Premiere: Zwei Staatspräsidenten zugleich in Hermannstadt
Ausgabe Nr. 2486
„Sehr geehrte Herren Präsidenten, es ist eine überaus große Ehre und Freude, dass Sie unsere Einladung zur Schirmherrschaft der Stiftung Kirchenburgen vor zwei Jahren angenommen haben und heute mit diesem Besuch auch bestätigen und vor aller Welt bezeugen. Dafür danke ich Ihnen” sagte Bischof Reinhart Guib in seiner Ansprache in der evangelischen Kirche in Heltau vor dem deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck und Rumäniens Staatspräsidenten Klaus Johannis, die am Dienstag gemeinsam Hermannstadt und Heltau besucht haben.
Zwischen dem. 20. und 22. Juni besuchte nämlich Bundespräsident Gauck gemeinsam mit Frau Daniela Schadt Rumänien im Zeichen der guten bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Staaten.
In Heltau führte Bischof Reinhart Guib die beiden Präsidenten und zugleich Schirmherren der Stiftung Kirchenburgen in die Struktur, die vielfältigen Aktivitäten und Probleme der evangelischen Kirche in Rumänien ein. „Eine besondere und einmalige Herausforderung ist der Erhalt und die Nutzung dieser einmaligen und einzigartigen Kirchenburgenlandschaft Siebenbürgen. Zwei Kirchturmeinstürze in Radeln und in Rothberg zeigen, dass akuter Handlungsbedarf besteht, um unsere Identifikationssymbole, die Kirchenburgen, um unser gemeinsames eigentlich europäisches Kulturerbe und zum Teil Weltkulturerbe für die nächste Generation vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Ein abgeschlossenes ist das aus EU-Mitteln finanzierte 18-Kirchenburgen-Projekt. Und mit der Vorbereitung eines weiteren Projektes für ebenfalls 18 Kirchenburgen und einigen durchgeführten und noch durchzuführenden Renovierungen durch den rumänischen Staat und das Herrichten von rund 50 Kirchenburgen durch die Gemeinden und mit der Hilfe der Heimatsortsgemeinschaften und aller Stiftungen und Vereine konnten bislang immerhin nur ein Drittel der 160 Kirchenburgen und weiteren 80 Kirchen mittel- oder langfristig erhalten werden. Der Übergang von der Leitstelle Kirchenburgen zu der Stiftung Kirchenburgen der Evangelischen Kirche in Rumänien war ein notwendiger Schritt um weitere Freunde und Förderer, Kompetenzen und Finanzierungsquellen ansprechen zu können.“
„Ich kann es Ihnen versprechen, wir haben die Schirmherrschaft nicht nur aus Daffke übernommen, sondern weil es uns am Herzen liegt“, versicherte Bundespräsident Joachim Gauck und führte aus: „Wir wollen so ein europäisches Erbe nicht vor die Hunde gehen lassen. Jetzt packen wir Schritt für Schritt an, jeder mit seinen Möglichkeiten und ich bin glücklich, dass dies Teil meines offiziellen Besuches hier ist, ich besuche gerne Europa, und dieses Europa hier, das kannte ich noch nicht. Es ist mir ein weiteres Zeichen der Ermutigung und der Freude. Ich bin bei Ihnen.“
Ganz viele Menschen sollen in Europa ihre Wurzeln abgeschnitten haben, sagte Gauck weiter: „Sie haben vergessen, dass sie davon geprägt sind, wo sie herkommen, woher Ihre Vorfahren geistliche Kraft genommen haben und hier in Ihren Gemeinden ist das nicht geschehen, sondern Sie haben nicht nur zu ihren nationalen Traditionen gestanden sondern zu dem Glauben, der Ihrem Leben Sinn gegeben hat und das ist der erste Grund, warum ich mich mit Ihnen eng verbunden fühle“, sagte Gauck, der ehemals als evangelisch-lutherischer Pastor und Kirchenfunktionär in der DDR tätig war.
Der Besuch der beiden Staatsoberhäupter galt aber zunächst der Heimatstadt von Rumäniens Staatspräsident. „Ich war seit langem nicht mehr da”, stellte Rumäniens Staatspräsident und ehemaliger Bürgermeister von Hermannstadt Klaus Johannis fest, indem er den ihm gut bekannten heimischen Journalisten, die sich quer zum Haupteingang des Bürgermeisteramtes aufgestellt hatten, freundlich zulächelte. In Hermannstadt besuchten die beiden Präsidenten, in Begleitung ihrer Partnerinnen das Bürgermeisteramt, wo Bürgermeisterin Astrid Fodor sie empfing und wo Bundespräsident Joachim Gauck sich in das Ehrenbuch der Stadt eintrug.
Im Anschluss empfingen Schuldirektor Gerold Hermann, Lehrer und Schüler die prominenten Gäste in der Brukenthalschule. Weiter ging es zur evangelischen Stadtpfarrkirche, wo unter anderem Stadtpfarrer Kilian Dörr sich den Gästen annahm. Über die Lügenbrücke, die 1995 der damalige Bundespräsident Roman Herzog passierte, ging es zum Sitz des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien.
Der DFDR-Vorsitzende Dr. Paul-Jürgen Porr unterstrich ebenfalls die Tatsache, dass es eine absolute Premiere sei, gleichzeitig zwei amtierende Staatspräsidenten zu Gast haben. Porr wie auch Präsident Johannis gingen in ihren Ansprachen auf die Brückenfunktion der deutschen Minderheit in Rumänien ein. Johannis unterstrich die Bedeutung der Förderung von nationalen Minderheiten im europäischen Kontext. Die nationalen Minderheiten stellen, so Johannis, eine Bereicherung für die jeweiligen Staaten dar und tragen maßgeblich bei zur Entwicklung der Regionen, wenn sie entsprechend gefördert werden und ihre Identität pflegen und stärken können. Johannis betonte auch die Bedeutung der interkulturellen Zusammenarbeit für den Frieden in Europa und für die Völkerverständigung allgemein.
„Aber zur Zeit erleben wir in Europa, dass man sogar innerhalb der Gesellschaft des eigenen Landes neue Brücken des Verständnisses, des Verstehens braucht“, sagte Gauck. „Wenn ich Sie heute besuche, dann fällt mir ein, was hier alles im Hintergrund ist, was ich nur ahnen kann, wenn ich Gebäude sehe und Menschengesichter. Das erste was mir einfällt ist, dass die Älteren unter Ihnen, so wie ich, Zeugen einer schwierigen Beziehung zu einem schwierigen Vaterland, einer schwierigen Heimat waren“. Gauck wurde selber 1989 Mitglied der „Neuen Forum“-Bewegung, die damals in der DDR die Wende mitprägte. „Die Aktivitäten der Demokratiebewegungen, das haben Sie ja alle gespürt, haben zu Veränderungen geführt, die uns eine friedliche Revolution, den Fall der Mauer, den Fall der Grenzen, überall in Europa und ein vereinigtes Europa gemacht hat. Deshalb gibt es zu der Landsmannschaft eine Verbindung, eine Verbindung, die über den Namen Demokratisches Forum, über die Demokratie, über die Haltung von Bürgern, die Demokratie wollten, wollen und gestalten und auch in Zukunft gestalten werden. Dies ist für mich, was uns auch noch enger verbinden wird, als landsmannschaftliche Reminiszenzen“.
Gauck war glücklich, auf seine Fragen nach ethnischen Konflikten zwischen Deutschstämmigen und Rumänen oder anderen Minderheiten immer gehört zu haben: „Nein, in Rumänien haben wir das nicht.“
So sagte er: „Das nehme ich auch als Geschenk mit in eine Politikwelt, in der gerade viele Menschen mit Ängsten Politik machen und wir eher an Abgrenzung und Gegeneinander und Abschottung denken, als an ein konstruktives Miteinander“. Es folgte auch eine persönliche Äußerung zu seinen Eindrücken in Hermannstadt. Bundespräsident Joachim Gauck sagte mit einem Augenzwinkern: „Wenn es nach dem Herzen ginge, blieben wir noch wenigstens eine Woche hier“.
„Wir versichern Ihnen Herr Bundespräsident, dass wir auch in Krisenzeiten gute Europäer sind!“, lauteten Porrs abschließende Worte. „Wir waren es schon immer. Das was wir heute als europäisches Gedankengut bezeichnen, friedliches interethnisches, interkonfessionelles Zusammenleben, das wurde hier in Siebenbürgen und dem Banat über Jahrhunderte gelebt.“ Als in Mitteleuropa der 30-jährige Krieg tobte, sei hier kurz nach Luther die Reformation absolut friedlich durchgeführt worden, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen. „Diese Tradition verpflichtet uns. Ich möchte Ihnen versichern, dass wir zusammen mit der rumänischen Mehrheitsbevölkerung und den 17 anderen Minderheiten dieses Landes unser Möglichstes tun werden für ein gemeinsames, grenzfreies, seiner Werte bewusstes Europa.“
Zu der deutschen Delegation gehörten übrigens auch die in Rumänien geborenen Teilnehmer wie Rockstar Peter Maffay oder Nobelpreisträger Stefan Hell.
Der Spiegel online schrieb am Montag, den 20. Juni: „Seinen Gastgebern in Bukarest, Sofia oder Ljubljana ist sowieso egal, dass Gauck im kommenden Frühjahr aus dem Amt scheidet. Hauptsache, der deutsche Bundespräsident ist da.“
So war es: Hauptsache, der Bundespräsident war da. Und nicht allein, sondern gemeinsam mit Rumäniens Staatspräsident.
Werner FINK
Foto 1: Auf der Lügenbrücke in Hermannstadt (v. l. n. r.): Frau Carmen Johannis, Staatspräsident Klaus Johannis, Bundespräsident Joachim Gauck, Frau Daniela Schadt und MdB Dr. Bernd Fabritius, Bundesvorsitzender des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland.
Foto 2: Im Spiegelsaal des Forumshauses begrüßte bei einer Begegnung mit Vertreterinnen und Vertretern der deutschen Minderheit, die aus ganz Rumänien angereist waren, Dr. Paul-Jürgen Porr, der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, die beiden Staatspräsidenten Klaus Johannis und Joachim Gauck, die ihrerseits je eine Ansprache hielten.
Foto 3: Gruppenbild in der Aula der Brukenthalschule (v. l. n. r.) mit Schuldirektor Gerold Hermann, Frau Carmen Johannis, Nobelpreisträger Stefan Hell, Staatspräsident Klaus Johannis, Bundespräsident Joachim Gauck, Frau Daniela Schadt und MdB Bernd Fabritius.
Fotos: Werner FINK