einer der Türme des Büsing-Palastes, ist umgeben von Emporen mit Bücherregalen mit Sicht auf ein Atrium, das auch den Lesern und der Öffentlichkeit zugänglich ist. Der Bücherturm ist durch eine innere Wendeltreppe und einen externen Aufzug erreichbar. Hier finden regelmäßig literarische Veranstaltungen, Präsentationen, Debatten usw. statt.
Das Publikum war sehr zahlreich vertreten, es waren circa 120 willkommene Gäste dabei, die meisten von ihnen Deutsche. Das Interesse an der Veranstaltung war so groß, dass nicht nur das Atrium im Erdgeschoss voller Gäste war, sondern auch das erste und zweite Obergeschoss. Es waren Gäste jeden Alters dabei, die Interesse hatten, zusammen einen speziellen Abend zu verbringen, der exklusiv der Stadt Hermannstadt gewidmet wurde, eine Stadt im Herzen Rumäniens, wo sich die mittelalterliche Stimmung perfekt mit der heutigen harmonisiert.
Die Architektin Ruxandra-Maria Jotzu, die in Bukarest geboren wurde und seit 1982 in Bad Homburg bei Frankfurt lebt und arbeitet, hat das Thema auf hohem Niveau und mit viel Charme präsentiert. Sie betonte, dass Hermannstadt einen besonderen Beitrag zum kulturellen Leben in Rumänien leistet. Hier findet jährlich ein Eventmarathon statt, mit einer Diversität an kulturellen Angeboten. Sie erwähnte, dass im Jahr 2007, dank des damaligen Bürgermeisters Klaus Johannis, des amtierenden Staatspräsidenten Rumäniens, Hermannstadt zusammen mit Luxemburg den Titel „Europas Kulturhauptstadt 2007“ erhielt, und somit die erste osteuropäische Stadt war, die diesen Titel ein Jahr lang tragen durfte.
Beim Zuhören fühlte ich mich wieder auf die Straßen von Hermannstadt versetzt, aber sicherer und reicher. Die auf der Leinwand laufenden Bilder, wurden durch konkrete Daten über Geschichte, Architektur und Menschen der jeweiligen Zeit ergänzt. Die Architektin war schon immer von der Region Siebenbürgen und seinem Erbe fasziniert, ein Grund mehr, sich mit dem Thema ausführlich zu befassen. Nur dies erklärt ihre Kraft, uns eine Stunde lang, in die Hermannstädter Welt zu entführen, uns der Geschichte der Siebenbürger Sachsen näher zu bringen, mit den Besonderheiten die sie auszeichnen: Sprichwörter, Dialekte, traditionelle Kunst, Handwerk usw. Ich fühlte wie Frau Jotzu mich an der Hand nahm und mich in die Welt führte, die sie in der anderen Hand hielt, die Welt von Hermannstadt.
Es war eine Rückkehr in der Zeit, beginnend mit dem 12. Jahrhundert, als die deutschen Siedler aus dem deutschen Reich – vornehmlich aus dem Rhein-/Moselgebiet – dem Ruf des ungarischen Königs folgten und nach Siebenbürgen auswanderten. Die erste urkundliche Erwähnung von Hermannstadt stammt aus dem Jahr 1191 unter dem Namen „praepositum Cibiniensem“ und später unter dem lateinischen Namen „Villa Hermanni“.
Nach der Zerstörung durch die Tataren 1241-1242 erholt sich die Stadt rasch. Die strategische Lage der Stadt, an der Kreuzung zweier Geschäftsstraßen, verwandelte sie in ein mächtiges wirtschaftliches, administratives, politisches und kirchliches Zentrum der Siebenbürger Sachsen.
Ich erwähne einige Anhaltspunkte unseres Spazierganges mit Frau Jotzu durch Hermannstadt: Der Startpunkt war der Große Ring, ein Platz, bei dem man sich verpflichtet fühlt, ihn zaghaft und mit Respekt zu betreten. Der Grund? Die Augen der Passanten sind nicht allein, man wird von vielen anderen Augen überwacht, die überall auf den Dächern zu sehen sind. Diese Augen werden die „Augen der Stadt“ genannt, weil man in ihrer Nähe ständig das Gefühl hat, angestarrt zu werden. Ihre Blicke sind alle auf den Großen Ring gerichtet, als ob sie wünschten, die alten Zeiten, deren Zeugen sie über die Jahrhunderte waren, wiederzuerleben, ob es um Getreidemärkte, handwerkliche Objekte oder Prozesse, Verurteilungen und öffentliche Hinrichtungen, aber auch Feierlichkeiten und Meetings geht.
Der Große Ring beherbergt heute verschiedene Open-Air Konzerte, Weihnachtsmärkte, aber auch die alten Gebäude, die durch ihre spezifische Architektur mit barocken Einflüssen von besonderer Schönheit, die Blicke anziehen: das Haus des Generals, das Blaue Stadthaus, das Hecht-Haus, das Haller-Haus, das Lutsch-Haus u. a.. Das Bild wird ergänzt von einer schönen römisch-katholischen Stadtpfarrkirche und dem Brukenthalpalais, erbaut zwischen 1778-1785 von Baron Samuel von Brukenthal, das das älteste Museum in Rumänien beherbergt.
Es genügt, den Blick nach oben zu richten, um den Ratturm zu entdecken. Von ihm kann man nicht nur über Hermanstadt und seine Umgebung schauen, sondern, wenn das Wetter günstig ist, bis zu den Fogarascher Bergen. Wir ignorierten auch nicht die Ursulinenkirche mit ihrer Legende, die Schulpassage oder die Unterstadt.
Der Kleine Ring begrüßte uns mit zwei Museen, dem Apothekenmuseum, und dem „Emil Sigerus”- Museum für siebenbürgisch-sächsische Volkskunde. Hier fällt unser Blick auch auf die „Lügenbrücke”, den Huetplatz, das Brukenthalgymnasium, das evangelische Stadtpfarrhaus und die evangelische Stadtpfarrkirche, mit einem besonders schönen Taufbecken aus Bronze und dem 73 Meter hohen Fünfknopfturm, dem höchsten Gebäude von Hermannstadt.
Unser Spaziergang durch die Vergangenheit und Gegenwart von Hermannstadt, führt uns zwangsläufig zur Orthodoxen Kathedrale und zum speziell dafür entworfenen Ort der Entspannung nach einem Arbeitstag, der Oberen Promenade. Hier befinden sich noch vier Türme, der alten Befestigungsanlage von Hermannstadt: der Armbrusterturm, der Töpferturm, der Zimmermannsturm und der Dicke Turm. Wir durchqueren das Astra-Freilichtmuseum im Jungen Wald, ein außergewöhnliches Erbe im Freien der ländlichen Zivilisation auf dem Territorium Rumäniens.
In dem 30-minütigen Dokumentarfilm haben wir einige der Orte wiedergesehen, zu denen uns Frau Jotzu geführt hatte, aber auch Menschen in ihrem hektischen Stadtleben.
Beim anschließenden Buffet der ARO wurden die Gäste unter anderem auch mit Salami aus Hermannstadt verwöhnt.
Im Namen all derer, die diese unvergessliche Veranstaltung miterleben durften, danke ich den Organisatoren von ARO und der Architektin Ruxandra-Maria Jotzu.
Ioana HEIDEL