Armin Petras stellt seine neueste Inszenierung vor: „Rug“ von György Dragomán
Ausgabe Nr. 2529
Zwei Kubikmeter Eis füllen ein niedriges Holzbecken, das in der Mitte der Bühne thront. Emma und ihre Großmutter lesen die Zukunft im imaginären Kaffeesatz. Es ist kurz nach der Revolution von 1989. Emmas Eltern sterben in einem Autounfall und die 13-Jährige muss bei ihrer Oma, die sie noch nie vorher gesehen hat, in einer fremden Stadt in Siebenbürgen wohnen. Die Geschichte vom Ende einer Kindheit wird gerade auf der Bühne des Radu-Stanca-Nationaltheaters gezeigt. Die Vorpremiere des Theaterstücks „Rug“ (rumänische Fassung: Elise Wilk), das im Original „Máglya“ („Der Scheiterhaufen“) heißt, fand am Sonntag statt, und ist eine Inszenierung des Stuttgarter Regisseurs Armin Petras nach dem gleichnamigen Roman von György Dragomán, einem in Neumarkt geborenen, ungarischen Schriftsteller.
„Das Eis ist der eigentliche Star des Stücks, ohne die Schauspielerinnen beleidigen zu wollen“, sagte Armin Petras bei einer Pressekonferenz vergangene Woche. Tatsächlich gibt es außer den Tausenden von Eiswürfeln kein Bühnenbild. Auf dem Eis passiert alles und es soll wohl im Kontrast zum eher heißen Scheiterhaufen stehen. Die beiden Schauspielerinnen Arina Ioana Trif und Maria Tomoioagă verkörpern alle Personen auf der Bühne. Verschiedene Kleider bedeuten verschiedene Rollen. Manchmal stehen sie im Pelzmantel da, ein anderes Mal im Badeanzug, was bestimmt nicht angenehm war. Die beiden Schauspielerinnen werfen sich abwechselnd und wunderbar wandelfähig in die Rollen der Teenagerin, ihrer Großmutter, des Lauftrainers Pali, der Klassenkollegin Christina oder von Bademeister Peter. Träume, Zeiten und Gestalten, Reales und Märchenhaftes gehen ineinander über und sorgen an manchen Stellen im Stück für Verwirrung beim Publikum.
Am Ende des Stückes wird klar, wie sehr die Gegenwart von der Vergangenheit beeinflusst werden kann. Dragomán erzählt zwar vom Erwachsenwerden des Mädchens Emma, doch die Vergangenheit und das Leben ihrer Großeltern holen sie ein. Die Verbrechen des kommunistischen Regimes sind immer noch aktuell.
„Der Scheiterhaufen“ ist in einer ungewöhnlichen Kooperation zwischen dem Schauspiel Stuttgart, dem Staatsschauspiel Dresden, dem Vígszínház Budapest und dem Radu Stanca-Nationaltheater Hermannstadt entstanden: Sechs Wochen lang probten jeweils zwei junge Darstellerinnen aus Deutschland, Ungarn und Rumänien in Dresden gleichzeitig auf Deutsch, Ungarisch und Rumänisch sowie Englisch als Vermittlungssprache. Nur zwei Darstellerinnen stehen jetzt in ihrem jeweiligen Land auf der Bühne. Mitte April fand im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden die Premiere mit den deutschen Schauspielerinnen Lea Ruckpaul und Viktoria Miknevich statt. Die ungarische Premiere soll mit Patrícia Puzsa und Janka Kopek im Budapester Partnertheater Vígszínház stattfinden.
Der Hermannstädter Theaterintendant und Direktor des Hermannstädter Internationalen Theaterfestivals, Constantin Chiriac, möchte die daraus entstandenen drei Inszenierungen im Rahmen des Theaterfestivals 2018 an einem Tag aufführen lassen.
Die Inszenierung des Theaterstücks „Rug“ ist heiß und kalt zugleich, als werfe man Eis auf den Scheiterhaufen, als wolle Armin Petras mit dem Eis die schmerzhaft heiße Vergangenheit Rumäniens auf eine erträglichere Temperatur abkühlen.
Die nächsten beiden Vorstellungen von „Rug“ in Hermannstadt finden am Freitag, den 19. Mai und am Samstag, den 20. Mai, jeweils um 19 Uhr im Saal des Radu Stanca-Nationaltheaters statt.
Cynthia PINTER
Szenenbild mit Arina Ioana Trif (links) und Maria Tomoioagă.
Foto: Cynthia PINTER