Eine Brücke in die Zukunft

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Gespräch mit Andreas H. Apelt über 10 Jahre Schauwerkstatt der Wandergesellen
Ausgabe Nr. 2491
 
 

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Seit der ersten Schauwerkstatt 2007 unterstützt die Deutsche Gesellschaft e. V. Berlin das Projekt der Wandergesellen in Hermannstadt. Während die Schauwerkstatt im Europäischen Kulturhauptstadtjahr noch eine unter vielen Veranstaltungen war, hat sie sich, nicht zuletzt Dank des stetigen Engagements der Deutschen Gesellschaft e. V., zu einem festen Programmpunkt im Hermannstädter Veranstaltungskalender entwickelt. Über die Anfänge des Projekts und dessen Zukunft sprach HZ-Redakteurin Cynthia P i n t e r mit Dr. Andreas Hermann Apelt, dem Bevollmächtigten des Vorstands und Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft e.V.

 

Herzlichen Glückwunsch zum Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, das Ihnen Anfang des Jahres verliehen wurde. Die Deutsche Gesellschaft e.V. ist eine der aktivsten Bürgergesellschaften Deutschlands. Welche Rolle spielt das Projekt der Wandergesellen für die Deutsche Gesellschaft e. V.?

Das Projekt spielt eine große Rolle, weil es dieses Jahr 10 Jahre alt wird und weil wir vor 10 Jahren im Europäischen Kulturhauptstadtjahr mit der Idee begonnen haben, etwas zu tun für den Weggang von siebenbürgisch-sächsischen Handwerkern und geglaubt haben, wir müssen eine Art Wiedergutmachung leisten. Einerseits eine Wiedergutmachung für den Weggang aber darüber hinaus war das Projekt von Anfang an ein Projekt, in dem wir etwas Verbindendes machen wollten. Wir wollten etwas Deutsch-Rumänisches ausführen und etwas für junge Leute machen, für die Kultur und für die dagebliebene deutsche Minderheit. Der Verweis auf die Wandergesellentradition, die in Hermannstadt auch sehr alt ist, sollte eine Brücke in die Gegenwart und die Zukunft schlagen.

Das Projekt nimmt einen besonderen Platz ein, weil es eines meiner Lieblingsprojekte ist und ich würde sagen, in diesem Jahr – wir machen im Jahr etwa 700-800 Projekte und Veranstaltungen, wobei darunter auch Konferenzen, Seminare, Ausstellungen, Lesereisen, Studienreisen sind – hebt sich das in besonderer Weise wieder ab, weil das eine Kontinuität zeigt. Es zeigt auch, dass es ein Interesse daran gibt, dass junge Menschen aus Deutschland, aus der Schweiz, aus Frankreich sich auf den Weg machen. Wir verbinden Erbe und Tradition mit der Moderne. Wir versuchen also sowohl auf die Tradition des Wanderns hinzuweisen als auch auf das große Thema Verbindung zwischen den Minderheiten. Zugleich möchten wir deutlich machen, dass uns die Stadt Hermannstadt in besonderer Weise am Herzen liegt. Dazu mag sicherlich auch beitragen, dass Klaus Johannis als ehemaliger Bürgermeister der Stadt im Jahr 2008 auch Preisträger der Deutschen Gesellschaft geworden ist. Seitdem gibt es eine enge Verbindung zur Stadt und wir fühlen uns sozusagen verpflichtet, in dieser Stadt und mit dieser Stadt etwas zu tun. Hermannstadt ist eine der schönsten Städte, die ich kenne und sie hat es verdient, dass man ihr eine besondere Aufmerksamkeit widmet.

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Sie haben gesagt, dass es eines ihrer Lieblingsprojekte ist. Hängt das damit zusammen, dass Sie selber als Handwerker tätig waren?

Vielleicht hängt es damit zusammen, aber vor allen Dingen hängt es damit zusammen, dass wir viele Projekte im Kulturbereich organisieren, in denen es um Hochkultur geht. Wir veranstalten Konzerte für ein sehr intellektuelles Publikum, auch viel in der Hochkultur, dabei ist die einfachste Form von Kultur jene des handwerklichen Arbeitens. Auch das ist Kunst und Kultur, nur auf eine andere Art und Weise und sehr viel einfacher näher gebracht. Dazu kommt, dass die Wanderschaft auch eine alte Form des Kulturtransfers darstellt. Wenn man diese alte Form beleben kann, hat das natürlich einen enormen Reiz gegenüber allem Neuen. Es ist leicht, ein großes Jazzkonzert in einer großen Stadt zu organisieren. Sehr viel schwieriger ist es, so ein Wandergesellenprojekt auf die Beine zu stellen, wo man nicht genau weiß, wann die Wandergesellen ankommen, und wie lang sie brauchen, um in Hermannstadt endgültig zu landen.

Wie kam es zur Unterstützung des Wandergesellenprojektes in Hermannstadt?

Es war eigentlich reiner Zufall. Ich habe im Jahr 2005, als ich wegen eines anderen Projektes in Hermannstadt war, zwei Gesellen in einer Gastwirtschaft getroffen und habe mich gewundert, was diese zwei Gesellen hier suchten. Sie erzählten mir, dass sie an der Kirche arbeiten würden, dort gäbe es seit einigen Jahren immer wieder den Versuch eine Wandergesellenherberge aufzubauen. Da habe ich gedacht, das ist eine tolle Idee, vielleicht müsste man das in großem Rahmen machen. Und da das Kulturhauptstadtjahr vor der Tür stand, bin ich am nächsten Tag zu Stadtpfarrer Kilian Dörr gegangen und hab ihn gefragt, ob er sich nicht vorstellen könne, ein großes Projekt zu initiieren mit uns, der Deutschen Gesellschaft und er war auch gleich begeistert. Ich habe ihm zugesichert, wir würden uns um das Geld kümmern und das war die Geburtsstunde der großen Projekte. 2007 waren dann fast 100 Wandergesellen hier. Der Bundespräsident hat die Schauwerkstatt eröffnet, viel politische Prominenz aus Deutschland und aus anderen europäischen Städten waren hier in Hermannstadt. Wir haben also eine Tür aufgestoßen, die schon längst aufgestoßen gehörte.

Wie sehen Sie die Entwicklung des Projekts in den letzten 10 Jahren?

Es hat ja immer unterschiedliche Ansätze und Erweiterung-
en gegeben. Zum Beispiel wurde eine Zusammenarbeit mit den Berufsschulen gestartet. Die Gesellen haben dabei versucht, rumänische Auszubildende ein Stück ihrer Fertigkeiten beizubringen. Das ist teilweise auch gut gelungen. Dieses Jahr war das Bildhauer-Symposium die Neuigkeit, wo junge Bildhauer die Möglichkeit gehabt haben, mit den Gesellen zusammenzuarbeiten. Es hat Erweiterungen gegeben durch eine ganze Reihe von Lesungen. Das wird es auch in diesem Jahr geben. Dazu kommen Filmvorführungen, Diskussionen zu einzelnen Themen, Handwerkstechniken etc. Erwähnenswert sind Kollaborationen mit anderen Mittelalterfestivals in Rumänien, wo die Gesellen ihre Arbeiten gezeigt haben. Es war immer klar, dass man nicht nur in Hermannstadt sein wird, sondern auch versucht, ein bisschen regional auszustrahlen. Eines der Höhepunkte der letzten beiden Jahre ist eine Gesellenband, die morgen, am 30. Juli, vor der evangelischen Kirche spielen wird. Es wird in diesem Jahr am 31. Juli auch eine szenisch-musikalische Lesung vor der Herberge geben. Wir versuchen also nicht immer ein und dasselbe zu tun.

Gibt es etwas, das die 10 Jahre Schauwerkstatt zusammenfasst? Vielleicht eine Fotoausstellung?

Es gibt seit dem letzten Jahr große Fototafeln, die direkt an der Gesellenherberge hängen, die einen Eindruck vermitteln von dem, was die Gesellen in den letzten 10 Jahren hier geleistet haben. Die Tafeln beschreiben z. B. die Bedeutung des Gesellenlebens. Wir hatten das Gefühl, dass viele Menschen damit nichts anzufangen wissen, außer dass sie hier so merkwürdig gekleidete, altmodische Herren sehen. Mit diesen Tafeln wollten wir aufklären. Ich glaube, das ist uns auch gelungen. Nicht zuletzt sind diese Tafeln jetzt auch Besuchspunkt von vielen Touristen, die nach Hermannstadt kommen. Ich habe letztens ein Foto in einer deutschen Zeitung gesehen, da hat sich Bundespräsident Gauck genau vor den Tafeln mit Staatspräsident Johannis fotografieren lassen.

Wie sehen Sie das Projekt in der Zukunft? Wie soll es weitergehen?

Wir hoffen, dass das Projekt, das in den letzten zwei Jahren auch Unterstützung gefunden hat durch die finanzielle Beteiligung der Allianz Kulturstiftung, auch weiterhin eine Zukunft hat. Wir wollen es erweitern mit noch mehr Angeboten des kulturellen Programms, z.B. wobei wir versuchen das Bildhauer-Symposium in das Gesamtprojekt zu integrieren. Wir geben Hermannstadt nicht so schnell auf und solange es Wandergesellen gibt, die bereit sind in diese wunderschöne Stadt zu wandern, solange werden wir ihnen ein Angebot machen. Wir werden ihnen sagen, sie haben eine Unterkunft, sie können hier arbeiten, kulturhistorische Kleinode hier sanieren, all das, was auch den Reiz ausmacht. Ich glaube, ein besonderer Reiz für die Gesellen ist auch, dass das eine tolle Stadt ist, die lebt, wo viele junge Leute unterwegs sind, wo man gastfreundlich ist und wo sie sich wohl fühlen.

Sie sind ja auch ein bekannter Schriftsteller. Folgt nach Ihrem letzten Roman „Pappelallee“ auch ein Roman über Wandergesellen?

Noch nicht. Ich bin aber gerade dabei einen neuen Roman zu schreiben und da spielt Hermannstadt auch eine gewisse Rolle. In welcher Form, kann ich noch nicht verraten, weil ich an der Stelle noch nicht angelangt bin. Ich habe jetzt fünf Romane und viele Erzählungen geschrieben. Es war klar, irgendwann müsste Hermannstadt eine Rolle spielen. Ich hege eine besondere Vorliebe für die Stadt und dazu kommt noch, dass mein Zweitname Hermann ist. Von daher kommt man gar nicht umhin, Hermannstadt auf irgendeine Weise literarisch zu verewigen.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Foto 1: Gruppenbild der an der zehnten Schauwerkstatt beteiligten Wandergesellen und Andreas H. Apelt (Bildmitte) vor dem Südportal der evangelischen Stadtpfarrkirche.

Foto 2: Dr. Andreas H. Apelt.

Fotos: Cynthia PINTER

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Gesellschaft.