Von Stadtpfarrer Zorán KÉZDI (Heltau)
Ausgabe Nr. 2559
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht und ohne es ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen. (…) Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben. (…) Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Liebe Leserinnen und Leser,
Dieser wunderschöne Hymnus aus dem 1. Kapitel des Johannesevangeliums, die johanneische Weihnachtsgeschichte, ist wohl einer der schwierigsten Texte im Neuen Testament. Ganz anders als Lukas, der so anschaulich von Maria und Joseph erzählt, von den Hirten auf dem Feld, vom Kind in der Krippe, kommt der Evangelist Johannes abstrakt daher, philosophisch aufgeladen, sprachlich schwierig, durch und durch intellektuell und rätselhaft.
Wenn wir diese Worte lesen, dann hören wir förmlich wie die Menschen damals singen und jubeln: „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. … Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er die Vollmacht, Kinder Gottes zu werden … Ja, das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen! – Die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“
Wir fragen uns unwillkürlich: Was macht diese Menschen so glücklich, so froh, so hochgestimmt, dass es auch uns ansteckt und mitreißt? Sie haben die Herrlichkeit Gottes gesehen! Sein Licht, seinen Glanz, seine Schönheit! Da wurde ihnen mit einem Male alles ganz klar, alles hell! Alles kommt von Gott! Durch sein Wort hat er die Schöpfung erschaffen. Er selbst ist das Leben, das er aller Kreatur einhaucht. Er ist das Licht, in dem wir wachsen und gedeihen, das Licht, das unseren Geist erleuchtet. Dieses Licht umfasst alles Leben vom Anfang bis zum Ende der Welt.
Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Ohne es ist nichts gemacht, was gemacht ist. Johannes lässt sein Weihnachtsevangelium vor aller Schöpfung einsetzen. Es ist das Schöpferwort, durch das Gott aus dem Nichts die Welt erschafft, als er sprach: Es werde Licht – und es ward Licht. Johannes erkennt durch den Geist Gottes, dass dieses schöpferische Wort Gottes Jesus Christus ist, man könnte sagen, die nach außen wirkende Seite Gottes. In ihm hören wir Gottes Stimme, spüren wir den lebendigen Atem Gottes. Das bedeutet für uns: Wenn wir Gottes Wort hören, dann wirkt es in uns, dann hat es Kraft! In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Das Wort ward Fleisch und wohnte, es zeltete unter uns. Damit erinnert Johannes an einen anderen wandernden Wohnsitz Gottes, an die Stiftshütte, das heilige Zelt, welches das Volk Israel auf der Wanderung durch die Wüste mit sich führte, in dem die Bundeslade war, in dem sich Gott offenbarte. Mitten im Staub der Wüste, mitten in unserer dürren Zeit, mitten in unserer rastlosen Wanderung gibt es einen Ort, da berühren sich Himmel und Erde, da können wir Gott begegnen. Wenn wir innehalten in unserem Wandern von einem Jahr zum andern und uns Zeit nehmen für Gebet, Bibellesen, Gottesdienst, Gemeinde, dann gilt auch für uns: Das Wort ward Fleisch und wohnte/zeltete unter uns.
Das Licht scheint in der Finsternis. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben. Ein Glanz von dem Licht verändert die Welt. Und es verändert nicht nur die Finsternis, indem es sie heller macht, sondern es verändert vor allem uns, indem er aus uns ganz normalen, manchmal so betrübten und verzagten Menschenkindern, Kinder Gottes macht, Söhne und Töchter des Lichts, die darauf vertrauen, dass sie einen Vater im Himmel haben, dem sie angehören und der ihnen entgegenkommt. Inmitten unserer Stärken sowie der Begrenztheit unserer Kräfte, inmitten unseres Gelingens und unseres Scheiterns, inmitten unseres ganz normalen Alltags leuchtet etwas auf. Da sind Momente des Lebens, in denen wir spüren, dass nichts uns trennen kann von der Liebe Gottes. Da sind Momente des Lebens, in denen wir uns getragen wissen zu manchen uns kaum erreichbar scheinenden Zielen, wir uns herantrauen an zunächst unmöglich machbare Aufgaben, wir uns beschenkt wissen mit etwas, das wir uns nicht erarbeitet haben, in denen wir Glück spüren, von dem wir gar nichts ahnten. Momente des wahren, wirklichen Lebens.
Die Kinder des Lichts haben einen Geschmack für das Unendliche in sich, der sie frei und unabhängig macht. Die Kinder des Lichts haben einen Funken wirklichen Lebens in sich, der sie in Gang bringt und in Bewegung hält. Die Kinder Gottes wissen um Gottes Gnade und Wahrheit und deshalb sehen sie unsere so schöne und in vielem so arme Welt liebevoll an. Die Kinder des Lichts haben ein Gespür für das große und das kleine Glück, für das sie dankbar sind und sie fröhlich macht.
Den Kindern Gottes erkennen mit ihrem Herzen: Gottes Herrlichkeit, sein Glanz, seine Schönheit, sein Wesen, ist weder Macht, auch nicht Reichtum oder Prachtentfaltung, noch göttliche Souveränität, sondern sein Erbarmen, mit dem er sich unserer Not annimmt. Sein Licht ist seine Güte, mit der er uns erfüllt. Gottes Schönheit wird sichtbar in seiner Liebe, mit der er uns in seinem Sohn Jesus Christus aufsucht, nachgeht, erlöst aus unserer Nacht. Gottes Herrlichkeit ist Leben, neues Leben, unser Leben aus und in seiner Liebe.
Das Wort ward Fleisch! Gott wurde Mensch in Jesus von Nazareth. So schenkt er unserer Welt und unserem Leben einen hellen Schein und ein frohes Herz, das singt: Ja, wir sahen seine Herrlichkeit, voll Gnade und Wahrheit!
Stadtpfarrer Zorán KÉZDI