Werke von Hans Mattis-Teutsch waren in Wien zu sehen
Ausgabe Nr. 2589
Mitten im Italien-Urlaub erreichte mich ein Mail der HZ-Chefredakteurin, in dem sie mir mitteilt, dass das Rumänische Kulturinstitut (RKI) in Wien zu folgender Vernissage einlädt: „Hans Mattis-Teutsch. Ein rumänischer Künstler der europäischen Avantgarde“. Wieder zurück in Wien und etwas verwirrt ob meiner persönlichen kulturellen Lücke diesen bedeutenden Künstler betreffend suche ich den Kontakt zu der Direktorin des RKI, Irina Cornișteanu, um die Ausstellung besuchen zu dürfen, die vom 22. Juni bis 3. August d. J. zu besichtigen war.
Sie macht es nicht nur möglich, dass ich mir die Exponate exklusiv ansehen kann, sondern Mag. Ana-Maria Altmann, Kunsthistorikerin und Kuratorin der Ausstellung, führt mich persönlich durch die Galerie. Sie eröffnet mir kunstgeschichtlich spannend, detailliert und überaus anschaulich die breite Palette der Schaffenskraft von Hans (Janos) Mattis-Teutsch und das für ihn bedeutsame künstlerische Umfeld.
Hans Mattis-Teutsch ist als vielseitiger und komplexer Künstler (Maler, Grafiker, Bildhauer, Kunsttheoretiker und Poet) zu verstehen, dessen Werke zum relevanten Repertoire der Avantgarde im zentraleuropäischen Raum gehören.
Geboren im Januar 1884 in Kronstadt studiert er an der Königlich-Ungarischen Kunstgewerbeschule in Budapest. In der Folge trägt die Budapester Kunstszene in entscheidender Weise zur Entwicklung des Künstlers bei. Hans Mattis-Teutsch schließt sich der von Kassák Lajos angeführten MA Gruppierung an. Diese unterstützt ihn mittels Ausstellungstätigkeiten, Erwähnungen in der Zeitschrift „Ma“ sowie durch die Herausgabe eines Albums mit Linolschnitten (Linoleum Albumát).
In seinen Münchner Studentenjahren lernt Mattis-Teutsch Wassily Kandinsky, Expressionist und Wegbereiter der abstrakten Kunst, kennen. Offen für die Neuerungen und unter dem Einfluss der Künstler vom „Blauen Reiter“ – Mitbegründer Wassily Kandinsky und Franz Marc – entwickelt er sich zu einer eigenen abstrakten Formensprache weiter.
Die Vergleiche, die zwischen seinen Werken und denjenigen von Künstlern wie Wassily Kandinsky und Franz Marc gezogen werden, offenbaren, abseits visueller und formaler Ähnlichkeiten, seine Lust für die Erkundung des Neuen und den Platz, den er im Rahmen der europäischen Avantgarde einnimmt. Seine Teilnahme an der 99. Ausstellung der Berliner Avantgarde „Der Sturm“ im Jahre 1921 an der Seite von Klee, Archipenko, Marc Chagall, Albert Gleizes, Louis Marcoussis und anderen Künstlern beweist die Wertschätzung, derer er sich im Kreis dieser Künstler erfreut.
Die im RKI Wien präsentierten Arbeiten veranschaulichen den künstlerischen Werdegang von Mattis-Teutsch: von den postimpressionistischen Landschaften mit symbolistischen Akzenten, über die Weiterentwicklung unter dem Einfluss der Künstler vom „Blauen Reiter“, hin zum abstrakten Expressionismus (der Zyklus „Seelenblumen“) und zum Konstruktivismus, erkennbar in den stilisierten Aktdarstellungen am Anfang der 1930er Jahre. Die konsequente Erarbeitung einer originellen, plastischen Sprache avantgardistischer Prägung wird ersichtlich anhand seiner Linolschnitte, Aquarell- und Pastellwerke.
Frau Altmann fügt erklärend hinzu, dass „die Verneinung des Gegenständlichen, in der Kunst der zweiten Dekade des 20. Jahrhunderts, endgültig erreicht und zum Programm erhoben wird. Bei Hans Mattis-Teutsch werden im Zusammenwirken von geometrischer Reduktion und der organisch-rhythmischen Belebung der Landschaft wichtige Aspekte der Entwicklung der Abstrakten Kunst sichtbar.“ Den ursächlichen Input für die vielseitige Künstlerkarriere von Hans Mattis-Teutsch sieht Altmann im damaligen Zeichenunterricht, denn „schon um 1910 wird in den kunstpädagogischen Konzepten der Donaumonarchie eine Tendenz sichtbar, die als Formkunst über die Grenzen des Habsburgerreichs hinaus wesentlich zur Gestaltung und Etablierung der ungegenständlichen Kunst führt. Viele Künstler, welche zum Beispiel den Weg zum Kubismus eingeschlagen haben (Josef Čapek, Anton Procházka, Emil Filla u. a) standen unter dem Einfluss des auf den pädagogischen Prinzipien Johann Friedrich Herbarts aufgebauten Systems des Zeichenunterrichts.“
Hans Mattis-Teutsch verstirbt im März 1960 in seiner Geburtsstadt. Bis zum Schluss bleibt er seinem künstlerischem Credo treu: „Ich hatte eigentlich keine Phasen. Und auch keine Meister. Ich bin ein Kind des 20. Jahrhunderts und als Künstler wiederum habe ich von Beginn an alles, was um mich herum geschieht, aus einer entschiedenen Perspektive betrachtet und meinen Weg konsequent und geradlinig beschritten.“
Die internationale Bedeutung dieses vielseitigen Künstlers wird zurzeit auch im Rahmen der Ausstellung „Klimt ist nicht das Ende. Aufbruch in Mitteleuropa“ (Unteres Belvedere – Wien – 23. März 2018 bis 26. August 2018) dokumentiert. Einige seiner avantgardistischen Arbeiten sind dort ebenfalls ausgestellt und geben ein perfektes Zeugnis seines kreativen Geistes.
Ingrid WEISS