„Das Theater ist mein Land”

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Nachlese zum 25. Internationalen Hermannstädter Theaterfestival
Ausgabe Nr. 2583

 

Isabelle Huppert auf dem „goldenen Sofa“.            Foto: Doina GIURGIU

„Das Theater ist mein Land. Es ist ein riesiges Land ohne Grenzen, ohne Vorurteile. Es lebe das Theater!“ sagte die französische Schauspielerin Isabelle Huppert bei der Feierstunde am vorletzten Tag des 25. Internationalen Hermannstädter Theaterfestivals, dem 16. Juni, als sie einen Stern auf der Ruhmesmeile auf der Oberen Promeande in Hermannstadt entgegennehmen durfte. Wer am letzten Festivalstag, den 17. Juni, nach dem 45 Minuten-Gespräch mit Isabelle Huppert und Regisseur Cristian Mungiu im Thaliasaal nicht genug hatte, konnte am Abend erleben, dass die Schauspielerin, die u. a. durch ihre Hauptrolle im Film „Die Spitzenklöpplerin“ (1977) so richtig durchgestartet war, tatsächlich auf den „Brettern, die die Welt bedeuten“ zu Hause ist.

 

In ihrer szenischen Lesung aus dem Bestseller Der Liebhaber“ von Marguerite Duras aus dem Jahr 1984 zog sie souverän alle Register ihrer so einzigartigen Schauspielkunst. Diskret und scheinbar mit schwebender Leichtigkeit versetzte sie sich abwechselnd ohne Brüche, ohne Hemmungen und ohne großes Aufsehen nach und nach in die verschiedenen Gestalten des Romans. Und sie war glaubwürdig und authentisch. Egal, ob sie die 15-Jährige mimte oder den chinesischen Liebhaber, die Mutter der Minderjährigen oder sonstwen, eineinhalb Stunden lang gehörte Isabelle Huppert die Bühne und sie nutzte jede Sekunde. Nach dieser Vorstellung kann man der Journalistin Bettina Baumann nur beipflichten, die in ihrem Beitrag zum 65. Geburtstag der Schauspielerin am 16. März d. J. geschrieben hat: Selbstbewusst, unterkühlt, arbeitsam. Immer wieder wird Huppert, eine der größten französischen Schauspielerinnen, auf diese Eigenschaften reduziert. Dabei ist das Mosaik Isabelle Huppert weitaus komplexer.“ (Siehe: Isabelle Huppert – Die ‚Unnahbare‘ ist 65″/www.dw.com).

 Daniel Plier, Brita Falch-Leutert und Gabriel Silișteanu bei der Darbietung mit „Terje Vigen“ am 16. Juni in der Johanniskirche. Foto: Adi BULBOACĂ

Das Publikum in Hermannstadt darf dankbar sein, mindestens zwei Facetten der Schauspielerin erlebt zu haben, einmal als Interviewpartnerin auf dem goldenen Sofa“ auf der Bühne des Thaliasaals, und dann alsVorleserin“ der besonderen Art ebenda. Da blieb auch Festivalsdirektor Constantin Chiriac nicht mehr übrig, als das Publikum bei der Konferenz aufzufordern, die Chance wahrzunehmen und der Huppert“ Fragen zu stellen. Er selbst widmete ihr einen Gedichtvortrag. Das passte perfekt, die Schauspielerin ist ein Gedicht.

Rafael Butaru (Geige) und Bogdan Mihăilescu (Gitarre) boten am 14. Juni in der Franziskanerkirche einen „Dialog auf 10 Saiten“ mit Werken von Bach und Piazolla.                                              Foto: Cristi COJOCARIU

Ein Gedicht, genauer gesagt eine Ballade von Henrik Ibsen, stand im Mittelpunkt der Darbietung Terje Vigen. A Man There Was, die am 16. Juni, 23 Uhr, in der Johanniskirche in Hermannstadt und am 17. Juni, 18 Uhr, in der Hammersdorfer evangelischen Kirche aufgeführt wurde.

Und so beginnt die Ballade, die Ibsen 1862 verfasst hat: Er wohnte draußen im Schärenreich weit,
/Mit dem Weltmeer in wilder Eh‘;/Er tat gewiß keinem Menschen ein Leid/Weder an Land noch zur See;/Doch manchmal da blitzte sein Aug‘ voll Groll;/Zumal wenn er Sturm kommen sah;/Und da meinten die Leute, der Mann sei toll,/Und kamen, heimlichen Bangens voll,/Dem Terje Vigen nicht nah.

Brita Falch-Leutert bei der Darbietung an der Orgel in Hammersdorf am 17. Juni.             
Foto: Grimm

Was kann diese alte Geschichte von einem tapferen norwegischen Fischer, der auf Rache verzichtet, heute noch sagen, dürften sich viele gefragt haben, als sie von den Plänen der drei Darsteller hörten, das Wagnis einzugehen und die Ballade beim Theaterfestival vorzustellen. Der Schauspieler Daniel Plier war gleich davon begeistert, als Erzähler mitzumachen, der Bratschist Gabriel Silișteanu war auch überzeugt von der Musik, die von der Hermannstädter Stadtkantorin Brita Falch-Leutert komponiert worden war. Die Komposition sei schon 2003 entstanden, sie habe nur auf eine gute Gelegenheit gewartet, diese anzubieten, sagte Brita Falch-Leutert der Hermannstädter Zeitung. Die Darbietung war einmalig, die lautmalerischen musikalischen Einlagen unterstrichen die Dramatik, beschwörten die Naturgewalten herauf, ließen schroffe Felsen vor dem inneren Auge der Zuhörer aufragen.

Es ist zu hoffen, dass Terje Vigen“ noch oft gespielt wird.

Beatrice UNGAR

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Theater.