Dank an einen Wegbegleiter

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Ein sehr persönlicher Nachruf auf Paul Philippi / Von Jürgen HENKEL

Ausgabe Nr. 2588

 

Foto: Paul Philippi (am Rednerpult) im Festsaal des EAS-Tagungshauses. Foto: Beatrice UNGAR

Als in den deutschsprachigen Zeitungen Rumäniens zum 90. Geburtstag von Paul Philippi am 21. November 2013 würdigende Artikel erschienen sind, war ich erst einmal baff. Ich wähnte den so Geehrten wohl den juvenilen Jahren durchaus entwachsen, aber das so hohe Alter überraschte mich dann doch. Man konnte den Jubilar damals nämlich immer noch locker für einen erst gut 70-Jährigen halten. Sein reger, wacher und heller Geist sprühte jugendlich-frische Funken wie eh und je – wovon ich mich bei jeder Begegnung aufs Neue begeistert überzeugen konnte. Doch dieses Wiegenfest führte einmal mehr die Binsenweisheit vor Augen, wie schnell die Zeit vergeht. Im August 2017 war es mir noch einmal vergönnt, ihn zu besuchen. Ich hatte gehofft, ihn in diesem Sommer wieder aufsuchen zu können. Es sollte nicht mehr dazu kommen.

Vor ziemlich genau 25 Jahren haben sich unsere Wege erstmals gekreuzt. Im Oktober 1993 traf ich als frischgebackener Gaststudent aus Deutschland am Protestantisch-Theologischen Institut in Hermannstadt auf Paul Philippi, zunächst in seiner Eigenschaft als Professor für Praktische Theologie. Seine Theologie, sein Wirken und auch sein politisches Engagement für die deutsche Minderheit in Rumänien haben mich dann aber von Anfang an rasch gleichermaßen fasziniert wie motiviert. Seinen Weg wenigstens seit 1993 in Hermannstadt mit verfolgt zu haben und ihn persönlich als prägenden Professor, als bedeutenden Gelehrten und stets auch als konstruktiv-kritischen Wegbegleiter, Förderer und Gesprächspartner erlebt haben zu dürfen, wird für mich immer ein Segen Gottes bleiben.

Ich bin dankbar dafür und schätze mich glücklich, Paul Philippi persönlich kennengelernt zu haben. Vier Semester lang bin ich sein Hörer gewesen und zu seinem theologischen Schüler geworden. Ich habe bei ihm Vorlesungen über Predigtlehre (Homiletik) und über Liturgik gehört. Mit meiner Mitschrift dieser exzellenten Vorlesungen habe ich mich auf das theologische Examen in Bayern vorbereitet. Das entsprechende „Caiet studenţesc“ habe ich aufgehoben, es liegt bis heute obenauf und griffbereit in meinem Pfarramtsbüro. Auch bei manchen Nachbesprechungen zu Predigten und Gottesdiensten habe ich viel gelernt. Paul Philippi konnte uns als Studenten aus dem reichen Fundus seiner großen Theologie und aus seiner ebenso reichen Lebenserfahrung für unser Leben und unser eigenes theologisches Denken und Reflektieren, Handeln und Wirken unendlich viel mitgeben.

Seit nun 25 Jahren verbanden uns viele – mich beglückende wie bereichernde – Begegnungen, angeregte und anregende und manchmal auch buchstäblich aufregende Gespräche zu historischen, theologischen, politischen und kirchlichen Fragen und Themen, die uns beide gleich brennend interessierten, auch wenn wir in manchen Punkten nicht übereinstimmten. Seine Positionen und Standpunkte dabei waren freilich nie nur Meinungen, sondern immer argumentativ wohlbegründete, substanzielle und gleichzeitig im besten Sinne diskussionsfähige wie diskussionswürdige Überzeugungen.

Es bedeutete immer einen willkommenen geistigen Höhenflug in mancher Ödnis des Alltags, sich mit einem so brillanten Kopf und hochgebildeten Mann auszutauschen und manchmal auch in der Sache fröhlich-trefflich und voller gegenseitiger Sympathie und mit aufrichtigem Respekt voreinander zu streiten. Jedes Gespräch und jede Begegnung mit Paul Philippi boten ein intellektuelles Vergnügen und einen geistigen Gewinn. Auf ihn zu hören brachte stets einen Erkenntnisfortschritt. Und dank seines ausgeprägten Humors konnte man mit ihm auch herzhaft lachen. Er lachte selber gerne.

Paul Philippi war mit seinem nachgerade enzyklopädischen Wissen aus verschiedensten Bereichen einer der gebildetsten und belesensten Menschen, die ich persönlich bisher erlebt habe. Sein bis ins höchste Alter messerscharfer Verstand und sein systematisches und stets strukturiertes Denken versetzten ihn auch in die Lage, seine Aussagen selbst in freier Rede souverän in druckreife und feinstgeschliffene Sprache und Rhetorik von äußerster Präzision und Eleganz zu kleiden, von seinen Veröffentlichungen und Vorträgen ganz zu schweigen.

Paul Philippi war in all den Jahren seit 1993 eine der prägendsten Persönlichkeiten für mich, ein väterlicher Freund, Förderer und Wegbegleiter, von meiner Studienzeit über meine Jahre an der Evangelischen Akademie Siebenbürgen/EAS bis hin zu den letzten Jahren, als er mir weiterhin immer wieder ein freundliches und konstruktiv-kritisches, dabei aber stets motivierendes Echo auf Publikationen, Veranstaltungen und Initiativen schenkte. Er zählte auch zu den Menschen, die mir in den siebenbürgisch-sächsischen Kreisen mit wirklich herzlicher Aufgeschlossenheit, unvoreingenommener Offenheit und ehrlicher Diskussionsbereitschaft begegnet sind. Ich habe von ihm theologisch, historisch wie politisch mehr gelernt, als er vielleicht selbst vermutet hat.

So verneige ich mich in dieser traurigen Stunde des Abschieds und der Trauer in allergrößtem Respekt und noch größerer Dankbarkeit vor dem verstorbenen Paul Philippi, meinem verehrten akademischen Lehrer, vor seiner Person, seinem Werk und Wirken und dieser ganz außergewöhnlichen Lebensleistung in Theologie, Kirche und Minderheitenpolitik. Der Moment des irdischen Abschieds ist gekommen. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten seiner Ehefrau und der Familie. Uns bleiben die dankbare Erinnerung und der gemeinsame Glaube als Christen an das Wiedersehen in der künftigen Gemeinschaft der Erlösten im Reich Gottes.

Hermannstadt und Siebenbürgen wie auch die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien sind ohne Paul Philippi ärmer geworden. Eine überragende Persönlichkeit hat sich verabschiedet, wie es in einem Jahrhundert nicht viele gibt. Danke für alles, lieber Paul Philippi! Ruhe in Frieden! Und das Ewige Licht leuchte Dir! Die Himmlischen Heerscharen und die Chöre der Engel um den Thron des Allerhöchsten dürfen sich freuen auf diese Verstärkung aus Siebenbürgen.

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Persönlichkeiten.