„Rumänien ist eine weitere Reise wert“

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Von Vorurteilen und eigenen Eindrücken /Österreichische SeniorInnen auf Reisen
Ausgabe Nr. 2503
 

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3.200 Seniorinnen und Senioren aus Österreich besuchten in der Zeitspanne vom 17. September bis 22. Oktober d. J. Siebenbürgen. Insgesamt 71 Reisebusse waren dabei im Einsatz. Im Wochentakt reisten sie im Rahmen des Herbsttreffens des Österreichischen Pensionistenverbands in Hermannstadt an, von wo es dann in Tagesausflügen in die nähere und weitere Umgebung ging, u. a. nach Holzmengen, Michelsberg, Kronstadt, Schäßburg, Birthälm. Vor Ort wurden sie von den Mitarbeitern der Tourismusfirma Sibiu Reisen betreut. Reiseleiter Mihai Hașegan, der die Fäden der Aktion in der Hand hielt, sagte der Hermannstädter Zeitung am Montag: Für die Hotels in der Stadt hat dies insgesamt 13.500 Übernachtungen bedeutet, die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien konnte 3100 Transilvania-Cards absetzen und die PensionistInnen verschickten 5000 Postkarten“. Noch heute und morgen weilt die fünfte und letzte Gruppe, 420 Seniorinnen und Senioren aus Österreich, in Hermannstadt. Ein aus Wien angereister Teilnehmer aus der dritten Gruppe berichtet im Folgenden von seinem Aufenthalt:

 

Seniorenreisen hat für das Herbsttreffen 2016 ein Zielgebiet in einem Land gewählt, um dessen Ruf es nicht zum Besten gestellt ist. Arm, unterentwickelt, arbeitsscheue Bewohner, Bettlerbanden sind die Begriffe, die ich im Kopf hatte, aber stimmt das wirklich alles? Ich wollte mir selbst ein Bild von diesem, mir noch unbekannten Land machen und habe deshalb die Reise dorthin mit rund vierzig reisefreudigen Floridsdorfer Senioren angetreten.

Die Anreise war schon etwas beschwerlich, dreizehn Stunden Busfahrt mit einigen kurzen Pausen können ganz schön mühsam sein. Dafür wurden wir in einem guten Hotel, unmittelbar an der Altstadt von Hermannstadt, auf Rumänisch Sibiu, gelegen, untergebracht. Die Hauptstadt von Siebenbürgen war im Jahre 2007 Europäische Kulturhauptstadt und ist auch aufgrund vieler liebevoll renovierter Häuser und Plätze wert, erwandert zu werden. Sinnvoll erscheint es mir jedoch, sich vor Antritt der Reise etwas mit der Geschichte und der Entwicklung des Landes zu beschäftigen.

Durch die sehr gut organisierten Ausflüge mit einer sehr kompetenten örtlichen Reiseführerin kamen wir an Plätze, die zum Teil touristische Standardziele sind. Karlsburg, Kronstadt, Michelsberg, Birthälm, Schässburg, das großartige Astra-Freilichtmuseum und natürlich die Draculaburg Bran muss man unbedingt gesehen haben. Während der Fahrten konnten wir jedoch einen guten Eindruck vom „echten Leben“ in dieser Region gewinnen. Ich fühlte mich ins Österreich der fünfziger Jahre zurückversetzt: schlechte Straßen, noch nicht wirklich ausgebaute Infrastruktur, Strom- und Gasleitungen, die sehr provisorisch wirken, Fahrzeuge wie damals und noch viele Pferdefuhrwerke, keine Fiaker, auf den Straßen. Jedoch die Menschen, die wir kennenlernen durften, waren durchwegs freundlich, gastfreundlich und zuvorkommend. Überraschend war für mich, dass viele von ihnen ein gepflegtes Deutsch sprechen, das erklärt sich natürlich aus ihrer Geschichte als Siebenbürgen Sachsen, Landler – das sind ursprünglich Oberösterreicher und Steirer, und andere deutschsprachige Volksgruppen. Viele Schulen werden auch heute noch deutschsprachig geführt und sind auch unter der rumänischen Bevölkerung sehr gefragt.

Für mich besonders beeindruckend war die Tatsache, dass all diese Volksgruppen wie Sachsen, Landler, Rumänen und Roma weitestgehend friedlich nebeneinander und miteinander leben und ihre spezifischen Traditionen pflegen. Am meisten hat mich jedoch ein Treffen mit Roma, sie bezeichnen sich selbst auch stolz als Zigeuner oder Raben, betroffen gemacht. Der österreichische Jesuitenpater Georg Sporschill hat mit mehreren Idealisten das ELIJAH-Zentrum, eine Station für Roma Kinder geschaffen, in der sich diese durch den angebotenen Musik(instrumenten)unterricht und die Möglichkeit, einen Handwerksberuf zu erlernen, zu selbstbewussten Menschen mit Zukunftsperspektiven entwickeln können. Eine Musik-, Gesang- und Tanzvorführung der Kinder hat uns von der Sinnhaftigkeit dieser Institution überzeugt. Informieren kann und soll man sich auf der Internetseite des Vereines: www.elijah.ro/menschen/pater-georg-sporschill. Diese Organisation lebt ausschließlich von Spenden.

Wir konnten auch Menschen kennen lernen, die in eigener Initiative Existenzgrundlagen für sich und ihre Familien, aber auch für viele andere schaffen. Zum Beispiel ein Postbeamter, der sich zum Keramiker entwickelt hat, aus seinen handgemachten Kacheln wurden bereits viele sehenswerte Kachelöfen hergestellt. Ein junges Paar widmet sich professionell der Imkerei, produziert und vermarktet nicht nur feinsten biologischen Honig, sondern hat in einer eigens dafür gepachteten und renovierten alten Schule ein nationales Zentrum für Bienenzucht und Imkerei geschaffen, das mittlerweile international beachtet und geachtet wird. Eine Bäuerin hat ihr Haus ausgeräumt, um uns mit selbstgemachten heimischen Speisen und Getränken bewirten zu können – ein echtes Erlebnis. Auf einer Alm konnten wir den traditionellen Schafkäse der Region verkosten und haben dabei erfahren, dass in Rumänien 5 Millionen Schafe gehalten werden.

Mein Resümee von dieser Reise: Ich habe dieses Land, eines der ärmsten in der Europäischen Union, ganz anders kennengelernt, als ich es mir vor der Reise vorgestellt hatte. Sicher ist noch viel zu tun, um einen Standard zu erreichen, der dem unseren entspricht. Aber die Menschen, die wir kennenlernen durften, werden das schaffen! Rumänien, insbesondere Siebenbürgen, war und ist jedenfalls eine weitere Reise wert.

Wolfgang IVAN

 

Am 25. September waren insgesamt 18 Busse auf dem Parkplatz vor der Redal Expo-Halle angekommen, 700 Seniorinnen und Senioren wurden anschließend von dem Schauspieler und Leiter der deutschen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters, Daniel Plier, in rumänischer Tracht begrüßt und durch das Programm geführt. Mit dabei waren u. a. der Caedonia-Kammerchor, die Folkloreensemble Ardealul und Ceata Junilor sowie Romulus Cipariu (Zymbalon) und Radu Nechifor (Panflöte).                                          

Foto: Fred NUSS

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Tourismus.