Schwarze Zither trifft Stundenglastrommel

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Streiflichter vom 47. Hermannstädter Internationalen Jazzfestival
Ausgabe Nr. 2531

 

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Die 47. Auflage des Hermannstädter Internationalen Jazzfestivals – Sibiu Jazz Festival – fand vom 18. bis 21. Mai statt. Gäste des Festivals waren in diesem Jahr Karnas Formula (Polen), Jeff Herr Corporation (Luxemburg), Yilian Cañizares (Kuba), Mauro Sigura Quartet (Italien), Natalia M. King Quintet (USA, Fr), Black String (Korea), Mozayek Band (Syrien). Der Studentenwettbewerb findet in diesem Jahr vom 27. bis 29. Oktober statt. Die vier Abende des Jazzfestivals, bei denen allgemein freier Eintritt herrschte, waren gut besucht, das Zelt auf dem Kleinen Ring war nötig, da es ausnahmslos an jedem Abend geregnet hat.

 

Aber an zwei Abenden regnete es nicht nur Wasser sondern auch Applaus, ja sogar Stehapplaus. Das war bei dem Auftritt des Natalia M. King Quintetts am Samstag und bei dem Konzert der ersten südkoreanischen Gruppe, die jemals bei dem Hermannstädter Internationalen Jazzfestival gastiert hat. Der Name der Gruppe lautet „Black String“, zu Deutsch: Schwarze Zither, und rührt von „Geomungo“ her, der koreanischen Bezeichnung des Instruments, mit dem die Bandchefin Yoon Jeong Heo die Zuhörer in ihren Bann gezogen hat. So mag es auch einem Rittersohn im Mittelalter ergangen sein. In Kürze: „Ritter Abrogast fragt seinen Sohn Albert, der lieber die Zither spielen will: ‚Wer hat dir das Wort genannt? und hat er dir auch schon am Ende gar von der schwarzen Zither vorgeredet? Sprich! hat er? hat er?‘ Da antwortete der Knabe etwas erschrocken: ‚Nein, Vater, von der schwarzen Zither weiß ich nichts! Aber sollte der Name des freundlichen Saitenspiels denn so böse sein, da das Ding selbst so gut ist, und eine Gabe des Himmels sein muß mit seinen holden Klängen?“

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In Korea, so die Musikerin gelte die Farbe schwarz als Summe aller Farben, insofern ist die „Schwarze Zither“ nicht negativ belegt wie in dem gleichnamigen Märchen von Albert Ludewig Grimm (nicht verwandt mit den Grimm Brüdern), erschienen 1837 in dem Band „Lina’s Mährchenbuch“. Die erste südkoreanische Gruppe, die jemals auf der Bühne des Hermannstädter Jazzfestivals aufgetreten ist, zauberte regelrecht. Vor allem die Solo-Einlagen des Schlagzeugers auf der Stundenglastrommel hatten es in sich. Der anwesende Botschafter beschenkte die vier Musiker mit Rosen. Keine Rosen gab es für Simona Maxim, das Faktotum, die mit ihrer positiven Energie alle Menschen im Publikum ansteckte. Maxim betonte jedesmal, wer die Auswahl der Künstler getroffen hat und auch die Verhandlungen mit ihnen übernommen hatte: Konstantin Johannes H. Schmidt, der Festivalsleiter, der sich in diesem Jahr diskret im Hintergrund hielt.

Das Festival wurde im Live-Stream weltweit übertragen und auch deshalb wurde immer zwischen der rumänischen und englischen Sprache gewechselt.

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Ein wichtiges Element bot das Projekt „Romanian Jazz Meeting“ mit Konzerten rumänischer Jazzmusiker am Donnerstag und am Freitag. Erfrischend der Auftritt von Jazzappella, einer Acappella-Gruppe, die nur mit Hilfe ihrer Stimmen das Publikum faszinierte. In die Welt des Nuevo Tango versetzte Accord Vibes das Publikum, mit ihrem neuen Projekt Just Tango. Die drei arrangieren berühmte Tango Nuevo-Kompositionen auf ganz besondere und eigene Art neu und spielten vor allem Stücke von Richard Galliano und Astor Piazzolla. Irina Popa war der dritte Akt des ersten Abends. Mit ihrer unglaublichen Stimme und Energie fesselte sie das ganze Publikum. Eine echte Powerfrau, die unermüdlich von Anfang bis Ende sang und dazu tanzte. Die letzte Band des ersten Abends war Karnas Formula aus Polen. Der Sänger Grzegorz Karnas hatte anfangs technische Probleme mit der Akustik, doch das schreckte den extravaganten und sympathischen Künstler nicht ab, denn er unterhielt das Publikum mit kleinen Witzen bevor er sang. Ihm zur Seite standen Michał Tokaj (Klavier), Michał Jaros (Kontrabass) und Sebastian Frankiewicz (Schlagzeug).

Am Samstagabend verpasste Natalia M. King und ihre exzellenten Musikerkollegen mit Soul und Blues dem Publikum wenigstens einen Ohrwurm: Mit „Night and Day“ nach Ray Charles, bei dem das Publikum die drei Worte des Titels als Background singen durfte. Die Musikerin lud auch zum Tanzen ein, doch das gelang dann doch nicht. Auch sonst ging die Musikerin auf Tuchfühlung mit dem Publikum, das mit Stehapplaus eine Zugabe erwirken konnte.

Auf Tuchfühlung war auch die Sängerin der De la Purrissima-Gruppe aus Spanien gegangen: Julia de Castro bat sogar einen Zuschauer aus der ersten Reihe auf die Bühne, damit er ihr aus dem Bolero half, der dann unter dem Klavier „strammstand“. Das an einen Stierkämpfer erinnernde Outfit passte zu ihrem Auftritt: Mit ihren militanten Songs packt die Sängerin die „Stiere“ Prostitution, häusliche Gewalt usw. an den „Hörnern“ und kommt nach eigener Aussage damit nicht immer gut an…

Der Sonntagabend gehörte den Südkoreanern, die ebenfalls Stehaplaus ernteten. Zum Abschluss trat eine syrische Gruppe auf die Bühne, die vor allem Stolz zeigte, dabei zu sein.

Auf jeden Fall waren die vier Abende gut durchmischt und auch in diesem Jahr stimmte die Qualität. Man darf sich auf das 48. Jazzfestival freuen. Aber zunächst auf die Auftritte der Studenten Ende Oktober.

Pierluigi GAETA

Beatrice UNGAR

Foto 1: Der Samstagabend gehörte der Ausnahmemusikerin Natalia M. King und ihrem exzellenten Quintett, die allen Anwesenden eine echte Jazz-Lektion erteilte, nach allen Regeln der Kunst. Unser Bild: Cesar Poirier, Anders Ulrich und Natalia M. King (v. l. n. r.).

Foto 2: Aus einer anderen Welt: Yoon Jeong Heo bedient mit dem Plektrum in der rechten Hand und mit der linken Hand die Saiten des Geomungo (sechssaitige Zither) genannten Instruments mit sechzehn festen und drei verschiebbaren Stegen versehen, dessen Namen so viel bedeutet wie Black String“ (Schwarze Zither).                                                

Foto 3: De la Purissima: Sie bilden den harten Kern der spanischen Band: Julia de Castro und Miguel Rodriganez (Bass).                      

Fotos: Fred NUSS

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Musik.