Der Schlüssel für die Zukunft

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Über die zweite Auflage des „Jungen Festivals aus Hermannstadt“
Ausgabe Nr. 2503
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Anspruchsvolles Theater für Kinder und Jugendliche zu bieten. Das scheint das Ziel des jüngsten Theaterfestivals am Hermannstädter Gong-Theater für Kinder und Jugendliche zu sein. „Festivalul Tânăr de la Sibiu“ bedeutet so viel wie „Das junge Festival aus Hermannstadt“ und fand vom 10.-16. Oktober in den beiden Sälen des Gong-Theaters statt. Zur zweiten Auflage des Festivals waren 150 Künstlerinnen und Künstler aus Armenien, Deutschland, Polen, Rumänien und Ungarn eingeladen. 14 Theatervorstellungen, Workshops, eine Ausstellung und ein Konzert waren Teil des komplexen Programms.

 

In Reih und Glied, immer zu zweit, immer händchenhaltend standen die Kinder und ihre Lehrerinnen vergangene Woche vor dem Eingang des Gong-Theaters. Die Eintrittskarten hatten die Lehrerinnen schon längst besorgt und man wartete ungeduldig darauf, dass die Türen zum Theatersaal geöffnet werden. Am Montag ging das Festival mit dem Puppentheater „Die Schöne und das Biest“ los, das sich an Kinder ab 4 Jahren richtete. Doch es waren nicht nur klassische Märchen im Programm. Theaterstücke wie „Amintiri din epoca de școală“ oder „Das unmöglich mögliche Haus“ boten ganz neue Perspektiven über das Genre Kinder- und Jugendtheater. Auch „The Greatest Thing“ des Berliner Duos Miss Walker und Silent Rocco vereinten Musik mit Pantomime in einer so noch nicht erlebten Art und Weise.

Einer der Höhepunkte des Festivals war der erste Auftritt der Schauspieler vom größten Kinder- und Jugendtheater Deutschlands in Hermannstadt. Das „Theater an der Parkaue“ führte am Samstag das von „Forced Entertainment“ inszenierte Stück „Das unmöglich mögliche Haus“ auf, das 2015 mit dem Deutschen Theaterpreis „DER FAUST“ in der Kategorie „Beste Regie Kinder- und Jugendtheater” ausgezeichnet wurde. Regie führten die Engländer Tim Etchells und Robin Arthur.

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In einem seltsamen Mathebuch, das in der Bibliothek des unmöglich möglichen Hauses herumliegt, erwacht plötzlich ein auf eine leere Seite gekritzeltes Mädchen zum Leben und sucht nach seinem Freund, der ebenfalls gezeichneten kleinen Spinne. Das Publikum begibt sich mit Hilfe der beiden Schauspieler Caroline Erdmann und Johannes Hendrik Langer auf die Suche nach der verirrten Spinne. Auf einer Pappkartonscheibe, die Johannes Hendrik Langer in der Hand hält, wird die Geschichte projiziert, die vom Schauspieler erzählt wird, während Caroline Erdmann die „sehr seltsamen“ und nicht immer passenden Geräusche dazu produziert. Dafür benützt sie Gläser, ein Keyboard, Papierblätter und sogar eine Sellerie. Die Erwachsenen im Saal hatten an dem Witz, der aus der Konversation der beiden Schauspieler entstand, ihren Spaß. Die kleineren Kinder hatten allerdings Schwierigkeiten, dem Geschehen, das eben nur erzählt und nicht gespielt wurde, zu folgen. Daran sind jedoch nicht die Schauspieler Schuld, sondern die Eltern, die die Altersvorschläge für das Theaterstück – in diesem Fall 7-11 Jahre – wie so oft nicht in Acht genommen haben.

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„Das unmöglich mögliche Haus“ soll Spaß machen, ein bisschen erschrecken und auch zum Nachdenken anregen. Das meint auch Irina Bârcă, Theaterpädagogin am „Theater an der Parkaue“, die mit dem Ensemble aus Berlin angereist war. Die gebürtige Hermannstädterin hat das Brukenthalgymnasium absolviert, in Bukarest Schauspiel und an der Hochschule Osnabrück Theaterpädagogik studiert und arbeitet nun schon seit drei Jahren als Theaterpädagogin am „Theater an der Parkaue“ in Berlin. Sie ist für diverse Projekte mit Kindern und Jugendlichen zuständig, kümmert sich um die Spielplanvermittlung, organisiert vorbereitende oder nachbereitende Workshops, sowie Projektwochen mit Schulen oder Lehrerfortbildungen und Jugendtheaterklubs. Über das „Unmöglich mögliche Haus“ sagt Irina Bârcă: „Das Stück soll durch ungewohnte Perspektiven und die ausgefallene Erzählweise die Phantasie der Kinder anregen. Die Narration verläuft nicht linear, sondern wird immer wieder durchbrochen und spielt mit der Illusion der Theatermittel. So wird beispielsweise immer wieder offen gelegt, dass Theater ein Raum ist, in dem Wirklichkeit konstruiert werden kann. Das unmöglich mögliche Haus ist ein Haus, wo ganz Vieles möglich ist. Es ist wie ein Phantasieland, das man sich selber erdenken kann. Und am Ende bekommt man den Schlüssel dafür“. Mit dem Schlüssel darf man sich als Zuschauer in Gedanken auf den Weg machen durch das unmöglich mögliche Haus.

Zur Zusammenarbeit mit dem Gong-Theater kam es durch die junge Theaterpädagogin, als sie vor einigen Jahren den Direktor Adrian Tibu ansprach und einen Austausch vorschlug. Nun war es endlich soweit und die Aufführung in Hermannstadt war ein voller Erfolg. Das Zusammenspiel zwischen Erzählung, Videoprojektion und improvisierten Geräuschen gefiel dem Hermannstädter Publikum. Und überhaupt scheint der Versuch, anspruchsvolles, weniger konventionelles Theater unter Kinder und Jugendliche zu bringen, der Schlüssel für die Zukunft zu sein.

Cynthia PINTER

 

Foto 1: Mit buntem Konfetti wurde das Publikum am Donnerstag Abend im Atrium Café zum Leben erweckt. Miss Walker (oben) und Silent Rocco (unten) aus Berlin boten mit ihrer Show „The Greatest Thing“, die innerhalb des „Jungen Festivals aus Hermannstadt“ stattfand, eine Kombination aus Musik und Pantomime.                             

Foto: Cynthia PINTER

Foto 2: Szenenfoto aus „Das unmöglich mögliche Haus“ mit Johannes Hendrik Langer (rechts) und Caroline Erdmann.                    

Foto: Cynthia PINTER

Foto 3: Die Theaterpädagogin Irina Bârcă.

Foto: Roland VACZI

 

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Theater.