Streiflichter von der 12. Auflage des Transilvania Film Festivals in Hermannstadt
Ausgabe Nr. 2583
„Der Regisseur ist die einzige Person, die weiß, worum es in einem Film geht.” Dieses Zitat stammt von dem bekannten indischen Filmregisseur Satyajit Ray. Und weil er in den meisten Fällen Recht hat mit seiner Behauptung, leiteten die Organisatoren des „Transilvania International Film Festival“ (TIFF) – das vom 25. Mai bis 3. Juni in Klausenburg stattfgefunden hat -, nach den meisten Filmvorführungen eine Diskussionsrunde mit Regisseur und Mitarbeitern ein, wobei die Zuschauer Fragen zu dem Film stellen können. So geschehen auch vergangene Woche in Hermannstadt, als vom 20. bis 24. Juni die zwölfte Auflage des TIFF stattfand.
Besonders beliebt waren auch dieses Jahr die rumänischen Filme, die in Hülle und Fülle im Programm vorhanden waren. Insgesamt 41 Spielfilme wurden an vier Orten in Hermannstadt – im Gong-Theater für Kinder und Jugendliche, im Astrafilm-Saal, auf dem Großen Ring und im Harteneckpark gezeigt. Je eine Vorstellung gab es in Gura Râului, im Garten der ehemaligen Brukenthalschen Sommerresidenz in Freck und auf der Bühne am See im ASTRA-Freilichtmuseum im Jungen Wald. Das zahlreichste Publikum war wie jedes Jahr auf dem Großen Ring präsent. 2.000 Zuschauer verfolgten am Donnerstag, dem 23. Juni, den Dokumentarfilm „România neîmblânzită“, der die Schönheit der Natur mit der Pflanzen- und Tierwelt Rumäniens in HD-Format zeigt. Der 90-minütige Dokustreifen von Tom Barton-Humphreys überzeugt nicht nur durch schöne Landschaften sondern auch durch die unverkennbare Stimme des Schauspielers Victor Rebengiuc. Der Eintritt bei allen Outdoor-Projektionen war kostenlos.
Offiziell begonnen hat der zwölfte „Hermannstädter Gastauftritt”des Transilvania International Film Festivals, das eigentlich in Klausenburg zu Hause ist, am Mittwoch, dem 20. Juni, im Gong-Theater mit der Projektion des rumänischen Spielfilms „Povestea unui Pierde-Vară“ (Die Geschichte eines Taugenichts), unter der Regie von Paul Negoescu. In der Hauptrolle ist Alexandru Papadopol, alias Petru, zu sehen, Mathematikdozent an der Politechnischen Universität in Bukarest, der Schwierigkeiten hat, eine monogame Beziehung zu seiner Freundin zu haben. Doch dann ist Irina schwanger und Petru muss eine wichtige Entscheidung treffen. Bei der Vorführung waren Regisseur und Hauptdarsteller dabei.
Im darauffolgenden „Secretul fericirii“ (Das Geheimnis vom Glücklichsein), unter der Regie von Vlad Zamfirescu entdecken zwei langjährige Freunde, dass die Ressourcen für das Glücklichsein begrenzt sind. Damit ein Mensch glücklich sei, müsse ein anderer unglücklich sein, so bliebe das Gleichgewicht in der Welt. Der Film ist wie ein Theaterstück aufgebaut. Es gibt nur einen Schauplatz, die Terrasse eines Wohnblockappartements. Trotzdem ist keine Sekunde von den 88 Minuten langweilig. Immer wieder wird der Zuschauer durch neue, unerwartete Wendungen überrascht. Der Regisseur ist zugleich Hauptdarsteller und beweist zusammen mit seinen Kollegen Teo Marton und Irina Velcescu sein großartiges schauspielerisches Können. Der Film wurde inzwischen auch für die Theaterbühne adaptiert.
Der rumänische Roadmovie „Marița“ mit Alexandru Potocean und Adrian Titieni entführt die Zuschauer in einem alten Dacia über die Karpaten bei spannenden Gesprächen zwischen Vater und Sohn über das Leben und die Liebe. Und Marița, wie die beiden den Dacia-Wagen getauft haben, ist auch dabei, mit der Persönlichkeit des alten rumänischen Wagens, an dem im Regen herumgeschraubt werden muss, damit man weiterkommt. Lustig und sehenswert.
Tragisch hingegen war der dänische Film „The Guilty“ (Der Schuldige), unter der Regie von Gustav Möller, der den TIFF-Publikumspreis 2018 gewann. Der Thriller spielt sich ausschließlich am Telefon ab. Als der Polizeioffizier Asger Holm (Jule Hermann) in den Innendienst versetzt wird, erwartet er eigentlich einen eher langweiligen Job in der Notrufzentrale. Doch das ändert sich, als er einen Anruf von einer entführten Frau erhält, der abrupt unterbrochen wird. Asger, der seine Dienststelle nicht verlassen darf, muss nun seine Kollegen auf Streife als seine Augen und Ohren benutzen. Die Suche nach der Frau und ihrem Entführer erfordert all seine Aufmerksamkeit und seine ganze Erfahrung als altgedienter Polizist.
Einer der Höhepunkte der diesjährigen Ausgabe des Transilvania Film Festivals Hermannstadt war die Ausstrahlung des Films „Una Mujer Fantástica“ (Eine fantastische Frau), unter der Regie von Sebastian Lelio, der 2018 den Oscar für den besten ausländischen Film gewonnen hat. Erzählt wird die Geschichte einer Transgender-Frau (dargestellt von Daniela Vega), die sich nach dem plötzlichen Tod ihres Lebensgefährten (Francisco Reyes) mit den Vorurteilen und der Wut seiner Familie sowie der Voreingenommenheit von Behörden konfrontiert sieht. Sie beginnt daraufhin, für ihr Recht auf Trauer zu kämpfen und findet zu ihrer ersten Liebe, der Musik zurück…
„Scurtcircuit“ (Kurzschluss) war ein ebenfalls sehenswerter Spielfilm, der den Fall des Brands an der Neugeborenen-Abteilung des Krankenhauses im Bukarester Stadtviertel Giulești 2010 unter die Lupe nimmt. Damals kamen sechs Frühchen ums Leben, weil die Klimaanlage im Brutkasten-Saal aufgrund einer unsachgemäßen elektrischen Installation Feuer gefangen hatte. Das Urteil im anschließenden Strafprozess bescherte der verantwortlichen Krankenschwester eine zweijährige Gefängnisstrafe, dem Abteilungsleiter und dem zuständigen Elektriker Bewährungsstrafen sowie der Klinik hohe Geldstrafen.
Der Regisseur Cătălin Saizescu verfolgt die Ereignisse Schritt für Schritt, vom Ausbruch des Brandes über die Rettungsversuche innerhalb der Klinik und über das Auftauchen der Feuerwehr bis hin zur Ankunft israelischer Ärzte, die damals ihren Sachverstand den Opfern der Brandkatastrophe von Giulești freiwillig zur Verfügung stellten. Parallel dazu wird die Liebesgeschichte zweier Teenager verfolgt, aus der eine ungewollte Schwangerschaft entsteht.
Der im Kino des rumänischen Bauernmuseums in Bukarest verbotene Film „Câteva conversații despre o fată foarte înaltă“ (Einige Gespräche über ein sehr hochgewachsenes Mädchen), unter der Regie von Bogdan Theodor Olteanu, wurde am letzten Festivaltag im Gong-Theater gezeigt. Der Film spricht über die Schwierigkeiten mit denen sich zwei Frauen konfrontieren, die eine offene Liebesbeziehung im heutigen Rumänien führen möchten.
Das diesjährige Transilvania International Film Festival endete mit dem Klassiker „Parașutiștii“ (Die Fallschirmspringer) aus dem Jahr 1974, unter der Regie von Dinu Cocea und mit Florin Piersic in der Hauptrolle. Nach der Projektion des Spielfilms auf dem Großen Ring wurde der beliebte Schauspieler Florin Piersic als Gast begrüßt, mit dem die begeisterten Zuschauer eine rege Konversation führten. TIFF war auch dieses Jahr ein voller Erfolg und die Klausenburger Organisatoren rühmen sich mit einem Zuschauerrekord in Hermannstadt.
Cynthia PINTER