Initiative duale Berufsausbildung und Konzept Industrie 4.0 in Mühlbach vorgestellt
Ausgabe Nr. 2571
Am 6. März hatte der Mühlbacher Bürgermeister Dorin Nistor zu einer Konferenz eingeladen, in deren Rahmen er die Initiative zur Entwicklung des dualen Berufsbildungssystems in Mühlbach präsentierte. Eingeladen war u. a. auch Werner Braun, der Vorsitzende des Deutschen Wirtschaftsclubs Kronstadt, um die duale Berufsschule Kronstadt als Erfolgsbeispiel vorzustellen aber auch die vierte Industrierevolution „Industrie 4.0“, ein Konzept das auf Digitalisierung basiert und mit dessen Implementierung Unternehmen scheinbar früher oder später rechnen müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dabei waren auch Hans Erich Tischler, Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt sowie Birgit Schliewenz, Beauftragte für die Partnerschaft zwischen dem Land Brandenburg und der Entwicklungsregion Mitte.
Mühlbach befindet sich an einer vorteilhaften geografischen Position u.a an der zukünftigen Kreuzung zweier Autobahnen, so dass hier gegenwärtig rund 1.344 Unternehmen aktiv sind und Arbeitslosigkeit so gut wie nicht existiert. Aus dieser Entwicklung heraus, aus Gesprächen mit den Unternehmern im Hinblick auf die fehlenden qualifizierten Arbeitskräfte, habe sich nun die Notwendigkeit ergeben, diese Konferenz zu organisieren. Im Rahmen der Konferenz ging Bürgermeister Dorin Nistor auf einige Punkte der Strategie der Stadt Mühlbach ein. Geplant sind wichtige Investitionen u. a. die Erweiterung des städtischen Krankenhauses. Ein anderer wichtiger Punkt und eines der Hauptthemen der Konferenz war die Entwicklung der dualen Berufsausbildung hier. Ein wichtiger Punkt in der Strategie der Gemeinde Mühlbach sei der Bau eines neuen technologischen Lyzeums, es gehe dabei um einen „technischen Campus” für 900 Schüler. Der erste Schritt ist schon durch die Machbarkeitsstudie getan worden, die einen Betrag von über 7,7 Millionen Euro ergeben habe, wobei aus externen Fonds 2,6 Millionen Euro kommen sollen. Mängel im Gesundheits- und Bildungswesen seien übrigens laut Werner Braun die zwei wichtigsten in einer Umfrage angegebenen Gründe, die von ausgewanderten Rumänen angegeben wurden, warum sie nicht heimkehren. Mühlbach scheint also mit seinen Projekten ins Schwarze getroffen zu haben.
„Mühlbach möchte nicht ein Ort sein, wohin alle Leute ziehen wollen, wir möchten ein Ort sein, wo der Mensch zur Arbeit kommt, einen Arbeitsplatz hat und da bleiben kann, wo er sein Eigentum hat. So ist der nächste Schritt, den ich den Herrn Bürgermeistern vorschlagen werde, dass wir einen Verein gründen, der uns behilflich sein soll, die duale Bildung zu fördern und den Jugendlichen die Opportunitäten zeigen”, schlug Nistor den Bürgermeistern aus der Umgebung vor, die er ebenfalls eingeladen hatte. „Natürlich sollen Mobilitätssysteme zwischen den Ortschaften geschaffen werden, so dass die Menschen sich einerseits eines Arbeitsplatzes erfreuen können, andererseits ihr Eigentum entwickeln können, da wo sie geboren sind, falls sie dies wünschen”. Weiterhin schlug er vor, dass mit dieser Konferenz die Grundlagen einer Zusammenarbeit gesetzt werden.
Das technologische Lyzeum in Mühlbach gibt es bereits seit 1995, allerdings findet derzeit der Unterricht ín mehreren Gebäuden statt, die weit voneinander entfernt sind. Direktorin Adina Stanciu erinnerte an die zahlreichen Schüler mit allzu geringen Kenntnissen, die an den technologischen Schulen eingeschrieben seien. Sie betonte, dass eine „Neukalibrierung der Berufsbildung” nur in Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern erfolgen könne. Hier gab es bereits 2013 einen Versuch, eine Klasse für duale Berufsausbildung für Schreiner einzurichten, allerdings erfolglos. 2017 konnte dann allerdings eine duale Berufsklasse für den Bereich Textilverarbeitung in Zusammenarbeit mit Ciserom ins Leben gerufen.
Werner Braun stellte die duale Berufsschule Kronstadt vor, die staatlich und die einzige Schule dieser Art in Rumänien ist und die überall als das Erfolgsmodell bekannt ist. 2012 wurde sie ins Leben gerufen und nach anfänglichem Schwächeln, wo kaum die Hälfte der Plätze mit Kandidaten besetzt werden konnten, konkurrieren nun sechs Kandidaten für einen Platz und gegenwärtig besuchen auch schon die ersten ehemaligen Schüler dieser Schule die Universität.
„Ein Umstand, den wir unterschätzt haben, ist das Marketing, das Heranziehen von Schülern”, sagte Braun. „Sie werden auch hier in einer gut entwickelten Gegend viel zu tun haben, denn man muss vor allem die Einstellung der Eltern aber auch der Jugendlichen zu ändern.” Geworben wurde in 21 Landkreisen, im Rahmen eines umfangreichen Marketingprogramms, u. a. innerhalb der Berufskarawane, an zahlreichen Schulen, wobei jedes Mal auch Roboter präsentiert wurden. Ein wichtiger Punkt sei ja schließlich, dass die Schüler nach dem Abschluss auch das Abitur machen und falls sie wünschen dann auch eine Hochschule besuchen können. Die Statistik im deutschen Wirtschaftsclub soll übrigens gezeigt haben, dass 60 Prozent der Vorsitzenden der Unternehmen, diesen Weg gewählt hatten.
„Das Erfolgsrezept ist ein starker Zusammenhalt der Unternehmen durch den Wirtschafts-
club, eine gute Partnerschaft desselben mit dem Bürgermeisteramt, dem Schulinspektorat und ein gute Kommunikation mit dem einschlägigen Ministerium, auch wenn diese mit Höhen und Tiefen erfolgt ist”, sagte Werner Braun. Dieses Modell habe auch einen kleinen Mangel: Es könne nur da implementiert werden, wo das Geschäftsumfeld bereits stark sei.
Gegenwärtig gebe es keine Institution, die diese Ausbildung überwache. Man würde gern eine Institution haben, die das überprüfe. Schließlich dürfte nicht jede Firma Ausbildungen machen. Der gesetzliche Rahmen sei auch noch verbesserungsbedürftig. U. a. seien Praktikumsstunden in ungenügender Zahl vorgesehen und die ersten zwei Ausbildungsjahre seien unflexibel und es könnten keine technischen Fächer eingeführt werden.
Weiter ging es mit der Vorstellung des Konzeptes „Industrie 4.0“. Die Investoren, die heutzutage nach Rumänien kommen, seien vor allem an der qualifizierten Arbeitskraft interessiert. Alles andere sei bei weitem weniger wichtig. „Man steht vor dem großen Problem des unqualifizierten Personals, andererseits gibt es ein großes Interesse seitens der Investoren an qualifizierten Personen und deshalb glaube ich, dass dieses Problem schnellstens gelöst werden muss”, glaubt Werner Braun. Es könne davon profitiert werden. Die Lösung sieht Werner Braun erstens in der beruflichen Ausbildung und zweitens in der Automatisierung im Rahmen der vierten Industrierevolution Industrie 4.0.
Mit der neuen Industrierevolution wird man zwar weniger Personal benötigen, die benötigten Arbeitskräfte müssten aber dann desto besser qualifiziert sein.
Wenn man auf Weltebene konkurrenzfähig bleiben wolle, müsse man dem Trend folgen. Die Industrie habe hier gegenwärtig als Basis die niedrigen Löhne. Es gibt nun aber auch Arbeitskräfte, die das Land verlassen, auf der Suche nach besser bezahlten Arbeitsplätzen. Wenn der Schritt zur Industrie 4.0 getan werde, sei er sich sicher, das Geschäftsumfeld sei nämlich dafür, würden Unternehmen bereit sein, auch die Gehälter zu erhöhen.
Industrie 4.0 würde eine Reihe von Vorteilen mit sich bringen, wie da wären: eine höhere Effizienz und Produktivität, eine bessere Qualität der Produkte, eine breitere Produktdiversität, die Sicherheit in der Produktion aber auch die Interoperabilität zwischen Unternehmen, die das gleiche System benutzen. Die Lebenszyklen der Maschinen und der Ausrüstung würde verlängert durch die automatisierte Wartung, die auf Prävention setzt.
Die erste industrielle Revolution bestand in der Mechanisierung mit Wasser- und Dampfkraft, die zweite industrielle Revolution in der Massenfertigung mit Hilfe von Fließbändern und elektrischer Energie, die dritte industrielle Revolution in dem Einsatz von Elektronik und IT zur Automatisierung der Produktion. Die vierte Revolution ist der Trend bei dem IT und Automatisierung einen großen Teil des Managements, der Organisierung des Produktionsflusses übernehmen und es besteht u. a. in der Vernetzung von Maschinen, Geräten, Sensoren und Menschen über das „Internet der Dinge“, wobei cyberphysische Systeme in der Lage sind, eigenständige dezentrale Entscheidungen zu treffen.
Die Umsetzung eines solchen Systems wird natürlich auch Kosten verursachen und die Hacker könnten damit eine neue Plattform für ihre Angriffe haben. Gesetzliche Unklarheiten bezüglich der Sicherheit der Daten müssten bereinigt werden. Man brauche eine Standardisierung. Da nicht alles standardisiert und gut definiert sei, sei es im Zeitalter der Industrie 4.0 schwierig, zu erkennen, in welche Richtung man das Personal ausbilden sollte. Bei der Umsetzung dieses Konzeptes sei der Verlust von Arbeitsplätzen unvermeidbar, es biete allerdings die Möglichkeit, viel komplexere Produkte zu entwickeln, eine größere Produktvariation. Im Gegenzug würden Arbeitsplätze an anderen Stellen entstehen.
Wenn das Problem der dualen Ausbildung auf lokaler oder regioneller Ebene gelöst sei, könnte man ein Exzellenzzentrum für Industrie 4.0 ins Leben rufen, das zusammen mit dem Geschäftsumfeld Spezialisten ausbildet, die auf verschiedenen Ebenen Führungspositionen bekleiden können. Wichtig sei, dass sich dann alle einbringen, die lokalen Behörden, die Ministerien, die Regierung.
Man müsse darum kämpfen, Industrie 4.0 schnellstmöglich in Rumänien anzuwenden, um die Industrie anzuziehen aber auch Vermögen hier zu halten, meinte Braun. Wenn andere Topunternehmen dies implementieren würden, wäre es ein Nachteil für diese, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die das Konzept nicht implementiert haben, weil es zusätzliche Kosten verursachen würde.
Im Kontext sei es von Vorteil, dass Rumänien über zahlreiche Spezialisten in dieser Branche verfüge, weil das Konzept „Industrie 4.0” auf Digitalisierung, und auf IT basiere. Auch in anderen Ländern sei der Weg lang, bei uns in Rumänien ebenfalls, vielleicht noch länger, die Hauptsache sei, fest daran zu glauben: „Es ist machbar. Ich glaube, dass Städte hier in Rumänien wie auch Mühlbach für die Implementierung der Industrie 4.0 bereit stehen”, meinte Braun.
Eingeladen war auch Birgit Schliewenz, Partnerschaftsbeauftragte des Landes Brandenburg und der Region Mitte. Sie präsentierte bisherige und anstehende Projekte aus dem Bereich duale Ausbildung. So sollen in Zusammenarbeit mit dem Regionalen Berufsausbildungszentrum in Cugir die Grundlagen für die Ausbildungslehrgänge in der Metallverarbeitung gelegt werden. Desgleichen laufe bis 2019 ein Projekt im Rahmen ERASMUS+, in dem es um Erfahrungsaustausch bei Methoden der beruflichen Ausbildung geht.
Werner FINK