Erstes Roma-Poesiefestival in Hermannstadt
Ausgabe Nr. 2502
„Meine Fresse, die haben eine Hymne! Das darf ich mir nicht entgehen lassen!“, gröhlt ein Halbstarker und stellt sich vor die Bühne auf dem Kleinen Ring in Hermannstadt, auf der die Teilnehmer an dem ersten Roma-Poesiefestival am 1. Oktober d. J. die Roma-Hymne anstimmen. Aus dem Publikum wird der junge Mann gebeten, sich gehörig zu benehmen. Er verschwindet und lässt den Blick frei auf das bunte Geschehen.
Die erste Auflage des von Luminiţa Cioabă angeregten und organisierten Festivals hatte mit einem Umzug der Teilnehmer aus Italien, Polen, den USA, Bosnien-Herzegowina, Großbritannien und Rumänien begonnen. Allen voran die vom Freilichtmuseum im Jungen Wald gemietete Pferdekutsche. Den Ehrenplatz in der Kutsche nahm Valdemar Kalin ein, ein Enkel der ersten Roma-Schriftstellerin aus Polen, Bronislawa Wajs (1908 oder 1909 – 1987), die ihre Gedichte mit „Papusza“ unterschrieb, was soviel bedeutet wie „Puppe“. Dieser Schriftstellerin, die zum Vorbild für viele schreibende Roma-Frauen geworden ist, war das Festival gewidmet.
Nachdem die Teilnehmer auf der Bühne standen und die Roma-Hymne gesungen hatten, wurden Friedenstauben freigelassen und die Hauptveranstalterin verteilte rote Luftballons an die anwesenden Kinder. Die Moderation der Lesungen und Konzerte sowie Tanzdarbietungen die folgten, hatte der bekannte rumänische Mircea Dinescu inne. Zunächst kamen die Brüder Santino und Genario Spinelli (Italien) auf die Bühne und spielten auf Akkordeon und Geige einige volkstümliche Roma-Lieder. Santino Spinelli trug ein der geehrten „Papuscha“ gewidmetes Gedicht in Romanes vor. Aus Bosnien-Herzegowina angereist war die Roma-Dichterin Hedina Tahirović Sijerčić, die einfühlsam ihre Texte vortrug. Die Terno-Group, geleitet von dem Akkordeonspieler und Dichter Edward Dębicki aus Polen sorgte ebenfalls für Unterhaltung.
Roma-Tänze führten Schülerinnen und Schüler aus Leschkirch auf, unter Anleitung ihrer Lehrerin Alemănuța Toader, zur Begleitung war ein kleines Orchester aus Holzmengen dabei, von der Musikschule der Elijah-Sozialinitiative.
Am Dienstag danach traf sich die eigens zum Festival mit Unterstützung der US-Botschaft in Bukarest aus den USA angereiste Autorin und Creative Writing-Dozentin Cecilia Woloch mit Schülerinnen und Schülern des Constantin Noica-Lyzeums in der Astra-Bibliothek. Einige der Neuntklässler hatten Gedichte der Autorin erstaunlich gut ins Rumänische übersetzt. Die Autorin war begeistert und erzählte aus ihrem Leben als Roma-Frau in den USA, wohin ihre Großeltern aus Polen geflohen waren.
Bei dieser Begegnung lernten die begeisterten Schülerinnen und Schüler auch die Hermannstädter Schriftstellerin Luminița Cioabă kennen, die erklärte sie hoffe bei der zweiten Auflage des Festivals fest mit deren Teilnahme.
Beatrice UNGAR
Foto 1: Den Hintergrund der Bühne schmückte eine Reproduktion der Bronzebüste der ersten Roma-Autorin, Bronislawa Wajs, genannt Papusza oder Papuscha (Puppe).
Foto 2: Die Neuntklässlerinnen und Neuntklässler vom Constantin Noica-Lyzeum Hermannstadt stellten sich nach der Begegnung mit zwei Roma-Schriftstellerinnen auf den Stufen der Astra-Bibliothek mit ihren beiden Englischlehrerinnen Petrina Dobrotă (3. Reihe, links) und Marcela Penelopa Stanca (1. Reihe, 3. v. l.), den beiden Roma-Schriftstellerinnen Cecilia Woloch (1. Reihe, 2. v. l.) und Luminiţa Cioabă (1. Reihe, 1. v. l.), und der US-Botschafsträtin Mihaela Paraschivescu (1. Reihe, 1. v. r.) zum Gruppenbild auf.
Fotos: die Verfasserin