„Wir sind eine Familie“

Teile diesen Artikel

13. Auflage der Heimattage der Banater Deutschen in Temeswar
Ausgabe Nr. 2533

 

1-banater

„Ob in Rumänien oder in Deutschland, ob in den USA, Kanada oder Südamerika, tief im Herzen gibt es bei unseren Landsleuten eine Sehnsucht nach der einen und einzigen Heimat, dem Banat”, hieß es in dem Grußwort von Johann Fernbach, Vorsitzender des Regionalforums Banat. Vergangenes Wochenende hatten sich in Temeswar die Banater Schwaben von nah und fern zusammengefunden, um die 13. Heimattage zu feiern. Auch dieses Jahr gab es interessante Programmpunkte wie die Ausstellung „Banater Orgeln und Orgelbauer“, die Vorstellung des Buches „Streifzüge“ von Siegfried Thiel als literarischer Moment des Funkforums oder den Auftritt von etwa 18 Kulturgruppen. Außerdem wurde der Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und Nationale Minderheiten Hartmut Koschyk mit der Ehrennadel in Gold gewürdigt und die Schauspielerin des Deutschen Staatstheaters in Temeswar Isa Berger wurde mit dem Stefan Jäger-Preis ausgezeichnet.

 

„Auch wenn die meisten von uns ein neues Zuhause irgendwo auf der Welt gefunden haben, so bleibt die wahre Heimat stets das Banat”, sagte Johann Fernbach in seinem Grußwort. „Entscheidend ist aber, dass wir eine Familie sind.”

Hartmut Koschyk sprach in seinem Grußwort vom Dreiklang Heimat, Banat, rumänischer Staat und gemeinsames Europa aber auch vom Dreiklang Heimat, Identität und Glaube, der für die Banater Schwaben von Bedeutung sei: „Ohne Verankerung in seiner Heimat, ohne gesicherte Identität, ohne Verwurzelung im Glauben halte der Mensch die Globalisierung nicht aus“, sagte Koschyk. Die Vielfalt der Ethnien und Religionen mache das Banat zu einem „kleinen Stück Europa“.

In seinem Festvortrag „Banat-prägende Literatur im 20. Jahrhundert“ sprach Erwin-Josef Țigla, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen, von vier Banater schwäbischen Schriftstellern: Otto Alscher, Alexander Tietz, Peter Jung, Adam Müller-Gutenbrunn. Otto Alschers berühmtesten Werke seien die Jagd- und Tiergeschichten gewesen, Alexander Tietz sei einer der anerkanntesten Erzieher deutscher Muttersprache des 20. Jahrhunderts in Reschitza, der seinen Schülern die Liebe zur Heimat, Kultur, Tourismus und Umweltschutz beibrachte. Peter Jung sei der Heimatdichter der Banater Schwaben schlechthin. Jung habe etwa 12.500 Gedichte geschrieben. Nicht zuletzt schrieb er das Gedicht „Mein Heimatland, Banater Land”, das durch Wilhelm Ferch und Josef Linster vertont wurde und nun als die Hymne der im Banat lebenden Deutschen gilt. Adam Müller-Guttenbrunn habe insgesamt 82 Romane und Theaterstücke geschrieben. Erschienen seien aus seiner Feder über 3.000 Feuilletons, kulturpolitische und literaturkritische Aufsätze. Adam Müller-Guttenbrunns Rolle bei der Findung der eigenen Ethnie unserer Volksgruppe sei hier besonders zu betonen.

3-Banater-Schwabin-aus-Argentinien-mit-den-Lebers-1

Insgesamt 204 Namen der deutschsprachigen oder/und -schreibenden Personen seien in dem den ersten Band der Banater Enzyklopädie „Enciclopedia Banatului“, die im vergangenen Jahr im Januar von der Zweigstelle Temeswar der Rumänischen Akademie, das Institut für Banater Studien „Titu Maiorescu“ vorgestellt wurde, vermerkt.

Mit der höchsten Auszeichnung der Banater Deutschen, der Ehrennadel in Gold des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat, wurde Hartmut Koschyk, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten ausgezeichnet für „seine besonderen Verdienste im Interesse der deutschen Gemeinschaft im Banat und vor allem für seine Bemühungen zum Erhalt deutscher Kultur und Sprache in diesem Landstrich” ausgezeichnet.

„Ein einzigartiges Schulwesen in Rumänien erhalten“, habe Hartmut Koschyk, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, von Anfang an eine seiner Hauptaufgaben in Bezug auf Rumänien verstanden. Deshalb fand es Koschyk als notwendig, dafür zu sorgen, dass „der Lehrerberuf an Attraktivität gewinnt“, erinnerte Johann Fernbach in der Laudatio. Im Herbst dieses Jahres werde sich Kotschyk aus dem politischen Leben zurückziehen. Somit verliere man einen „einsatzbereiten Partner und Fürsprecher”.

Im Rahmen der Heimattage wurden am Freitag 250 Jahre seit der deutschen Besiedlung von Lenauheim gefeiert. Weiterhin wurde im Adam Müller-Gutenbrunn-Haus in Temeswar die Ausstellung „Banater Orgeln und Orgelbauer“ eröffnet, die von dem Musikhistoriker des Banats und Organisten Franz Metz konzipiert worden ist. Ihm verdanke man eine Reihe von Monografien von Banater Musikern aber auch die Entdeckung des Archives des Philharmonischen Vereins, den Druck der Partituren vieler Banater Musiker, sowie auch die Interpretation dieser Partituren. Johann Fernbach stellte die Frage, ob die Zeit nicht reif wäre, um ein Institut zur Erforschung dieses Erbes zu gründen. Es gebe auch immer mehr Doktoranden, die in diesem Bereich ihre Doktorarbeit schreiben. Dabei war auch Bischof Martin Roos, der betonte: „Die Orgel ist die Königin der Musikinstrumente. Man weiß meist, wer das Geld für die Orgeln gespendet hat, sehr wenig aber über den Orgelbauer. Diese Ausstellung ist ein guter Anfang für das Institut für Kirchenmusik, das wir in Temeswar mit der Zeit auch gründen werden“.

3-franz-metz

Diese Ausstellung sei „die Krönung einer 40-jährigen Forschungstätigkeit“, sagte Metz. 1975 habe er mit seinem Vater angefangen, einige historische Orgeln in der Gegend von Lugosch zu besichtigen und zu fotografieren, angeleitet von Albert Schweitzer, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts begonnen habe, sich mit alten Orgeln zu beschäftigen. Die Ausstellung sei ein Resumee eines umfangreichen Buches über alle Banater Orgeln des historischen Banats, das vermutlich Ende dieses Jahres fertig gestellt und in Zusammenarbeit mit Walter Kindl Anfang nächsten Jahres erscheinen wird.

„Die Ausstellung beginnt chronologisch nach 1716 und ist auf insgesamt 28 Plakaten dargestellt. „Für mich war es wichtig die Bedeutung des Banater Orgelbaus näher darzustellen nicht nur aus eigenem Interesse als Banater Schwabe, sondern um zum ersten Mal zu zeigen, dass Orgeln von Temeswarer und Arader Firmen heute in ganz Rumänien erklingen, von Bukarest, Galatz bis Sathmar, sie erklingen in der Slowakei, in etwa 30 Kirchen, sie erklingen in Ungarn in etwa 120 Kirchen, sie erklingen in Bosnien, in Serbien, in Russe in Bulgarien, in Odessa und Czernowitz in der Ukraine. Wenn ich unsere Kultur-, Musikgeschichte vergleiche mit jenen der Siebenbürger Sachsen, die Sachsen haben viel größere Orgeln, mehrere Orgeln, usw., konfesionell bedingt, aber die siebenbürgischen Orgelbauer waren meist regional tätig in Siebenbürgen. Die Banater sind weiter gereist.“ Die Orgelbaugeschichte des Banats decke sich mit der Geschichte der Banater Schwaben.

Dann folgte ein literarischer Moment des Funkforums, dem Zusammenschluss von Redaktionen deutschsprachiger Medien aus Mittel- und Südosteuropa, und zwar die Vorstellung des Buches „Streifzüge“ von Siegfried Thiel, in dem der langjährige Journalist eine Auswahl von Reportagen veröffentlicht. Siegfried Thiel ist zur Zeit Vorsitzender des Funkforums und Redaktionsleiter der Banater Zeitung. Im Anschluss stellte ifa-Kulturmanager Florian Kerzel die Jugendprojekte des Funkforums vor.

Im Rahmen der Banater Heimattage wurde das alljährliche Treffen der Mitglieder des Funkforums abgehalten. Ein Ziel ist, die Homepage des Funkforums (www.funkforum.net), weiterhin niveauvoll zu gestalten. Geplant sind etwa fünf Schreibwerkstätten für Schüler. Als neues Mitglied im Funkforum wurde Gabi Rist, Mitarbeiterin der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien und der Schwabenpost in Sathmar, aufgenommen.

Dabei war auch der gebürtige Temeswarer Karl-Wilhelm Agátsy, der seit den 70er Jahren in Deutschland lebt und gegenwärtig an der Städischen Sing- und Musikschule München lehrt. Zwischen dieser und der Ion Vidu-Kunstschule gebe es eine Partnerschaftsbeziehung seit etwa drei Jahren. Mit den Schülern sei man nun das fünfte Mal da. Das Sinfonische Blasorchester der Münchner Schule gestaltete nämlich die feierliche Eröffnung mit.

Durch den Deutschsprachigen Wirtschaftsclub Banat wurde eine Ständezeile „Made in Banat“ eröffnet, wo die Passanten die deutschen Firmen, die im Banat produzieren, kennenlernen konnten. Vertreten war aber auch die West-Universität Temeswar oder das Deutsche Kulturzentrum. Für die musikalische Untermalung sorgte die Timișoara Big Band geleitet von Franz Hoffner.

Die am weitesten angereiste Teilnehmerin an den Heimattagen der Banater Deutschen in Temeswar schien Ingeborg Orso Block gewesen zu sein. Angereist war sie nämlich aus Argentinien und schien recht froh darüber zu sein, wieder in der „Heimat“ sein zu können. Sie ist 1936 in Gilad bei Detta geboren. Sie war erst 8 Jahre alt, als sie 1944 mit den Eltern floh. „Das einzige, was ich habe, ist, Schwäbin zu sein“ sagte Ingeborg, geboren Orso. Auf die Frage die ihr einmal gestellt wurde, wo sie am liebsten wohnen würde, habe sie geantwortet: „im Banat vor 1944″, weil da noch „alles schön war, man hat Heimat gehabt“. Gern würde sie sich noch die Kirchenburgen in Siebenbürgen anschauen.

Besonders beeindruckend war das schöne Kulturprogramm am Samstag wobei Tänze auch von den Schwäbischen Tanzgruppen aus Würzburg und Nürnberg aufgeführt wurden. Recht muntere Stimmung herrschte auch Samstagabend auf dem Ball mit der Banat-Schwäbischen Musikkapelle aus Augsburg. Der Trachtenumzug am Sonntag durch die Stadt startete nach der Messe auf dem wunderschönen Domplatz und dann ging es Richtung Opernplatz. Hier erklangen die bei den Banater Schwaben gut bekannten „Veillchenblaue Augen“ oder „Kathiländler“ und alle Trachtengruppen führten Tänze gemeinsam vor.

Werner FINK

 

 

Foto 1: Die Heimattage der Banater Schwaben fanden am vergangenen Wochenende in Temeswar statt. Unser Bild: An dem Umzug auf dem Opernplatz nahmen an der Spitze Johann Fernbach und Ramona Lambling, gefolgt von Hartmut Kotschyk und Ovidiu Ganț, Peter Leber und Gattin, teil.

 

Foto 2: Die am weitesten angereiste Teilnehmerin, Ingeborg Orso Block aus Argentinien (Bildmitte), mit Peter-Dietmar Leber, Vorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Deutschland und dessen Gattin.

 

Foto 3: Franz Metz (am Mikrophon) bei der Eröffnung der Ausstellung Banater Orgeln und Orgelbauer“.

Fotos: der Verfasser

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.