Toleranz kann töten

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Premiere von Biedermann und die Brandstifter
Ausgabe Nr. 2506
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Eines der im deutschsprachigen Raum am meisten aufgeführten Theaterstücke feierte am Samstagabend (5. November) Premiere an der deutschen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters Hermannstadt. Gavriil Pinte inszenierte Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“, von dem er sagt, es sei eines jener Stücke, das heute aktueller sei als zur Zeit seiner Erschaffung.

„Aufhängen sollte man sie“, die Brandstifter, die das Vertrauen seriöser Bürger missbrauchen, um sich in deren Häusern einzunisten und von dort aus Feuer zu legen. Der Haarwasserfabrikant Gottlieb Biedermann ist entrüstet über die Vorfälle in seiner Stadt, die seiner herzkranken Gattin Babette den Schlaf und ihm die Gemütsruhe rauben. Eines Abends klingelt ein Unbekannter an seiner Tür und appelliert eindringlich an Biedermanns Menschlichkeit. Es ist der Obdachlose Schmitz, der sich in einer Notlage befindet. Biedermann gewährt ihm Obdach auf dem Dachboden. Als plötzlich mit Herrn Eisenring ein zweiter Gast auf dem Dachboden, der nun offensichtlich als Lager für Benzinfässer genutzt wird, auftaucht, wird die Situation brenzlig. Biedermann sucht die Freundschaft der Brandstifter, die einem braven Bürger sicher nicht das Eigenheim anzünden. Doch bis zum Schluss geht auch sein Zuhause in Flammen auf. Einer der Brandstifter bekennt Biedermann gegenüber offen: „Scherz ist die drittbeste Tarnung. Die zweitbeste: Sentimentalität […] Aber die beste und sicherste Tarnung […] ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt niemand.“

Daniel Plier spielt einen naiven und untertänigen, ja fast charakterlosen Biedermann, der sich zu leicht von allen manipulieren lässt. Einen schmatzenden, teilweise ekelhaften aber selbstsicheren und kolossal unverschämten Schmitz gibt Daniel Bucher. Valentin Späth spielt den Eisenring, der genau das Gegenteil vom unmanierlichen Schmitz ist. Gut gekleidet, mit schmalem Oberlippenbart, strahlt er Charme aus und hat etwas von einem heimtückischen Mephisto.

Babette, Biedermanns Ehefrau wird von Alexandra Murăruș als eine verwöhnte Neureiche gespielt. Die Angst vor den Brandstiftern kauft man ihr nicht wirklich ab. Das herumgeschubste Dienstmädchen Anna wird von Anca Cipariu interpretiert. Renate Müller-Nica ist die stumme Witwe Knechtling.

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Und dann ist da noch der Chor der Feuerwehrleute, die in riesigen, merkwürdigen Feuerwehranzügen wie von einem anderen Planeten auf die Erde gelandet zu sein schienen. Teilweise waren ihre Äußerungen wegen den riesigen, gesichtsbedeckenden Helmen für das Publikum akustisch nicht verständlich. Andererseits ist es den Schauspielern aus dem Chor, die allesamt kein Deutsch sprechen, hoch anzurechnen, dass sie fast akzentfrei sprachen. Chapeau für Sprachtrainerin Almuth Hattwich.

Das Bühnenbild von Roxana Ionescu glich einem Feuerwehrhaus mit knallrot gestrichenem Dach und verschiebbaren Wänden. Leitern bildeten den Rahmen für den Spielraum.

Laut Regisseur Gavriil Pinte, versucht „Biedermann und die Brandstifter“ eine „Radiografie des Dialogs zwischen Extremismus und der Toleranz gegenüber diesem Extremismus, die beide genauso tödlich sein können“ zu sein. Der Versuch ist gelungen.     Cynthia PINTER

 

Max Frischs Stück Biedermann und die Brandstifter“ in der Regie von Gavriil Pinte hatte am Samstag am Radu Stanca-Nationaltheater Premiere. Mehr dazu auf Seite 5. Unser Bild: Szenenfoto mit Alexandra Murăruș (Babette), Valentin Späth (Willi), Daniel Bucher (Herr Schmitz) und Daniel Plier (Biedermann). Foto: Cynthia PINTER

 

Bei der Pressekonferenz am 4. November zu den beiden jüngsten Premieren am Radu-Stanca-Nationaltheater sprachen (v. l. n. r.): Daniel Plier, Mariana Mihu-Plier (Drehbuch und Regie des Stücks Sunt o babă comunistă“ nach dem gleichnamigen Roman von Dan Lungu, das mit Dana Taloș in der Hauptrolle am 10. November Premiere gefeiert hat) und der Regisseur Gavriil Pinte.

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bildung, Kultur, Theater.