„Wir standen vor dem Nichts”

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Interview mit Ex-Chefredakteur Georg Scherer

Ausgabe Nr. 2567

Vier Chefredakteure der HZ 1989 an einem Tisch (v. l.): Beatrice Ungar (ab 2005), Horst Weber (1996-2005), Josef Eckenreiter (1974-1978), Georg Scherer (1979-1996), rechts Redakteurin Gerhild Buchfelner.

„50 Jahre alt wird die Hermannstädter Zeitung am 25. Februar und 28,5 Jahre habe ich an ihrem Erscheinen mitgewirkt”, erinnert sich Georg Scherer. 17 Jahre davon, genauer gesagt vom 1. November 1979 bis zum 1. Juli 1996 war er Chefredakteur, dann war er bis zum 1. April 2009 stellvertretender Chefredakteur. Ihm ist es vor allem zu verdanken, dass die Zeitung die Wende überstanden hat. In seinem Wohnzimmer in Hermannstadt, wo im Dezember 1989 die erste freie Hermannstädter Zeitung zusammengestellt wurde, während draußen noch Schüsse fielen, sprach er am Montag, den 19. Februar d. J., mit HZ-Redakteurin Ruxandra S t ă n e s c u.

 

Wie war es im Kommunismus, bei einer Zeitung zu arbeiten?

Finanziell gesehen war es gar nicht schwierig, denn die Zeitung wurde vom Kreisparteikommittee bezahlt und wir waren eigentlich nur für die Gestaltung und Herausgabe der Zeitung zuständig. Wir waren täglich bemüht, unseren Lesern die Zeitung mit vielen Berichten, Nachrichten und Informationen zu liefern. Allerdings mussten wir sehr vorsichtig sein, denn einerseits wollten wir unsere Leser zufrieden stellen, andererseits mussten wir aber auch unseren Herausgeber zufrieden stellen. Ich kann aber auch sagen, dass wir in dieser Hinsicht wenig Probleme hatten.

Wie habt ihr das geschafft?

Wir haben uns einerseits entsprechende Themen gewählt, andererseits haben wir unsere Probleme so umschrieben, dass der Leser verstand, aber nichts offensichtlich war. Hie und da hat man aber auch Ärger gehabt. Den größten Ärger hatten wir, als man uns verboten hatte, über die Umgestaltung des Großen Rings zu schreiben. Ich war damals in Bukarest, die Seite war vorbereitet, ist aber aufgehalten worden. Meine Kollegen haben sich trotzdem entschlossen, die Seite zu veröffentlichen. Als ich zurück kam, gab es Ärger.

War es schlimm? Was passierte?

Es gab Kritik…

Riskierte man eine Freiheitsstrafe?

Nein, das war bei uns nicht der Fall. Man hat uns nie damit gedroht.

Es gab aber auch schöne Zeiten?

Ja sicher, eine der schönsten Erinnerungen ist unser Theaterstück. Die Redaktionsmitglieder haben nämlich ein Theaterstück eingeübt, und wir sind zusammen mit der Blasia samstags in einige Ortschaften gefahren und haben das Stück aufgeführt.

Dann kam Ende 1989 die Wende.

Wir haben uns sehr gefreut, dass wir die ständige Kontrolle los geworden waren und dass wir ganz anders berichten konnten, doch unsere Freude dauerte nicht lange, denn es kamen andere Probleme und Sorgen auf uns zu. Wie ich am Anfang sagte, hatten wir immer Geld gehabt, jetzt standen wir plötzlich vor dem Nichts, wir hatten keinen einzigen Leu mehr, aber die Zeitung musste erscheinen. Da sind uns einige gut gesinnte Leute sehr entgegen gekommen, der Direktor von der staatlichen Druckerei hat zum Beispiel die HZ zwei Monate kostenfrei gedruckt. Eine große Hilfe kam von den Kollegen von der rumänischen Zeitung Tribuna, mit der wir schon vor 1989 eine gemeinsame Verwaltung hatten. Sie haben beschlossen, uns ein Jahr lang alle Kosten zu begleichen, so dass wir erscheinen konnten und dafür waren wir ihnen sehr dankbar. Auch früher hatten wir mit unseren Kollegen von der rumänischen Presse – eigentlich von Tribuna, denn das war die einzige lokale rumänische Zeitung – eine gute Beziehung. Geholfen haben uns auch die Deutsche und die Österreichische Botschaft und es kamen auch weitere Spenden.

Damals gab es allerdings nicht nur finanzielle Probleme…

Tatsächlich, denn da begann die große Auswanderungswelle der Deutschen aus Rumänien. Die Auflage, die fast bei 10.000 lag, sank sehr stark und das haben wir sehr schwer verkraftet. Schwierig war – sowohl persönlich, als auch professionell -, dass viele unserer Kollegen auch ausgewandert sind. In guten Zeiten waren 18 Leute in der Redaktion, geblieben waren wir dann ein kleines Häuflein…

Mitte der 90er Jahre ging es dann wieder besser…         

Ja, da kam alles wieder ins Rollen. Vom rumänischen Staat haben wir dann durch das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien eine Subvention erhalten – nicht nur wir, natürlich, alle deutschen Zeitungen -, wir haben Computer geschenkt bekommen, dann wurde die Honterus-Druckerei gegründet. Ab dem 3. Februar 1995 wurde die Hermannstädter Zeitung auch dort gedruckt und dank der viel besseren Druckqualität erhielt sie ein neues Gesicht.

Würdest du jetzt etwas anders machen?

Eigentlich nicht. Als ich zur Zeitung gekommen bin, war ich ein wenig unsicher, aber ich habe mich schnell eingearbeitet und es hat mir Freude gemacht. Ich würde auch heute noch bei der Zeitung arbeiten, wenn ich das entsprechende Alter hätte und die notwendige Kraft dazu.

Ich wünsche der Hermannstädter Zeitung, sie möge noch lange erscheinen und den jetzigen Kollegen viel, viel Kraft, damit sie es schaffen, jede Woche eine neue Zeitung herauszubringen.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Persönlichkeiten.