Auf den Markt mit dir! (Teil I)

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Eine Hermannstädterin zu Besuch auf dem Heiratsmarkt in China

Ausgabe Nr. 2570

Der „Marriage Market“: auf den ersten Blick ein Haufen Leute, die inmitten von unzähligen Regenschirmen geschäftig durcheinander reden.

 

Die ältere Frau, die gerade noch in starkem shanghainesischem Akzent versucht hat, mir die Vorteile einer potentiellen Verbindung mit ihrem Sohn vorzustellen, lacht auf: „Achtzehn erst! So jung!“. Ihr Gesicht strahlt vor Heiterkeit und Vergnügen in der für chinesische ayis (übersetzt „Tanten“, aber umgangssprachlich für alle Frauen im Durchschnittsalter und die bedeutend älter als man selbst sind, verwendet) so typischen Art. „Da ist der Altersunterschied aber vielleicht doch ein bisschen zu groß!“ scherzt sie nun gutmütig, Gelächter folgt, es hat sich inzwischen um uns ein kleiner Kreis Neugieriger gebildet, die die Versuche der ayi, mir ihren Sohn zu verkaufen, interessiert und belustigt mitverfolgt haben.

 

Diese jedoch gibt sich nun keine Mühe mehr, ihr enthusiastischer Eifer hat etwas nachgelassen, sie weiß, dass es von mir nichts mehr zu erwarten gibt. Statt dessen folgt der übliche Small Talk, beginnend mit der Frage „Woher kommst du denn?“, deren Antwort („Rumänien“) unvermeidlich die mir schon wohlbekannte Bemerkung „Dann sind unsere Länder ja gute Freunde!“ zur Folge hat, oder manchmal sogar: „Ach, Rumänien, Chinas kleiner Bruder!“, noch immer gestützt auf das rumänische kommunistische Zeitalter, als wir dem „Großen Riesen mit der Sichel“ besonders nah standen. Ja, besonders die der älteren Generation angehörigen Chinesen scheinen nichts aus der Geschichte ihres Landes loslassen zu wollen und weisen auch im Alltag immer wieder darauf hin. Wieder der so charakteristische chinesische Stolz, der in diesem Fall scheinbar länderübergreifend ist.

Ich lächle und nicke fortwährend, am besten kann man sie befriedigen, wenn man mit dauernd nach oben gezogenen Mundwinkeln den freundlichen, interessierten, aber in allem, was sie sagen, mit ihnen übereinstimmenden Ausländer spielt. Als das öffentliche Interesse an mir und meiner nicht zu übersehenden kaukasischen Natur abebbt, und auch die ayi sich allmählich mit neuen Hoffnungen und einer in den vielen Jahren schon angeeigneten gewissen Mechanik wieder anderen potentiellen Kunden zuwendet, kann ich mit meinem Spaziergang durch den auf dieser Welt wohl einzigartigen Shanghaier „Marriage Market“ fortfahren.

Der seit 2004 existierende Shanghaier „Marriage Market“ ist auf den ersten Blick ein großer Haufen Leute, die inmitten von unzähligen Regenschirmen von verschiedener Farbe und Form geschäftig durcheinander reden (zumindest scheint es einem meistens als Ausländer so), herumfuchteln, entweder zum Spaß hier sind oder, ja, letztendlich versuchen, zwei wildfremde Personen, die beide nicht anwesend sind, miteinander zu verkuppeln. Diese schon längst im ganzen Land wohlbekannte Veranstaltung findet jedes Wochenende im zentral gelegenen People´s Square statt (soweit man in Shanghai davon sprechen kann, dass ein Ort „zentral“ gelegen ist – was für mich zentral ist, kann für jemand anderen das Ende der Welt, beziehungsweise anderthalb Stunden U-Bahn-Fahrt bedeuten). Der Shanghaier „Marriage Market“ bietet eine Einsicht in einen, so scheint es, der größten Konflikte zwischen Tradition und Moderne in Chinas heutiger Gesellschaft. Es geht hier um Hunderte von jungen und auch älteren Männern und Frauen, die noch keinen Ehepartner gefunden haben, und um ihre Eltern, meistens aber um die Mütter, die die Rolle des Vermittlers zwischen dem Kind und dessen potentieller großen Liebe auf sich nehmen. Die betroffenen Söhne und Töchter sind nicht anwesend, meist eben nur die teilweise auch aus anderen Provinzen angereisten ayis (also die Mütter). Viele von ihnen kommen schon seit Jahren jedes Wochenende in der Hoffnung, für das Kind, dass meistens gar kein Kind mehr und manchmal sogar schon um die 50 ist, ein Gegenüber zu finden. Alles, was man über die betroffene Person wissen muss, steht meist auf einem in einer Plastikhülle vor Regen geschützten A4- Blatt. Wichtig ist das Alter, die Größe (die traditionelle Bedingung, dass der Mann sowohl älter als auch größer als die Frau sein muss, wird beibehalten), die Tatsache, dass man einen Schul- und Universitätsabschluss, also eine dezente Bildung, vorweisen kann und das Vorhandensein von Job, Appartement und am besten auch Auto. Faktoren, die vor allem im Falle des Mannes unentbehrlich sind. Er wird hier immer noch als Stütze des Haushalts angesehen und muss imstande sein, auch die Existenz seiner Frau mitzufinanzieren. Manchmal ist auch ein ziemlich verwaschenes Foto auf dem A4-Blatt abgedruckt, oftmals nicht allzu vielversprechend jedoch, da es so aussieht, als wäre es schon über zehn Jahre alt.

Maya KIELHORN

z. Z. in Shanghai/China

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Tourismus.