„Ein bewegliches Heer von Metaphern“

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Streiflichter vom 24. Internationalen Hermannstädter Theaterfestival
Ausgabe Nr. 2534

 

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Das Internationale Theaterfestival in Hermannstadt ist der Schauplatz für die unterschiedlichsten Formen menschlicher Kreativität. Und diese äußert sich nicht nur in Inszenierungen. Mit dem israelischen Tanzensemble der Kibbutz Dance Academy und der Schweizer Band Kadebostany hatte es dieses Jahr zwei besondere Künstlergruppierungen zu Gast. Ihre modernen Performances waren voll authentischer Emotionen, die nur weniger Worte bedurften.

 

„Wahrheit ist ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen kurz eine Summe von menschlichen Relationen (…)“, schrieb der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche in seinem Essay über „Lügen und Wahrheiten im außermoralischen Sinne“. Für ihn ist Wahrheit, da wir Menschen sie ganz unweigerlich an Sprache koppeln, nichts anderes als eine Illusion. Dass sich Wahrheit linguistisch ausdrücken ließe, daran glaubte er nicht. Doch der Mensch möchte sich ausdrücken, seine Emotionen mitteilen und das, wenn es geht, so authentisch wie möglich. Für die Performance „Horses in the Sky“ (Himmelspferde, Choreographie: Rami Be’er) am vergangenen Donnerstag in Hermannstadt verzichtete das Ensemble der Kibbutz Contemporary Dance Academy aus Israel fast gänzlich auf den Einsatz von sprachlichen Mitteln. Im Zentrum ihrer modernen Inszenierung stand eine ganz andere Ausdrucksform: der Tanz. Kryptische, fast roboterhafte Bewegungen zu elektronischen und Indie-Beats vereinten die rund fünfzehn Artisten auf der Bühne oder aber rissen sie ohne Vorwarnung entzwei.

Trotz der befremdlichen Körpersprache und klaren Einzelstellung eines jeden Charakters, bildeten die israelischen Künstler ein starkes Kollektiv. Eine stringente Handlung stand bei ihrer Interpretation nicht im Vordergrund, viel eher die innere Zerrissenheit des Individuums.

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„And these are violent times, and violence brings more violence and liars bring more lies…” (und dies sind Zeiten voller Gewalt und Gewalt bringt mehr Gewalt und Lügner bringen mehr Lügen..), schallt es durch den Raum. Es ist komplett dunkel, nur ein Mann steht mit Mikrofon im roten Scheinwerferlicht. Er rezitiert einen Songtext der US-amerikanischen Postrock-Band Silver Mt. Zion. Das Lied heißt wie die Aufführung „Horses in the Sky“ und war das einzig beständig wiederkehrende Element der Performance, in der neben Tanz auch Sprache ihren Gebrauch fand. Über alles andere verstehen sich Publikum und Künstler auch nonverbal, der Wahrheitsaspekt geht völlig unter in den Bewegungen, und das ist nicht einmal unangenehm, weil man sich gern von diesem Subjektivismus mitreißen lässt.

Der Schweizer DJ Guillaume Jérémie, Gründer und „Präsident“ der fiktiven europäischen Republik Kadebostan, hat mit einem eigens ausgedachten Stück Land seine ganz eigene Wahrheit geschaffen und somit Nietzsches Theorie eine völlig andere Ebene gegeben. Die Illusionen, die durch seine Musik geschaffen werden sind für ihn die Möglichkeit, eine Persönlichkeitsseite auszuleben, die im Alltag vielleicht weniger häufig durchscheint. Die Mitglieder seiner Band Kadebostany tragen Uniformen, sind adrett gekleidet, mit leichtem Hang zur Überästhetik. Das ist jedoch alles Teil der Inszenierung dieses Pop-Paralleluniversums. Jeder ist dort herzlich willkommen, die möglicherweise einzige Bedingung: man muss ihn, den Band-Gründer, als Präsidenten der Republik anerkennen, denn er hat Kadebostan vor gut neun Jahren gegründet. Auf dem Internationalen Theaterfestival in Hermannstadt bereitete Jérémie, mit ebenfalls vier weiteren Mitgliedern seiner Band, den musikalisch krönenden Abschluss des Festes am Sonntagabend auf der Bühne am Großen Ring. Vor dem Auftritt war gewährte er der Hermannstädter Zeitung ein Interview u. a. zu seiner neuen EP „Monumental. Chapter I“ und der großen Verantwortung, die populäre Künstler ihrem Publikum gegenüber haben. Das Interview wird in unserer nächsten Ausgabe zu lesen sein.

Nina DELEITER

 

 

Szenenfoto aus Horses in the Sky“ mit den Tänzerinnen und Tänzern des Ensembles Kibbutz Contemporary Dance Academy.

Foto: Maria ȘTEFĂNESCU

 

Teil der „Israelischen Saison“ im Rahmen des 24. Internationalen Hermannstädter Theaterfestivals waren Tanztheater-Darbietungen mehrerer Ensembles aus Israel. Das Jugendensemble der Batsheva Dance Company führte „Naharin’s Virus“ auf (nach Peter Handkes Theaterstück „Publikumsbeschimpfung“; Choreographie: Ohad Naharin), die Kibbutz Contemporary Dance Company „Horses in the Sky“ (siehe Beitrag auf dieser Seite), die Vertigo Dance Company zeigte zwei Vorstellungen in der regie von Noa Wertheim („Vertigo 20″ bzw. „Yama“). Unser Bild: Der israelische Choreograph Ohad Naharin gehörte zu den sechs Persönlichkeiten, die mit einem Stern auf dem „Walk auf Fame“, der Ruhmesmeile des Theaterfestivals auf der Oberen Promenade ausgezeichnet worden ist. Naharin wurde als Verfechter einer neuen Richtung im Tanztheater geehrt, aber auch als treuer Freund des Hermannstädter Theaterfestivals.

Foto: Dragos DUMITRU

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Theater.