Streiflichter vom 24. Internationalen Hermannstädter Theaterfestival
Ausgabe Nr. 2534
„Das war das schönste Feuerwerk meines Lebens“, schwärmte ein junge Erfurterin am Montag bei ihrem Besuch in der Redaktion der Hermannstädter Zeitung. Sie meinte das 15-minütige Feuerwerk, das Sonntag kurz vor Mitternacht zum Abschluss des 24. Internationalen Hermannstädter Theaterfestivals auf dem Parkplatz neben dem Radu Stanca-Nationaltheater gezündet worden war und für Begeisterung gesorgt hatte. Vom 9. bis 18. Juni hatten rund 500 Vernastaltungen aus 72 Ländern aus aller Welt Hermannstädter und Gäste in Atem gehalten. Festivalsdirektor verkündete zum Abschluss ganz im Sinne des Spruches „Nach der Wahl ist vor der Wahl“: „2018 feiern wir das 25. Theaterfestival, vom 8. bis zum 17. Juni“.
Das bedeutet also nicht nur für die Hermannstädter: Nichts wie endlich ein Sparschweinchen aufstellen für das nächste Theaterfestival!
Zunächst aber lassen wir noch einige Veranstaltungen Revue passieren.
Ein Ehepaar träumt davon, in das Universum von Shakespeares „Macbeth“ einzutreten und versetzt sich in eine verdrängte Vergangenheit des alten Chinas. Sie finden sich in den Rollen von Macbeth (Ng Wai Shek) und Lady Macbeth (Lai Yuk Ching) wieder. Wie in Shakespeares Tragödie wird der Wandel der Hauptfigur zum Tyrannen und deren Fall vorgeführt. Beim Wiedererwachen stellen beide fest, dass sie die böse Seite des Menschseins erlebt haben und denken darüber nach, wo wohl ihr Platz in der turbulenten modernen Welt ist.
Diese Version von Macbeth wurde vom Tang Shu-wing Studio aus Hongkong auf Kantonesisch am Freitag in der Sporthalle des Goga-Lyzeums vorgeführt. Die Leistung der Schauspieler, die begleitete Musik und die stark reduzierten Requisiten, dämpften die Erzählgeschwindigkeit. Die britische Financial Times lobte bereits 2015 das Stück von Regisseur Tang Shu-wing und glaubt, die Produktion habe eine „verzaubernd hypnotische Grazie“.
Der Regisseur selbst hat Theater und Schauspiel in Paris studiert, wobei das Drama „Woyzeck” von Georg Büchner auschlaggebend für seine Berufswahl gewesen ist. Tang Shu-wing gilt unter den Theaterkritikern als „Alchemist des minimalistischen Theaters“.
Am Abend lassen gute Musik und ein unglaubliches Spektakel die Heltauergasse regelrecht erstrahlen. Da sind wieder die an den zehn Festivalstagen immer wieder auftauchenden „Rattenfänger“ unterwegs. Um 21 Uhr spielte die „Youth Grandioso Marching Band“ aus Polen, die mit ihrer Tuba- und Trommelmusik alle Menschen auf der Straße zum Tanzen brachte. Die Mitglieder sind zwischen 15 und 25 Jahre alt und wurden von Darius Krajewski und von Renata Maciejewska geleitet. 2016 gewann die Band den ersten Preis beim Europäischen Parade-Band-Wettbewerb.
Gleich im Anschluss kamen die Akrobaten und Musiker von „Deambuloscopy“ aus Frankreich. Mit ihren fantastischen Maschinen verzauberten sie das Publikum. Die rumänische Fassung des Showtitels lautete denn auch „Diese wunderbaren Menschen und ihre traumhaften Maschinen“. Beeinflußt von Leonardo da Vinci, bauten sie mehr als zwanzig Maschinen, mit denen sie durch die Heltauergasse bis zum Großen Ring paradierten. Währenddessen spielte eine Handvoll Künstler Balkanmusik und tanzte mit den Leuten.
Am Ende des Abends gaben „Cactus Honey“ aus Kanada ein Konzert auf dem Großen Ring. Die Musik spiegelt das Leben der mexikanischen Sängerin, Mamselle Ruiz, wider. Sie lebt in Québec/Kanada, aber hat noch eine große Bindung zu ihrer Heimat. Dieser kulturelle Nord-Süd-Mix zeigte sich, da die Jazz-Musik von lateinamerikanischen Rhythmen beeinflusst ist. Gesungen wurde in spanischer und französischer Sprache und die Lichteffekte begleiteten die heißblütige Sängerin bei ihren Tänzen. Und das Publikum tanzte mit und zollte jede Menge Beifall.
Stehapplaus gab es auch am Samstag im Radu Stanca-Nationaltheater bei der auch von den hohen Gästen, allen voran Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis und Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel, besuchten Vorstellung des Stückes „Die Präsidentinnen“ von Werner Schwab. Die Inszenierung am Luxemburger Theater aus Esch zeichnete Charles Muller, die drei Schauspielerinnen entführten das Publikum souverän in die Welt der Putzfrauen, die eigentlich für alle Menschen steht, die nicht gerade vom Schicksal verwöhnt werden aber die Träume und Wünsche haben und eine Würde. Erzählen kann man das Stück nicht, es lebt von den Dialogen und Monologen, die von den unübertrefflichen Schauspielerinnen richtig gelebt werden.
Eine besondere Konzert-Reihe stellte im Rahmen des Theaterfestivals erstmals die Kirchenburgen der Siebenbürger Sachsen ins Rampenlicht. Es handelte sich um Orgelkonzerte, wobei in dem Programmkatalog auch alle Kirchenburgen einzeln vorgestellt wurden.
Die Konzerte waren alle gut besucht: In der evangelischen Kirche in Heltau konzertierte Amalia Goje, in der Hammersdorfer Jürg Leutert, in der evangelischen Dorfkirche in Michelsberg Noémi Miklós, in der evangelischen Kirche in Rothberg Erich Türk und in Stolzenburg Ursula Philippi, in Deutsch-Kreuz die Capella Coronensis und der Kronstädter Bachchor unter der Leitung von Steffen Schlandt. Hier in Deutsch-Kreuz gab es für alle, die sich dem Regen zum Trotz hin aufgemacht hatten, einen Brunch mit traditionellen Produkten aus dem Haferland, wie dieser siebenbürgische Landstrich genannt wird.
Pierluigi GAETA
Foto 1: Die Akrobaten und Musiker von „Deambuloscopy“ aus Frankreich begeisterten mit ihren fantasievollen „Maschinen“ am Freitagabend das Publikum auf dem Großen Ring.
Foto 2: Szenenfoto aus „Die Präsidentinnen“ von Werner Schwab in der Regie von Charles Muller mit Grete (Ilona Schulz), Erna (Christiane Rausch) und Mariedl (Krista Birkner).
Fotos: Sebastian MARCOVICI