„Tor für die Sterne“ – Dagmar Dusil legt ihr erstes Kinderbuch vor
Ausgabe Nr. 2521
Ein Fußball auf unfreiwilligen Abwegen, der als Resultat eines verbotenen Spiels den Weg über den Himmel nach Siebenbürgen – welch sprechendes Bild! – antritt, ist das Thema des ersten Kinderbuchs der aus Hermannstadt/Siebenbürgen stammenden Autorin Dagmar Dusil, das 2016 bei tredition in Hamburg erschienen ist.
Vom jüngeren Bruder seines Besitzers mit etwas zu viel Verve und Rotation getreten, verlässt der Ball die Erdatmosphäre und findet sich vor dem Mond wieder. Dieser offenbart ihm ein Disziplinproblem am Himmel: Da der Mond wegen seiner Reise um die Erde halbe Tage abwesend sein muss, treiben gewisse kleine Sterne während dieser Zeit gerne Unfug. Allerdings erweist sich der Fußball nicht gerade als durchsetzungsfähiger Stellvertreter des Mondes. In Unkenntnis der himmlischen Regeln wird er schnell wieder zum Fußball und genauso herumgekickt wie auf der Erde. Seinen Rückweg tritt er prompt auf die gleiche Weise wie den Hinweg an – ein besonders kräftiger Pass, abgefälscht an einem der gestohlenen Regenbogen, welche die Tore darstellen, befördert ihn wieder auf die Erde und in die Arme der Statue des Bischofs Teutsch in Hermannstadt. Von hier aus findet er mithilfe seines neu gewonnenen Freundes, eines Straßenhunds, den Beginn seines langen Heimwegs.
Die Erzählung kommt völlig moralfrei und ohne jeden Appellcharakter daher, was ihre Lektüre so unangestrengt erheiternd macht. Natürlich könnte man/frau nun darüber philosophieren, ob hier etwa ein Stück Feminismus in die Köpfe der jungen Zielgruppe eingepflanzt werden soll. Eine Pilotin als Mutter und ein zu Hause forschender Historiker als Vater, der zudem nicht einmal kochen kann, ist sicherlich eine eher selten vorkommende Elternkonstellation. Aber wem ist schon Iris, die Botin des Regenbogens, begegnet, und wem ist bei Gewittersturm schon einmal ein Frosch auf den Kopf gefallen? Es ist die Fantasie, die sich hier so selbstverständlich und organisch mit der uns vertrauten Realität mischt, die weder Fragen nach Gendersoziologie noch nach der Eignung von Fröschen als Linienrichter aufkommen lässt.
Die Autorin geht nicht in eine Falle, in die sich schon mancher Kinderbuchautor verlaufen hat – die, das junge Lesepublikum zu unterschätzen. Schön ist, dass sie sich nicht scheut, beispielsweise Wolkenformen wie Cirrus und Cumulus oder Sternarten wie weiße und rote Zwerge beim wissenschaftlichen Namen zu nennen. In den Text fügt sich das ganz natürlich ein, und Kinder saugen solche Begriffe auf wie Schwämme – eine wunderbare Gelegenheit, spielerisch an neues Vokabular herangeführt zu werden. Ebenfalls positiv hervorzuheben ist, dass die Geschichte nicht symbolisch überladen wird. Der Fußball heißt völlig unprätentiös „Fußball“, Bischof Teutsch zeigt sich als erdverbundener, verständiger Gesprächspartner, am Himmel findet tatsächlich nur ein Fußballspiel renitenter kleiner Sterne statt und keine welterklärerische Lektion für die kleinen oder größeren Leser.
Am Ende wünscht man sich fast, dass auch der kleine zottige Hund Jeff mit im Cockpit landet, aber er hat wohl noch Aufgaben in Hermannstadt zu erledigen. Das Thema des Zuhauses zieht sich durch die Geschichte und findet sein vielleicht deutlichstes Bild in der Schnecke Cochlea und in Straßenhund Jeffs Ausführungen zu deren mobilem Haus und seinem eigenen fehlenden Zuhause. Auch der Fußball schwankt zwischen der Sehnsucht nach dem Reihenhaus der Steilners und der Lust, zu reisen und andere Orte zu sehen.
Zum Schluss hat nicht nur jeder seinen Platz gefunden und offensichtlich sein Teil aus dem Glückspäckchen der Regenbogen-Botin Iris erhalten, sondern die beiden Brüder spielen auch endlich gemeinsam mit dem Fußball.
Der hübsche Band wird durch Sieglinde Wölfels gelungene und fantasievolle Illustrationen vervollständigt.
Uta GÄRTNER
Dagmar Dusil: Tor für die Sterne. Mit Illustrationen von Sieglinde Wölfel. tredition GmbH, Hamburg, 2016, 80 S., ISBN 978-3-7345-8272-1. Das Buch liegt in Hermannstadt in der Schiller-Buchhandlung und im Erasmus-Café auf.