Zur Premiere von „Eine Ziege, ein Wolf und drei sympathische Zicklein“ am Gong-Theater
Ausgabe Nr. 2582
Das Theaterstück „Eine Ziege, ein Wolf und drei sympathische Zicklein“ ist eine moderne Neufassung des Märchens „Die Geiß mit den drei Geißlein“ des rumänischen Schriftstellers Ion Creangă (1875). Die etwas weniger grausame Inszenierung von Simona Vintilă, die am 4. Juni in Premiere am Gong-Theater für Kinder und Jugendliche gezeigt wurde, ergreift mit einem sehr modernen Setting ihr junges Publikum zielgenau. So schaffen Computerspiele wie Minecraft, das Einkaufszentrum „Mall“ oder die Benutzung des Handys den Bezug zum 21. Jahrhundert sehr gut und erzeugen damit einen authentischen Spannungsbogen zwischen Märchen und Wirklichkeit.
Der inhaltliche Bezug zum bekannten Märchen: „Die Kinder befolgen in Abwesenheit der Mutter ihre Anweisung nicht und gewähren dem Wolf Einlass, was dazu führt, dass er zwei von dreien findet und auffrisst“, ist soweit gewährleistet. Kurz vor dem Ende nimmt die Geschichte jedoch eine neue, unerwartete Wendung, was die Moral des Märchens in ihrer Nachhaltigkeit stärkt.
Zsolt Fehérvári bedient sich einfachster Mittel für ein aussagestarkes Bühnenbild (bunte Würfel, die exemplarisch für das Interieur des Geißenhauses stehen und ständig, je nach szenischer Handlung wechseln) und gewährt somit eine uneingeschränkte Konzentration des Publikums auf den Handlungsverlauf. Alex Halka verleiht der Darbietung mit aussagestarker Musik ein hohes Maß an Lebendigkeit. Maskenbildnerin Lucia Preda hat es wunderbar geschafft, schöne Menschen in glaubwürdige Tiere zu verwandeln. Die Masken der Tierdarsteller sind allesamt sehr modern und altersgerecht.
Angela Páskuy spielt die Rolle der fürsorglichen Mutter sehr authentisch und schafft es, durch ihre Ausdrucksstärke viel Nachdruck und Vertrauen zum Guten zu verleihen. Die drei sympathischen Zicklein, gespielt von Andrei Hansel, Claudia Stühler und Adrian Prohaska transportieren wundersam die unterschiedlichen Charaktere der Kinder und machen ihre Gefühlswelt sehr gut nachvollziehbar. Jenö Major spielt einen hervorragend bösen Wolf. Als Patenonkel vermittelt er jedoch unterschwellig die Hoffnung, das Böse sei doch nicht so böse, wie befürchtet. Der wahre Charakter des Wolfes bleibt bis kurz vor Ende der Darstellung zweifelhaft. Auffallend ist die harmonische Interaktion zwischen den Darstellern und das offensichtliche Verschmelzen mit ihren Rollen, die die Zuschauer vergessen lässt, dass es nur ein Schauspiel ist.
Alles in allem ist das also eine sehr empfehlenswerte und gelungene zeitgenössische Interpretation eines altbekannten literarischen Stoffes, der in jeglicher Hinsicht zu einer etwas weniger dramatischen und mehr kindgerechten Aufführung mit einer nicht vorhersehbaren Wendung und Ereignissen geformt wurde, als ich es erwartet habe. Die Moral der Geschichte und die überzeugend ausdrucksstarke Spielweise der Darsteller tragen zu einer nachhaltig gedankenvollen Stimmung bei, die der Zuschauer noch lange, nach dem Verlassen des Theaters, mit sich trägt.
Monika C. SCHMID