Ibsens „Hedda Gabler“ ist die neueste Premiere am Radu Stanca-Nationaltheater
Ausgabe Nr.2568
Die Vorpremiere des Dramas „Hedda Gabler“ von Henrik Ibsen in Hermannstadt, am 21. Februar, vor einem zahlreichen Publikum war eine Tour de Force, eine Glanzleistung der Kinematografie. Die Premiere des Stücks am Donnerstag, 22. Februar, brachte Regisseur Botond Nagy (Assistent: Sanda Anastasov) einen verdienten Applaus.
Henrik Ibsen, der norwegische Dramatiker des neunzehnten Jahrhunderts (1928- 1906), der einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der westlichen Literatur, besonders aber des bürgerlichen realistischen Romans in der Tradition von James Joyce, Thomas Mann u. a. haben sollte, zeichnet in dem Drama „Hedda Gabler“ die Lebensgeschichte einer jungen Frau nach, die ähnlich wie in dem bereits in Hermannstadt von Radu-Alexandru Nica inszenierte Drama, „Nora – oder ein Puppenheim“, ihren inneren Konflikt aus einer frühen Interessengemeinschaft, sprich arrangierten Ehe, dem erwachenden rationalen Denken und widersprüchlichen Gefühlen ableitet. Das Drama spricht den Zuschauer an, seine innere Welt zu durchforsten, fordert heraus, Bezüge in der unmittelbaren Realität des Beziehungswechsels und Verlust- oder Mangelschmerzes zu suchen.
Zwar spielt das Theater auf der einzigen, kleinen Bühne des lokalen Radu-Stanca-Nationaltheaters ein verhältnismäßig kurzes Drama, jedoch vollbringt die Bühnentechnik und -Kunst eine wahre Sensation.
Dass den Zuschauer ein Glanzstück aller Sinne erwarten würde, war der Eindruck, dessen man sich bereits beim Eintritt nicht erwehren konnte: Eine warm dampfende Wolke umhüllte die hell erleuchtete Bühne und versetzte den neugierigen Zuschauer in Erstaunen. Ein blondes, leicht bekleidetes Mädchen im Vorpubertätsalter spielt auf der Bühne Seilspringen und tänzelt aufgeregt hin und her. Ein kurzer Wechsel und ein Winterbild wird gespielt: Das Kind schreibt einen Brief an den Weihnachtsmann, im Hintergrund die strenge und doch aufmerksam sorgende Mutter.
Zwischen Vorderbühne und Hintergrund sollte von Anfang bis Ende des Stücks eine ständige Beziehung, eine Gratwanderung zwischen Heute und Hier einerseits und dem Morgen der sich entwickelnden jungen Frauengestalt andererseits angedeutet werden, ein Wechsel zwischen Distanzen, räumlich dargestellt, der durch das ganze Stück hindurch fortgestaltet wird, und der Personen, Andeutungen und Zwischenwelten von Einflüssen auf die junge Dame dramatisch durchschaubar macht.
Die dramatische Besetzung des Stückes lässt keine Fragen hochkommen. Der Zuschauer wird in die sich zusammenbrauende, stürmische Atmosphäre der dramatischen Handlung voll und ganz hineingenommen. Eine Hochzeitsreise ohne Zwischenfälle in den italienischen Dolomiten ohne jeden Reiz für die junge Dame wird von der Hauptheldin, gespielt von Ofelia Popii, beschrieben und gilt als Auslöser für ihre sich anstauende Wut gegen ihren jungen, leicht zu beglückenden Ehemann, gespielt von Marius Turdeanu. Das Paar wird hin- und hergerissen zwischen inneren sozialen Bedürfnissen und reellen Gegebenheiten.
Die Beziehungen zu den Freunden des Ehemanns werden klar, bündig und zügig dargestellt, kein Wort ist unnötig, kein Ton zu viel. Die ebenfalls von Regisseur Botond Nagy gewählte Musik wagt einen Spagat zwischen meditativ-kontemplativem Canto und heißen, fetzigen Pop-Rhythmen voller Elan und dumpf-dröhnenden Bässen, um die wachsende Anspannung zu ventilieren.
Die Entwicklung der Intrige wird veranschaulicht, markant unterstrichen und pflanzt sich in der steigenden Handlung fort.
Am eindrücklichsten ist die Wahl des Bühnenbilds, unter der Leitung von Irina Moscu und ErössLaszló. Die romantisch-norwegische Natur aus „Peer Gynt“ wird hier zugunsten eines apokalyptisch wirkenden, klaffenden, von horizontal durchzogenen Lichtstreifen, auf Kommando aufgehenden Tors im Hintergrund aufgegeben, während im Vordergrund eine Sitz-Lounge skizziert wird, die auch ausgiebig von den Schauspielern in Gesprächen genutzt wurde. Zimmer und Küche der gemeinsamen Wohnung werden angedeutet und im Spiel mit Leben gefüllt.
Das Leben spielt sich häufig im Inneren ab; optisch vollzieht sich die Ehe auf engem Raum; soziale Ablenkung und Unterstützung fehlen gänzlich.
Die Entwicklung in der Besetzung der Personenkonstellation wurde mit sicherer Federführung und dramatischem Know-how vorangetrieben und interpretiert. Die Schauspielkunst wurde zwar etwas von technisiertem Verhalten überschattet, jedoch spiegelten immer wieder gefühlvolle Symbolhandlungen und einzelne Gesten innere Schlüssigkeit und Tiefgang der Schauspieler. Die Grazie der Heldin entweicht immer mehr zugunsten einer manisch-polarisierten Psyche, welche innerlich unerfüllt und depressiv veranlagt, daran scheitert, ihrem Leben einen Inhalt zu geben.
Anne TÜRK KÖNIG