Ausbildung für das Ausland

Teile diesen Artikel

EAS-Dialogkreis zu Arbeits- und Akademikermigration
Ausgabe Nr. 2484
 
6-Braindrain

„Was ist dran am Braindrain?“ – Unter dieser Fragestellung lud die Evangelische Akademie Siebenbürgen am 19. Mai d.J. zum Dialogkreis. „Braindrain“ kennzeichnet die befürchtete Abwanderung intellektuellen Potentials: Der Abwanderung der Akademiker ins Ausland. Vier Referenten widmeten sich in ihren Vorträgen den Formen dieser Migration.

Ein unangenehmer Begriff geistert durch soziologische Studien der letzten Jahre: „Braindrain“. Wörtlich übersetzt: Der „Gehirnabfluss“. Ein Wort, dass die Abwanderung von Akademikern und Talenten ins Ausland beschreibt – die Gehirne, und damit ihr intellektuelles Potential, gehen verloren. Abwanderung ins Ausland. Diesem Phänomen wurde eine Sitzung des Dialogkreises der Evangelischen Akademie Siebenbürgen gewidmet. Es war die vorletzte Sitzung im Sommersemester 2016.

Vier Referenten sprachen über den „Braindrain“ und seine Auswirkungen für Rumänien. Zunächst ordnete der Politologe und Historiker Dr. Florian Flörsheimer den Begriff ein. Er wies darauf hin, dass es sich dabei nicht um eine neue Entwicklung handele. Geschichtlich kam es immer wieder zu „Braindrains“. Dagegen stellte er den „Brainwaste“, die „Gehirnverschwendung“, die Vergeudung von Talenten. Es seien mangelnde Arbeitsmöglichkeiten, die Menschen überhaupt erst in die Migration triebe.

Im zweiten Vortrag beschäftigte sich Manuel Stübecke mit der Frage, ob ein Schüleraustausch späteren Braindrain beeinflusse. Studien zeigten, dass Schüler, die ein Schuljahr im Ausland verbracht hätten, später zu einer deutlich erhöhten sogenannten Auslandsmobilität neigten. Da viele von ihnen höhere Bildungsabschlüsse erreichten, stünden ihre Talente oft, zumindest temporär, ihren Heimatländern später nicht mehr zu Verfügung. Ihre Auslandserfahrung als Schüler  gäbe ihnen das Selbstvertrauen, auch beruflich den Weg ins Ausland zu suchen.

Dr. Sunhild Galter, die seit 18 Jahren Mitarbeiterin der Hermannstädter Germanistik ist, nahm sich in ihrem Beitrag konkret der Problematik der Studenten- und Akademikermigration an. Sie wies darauf hin, dass viele Studierende, die Deutsch in der Schule gelernt hätten, bereits während des Studiums für deutsche Firmen in Hermannstadt arbeiten würden. Was ein wirtschaftlicher Segen für die Region, die Firmen und die Angestellten sei, wäre für das Studium ein Problem. Immer häufiger würden Studierende angeben, dass sie wegen der Arbeit nicht regelmäßig an den Lehrveranstaltungen teilnehmen könnten. Gelernt würde nur noch für die Noten und einige würden das Studium zu Beginn als „eine Art höheren Sprachkurs“ sehen. Außercurriculare Angebote seien kaum noch in deren Wahrnehmung vorhanden. Schließlich würden sie schon mit überschaubaren Deutschkenntnissen in Callcentern mehr verdienen als mit der ersten Option ihres Studiums: Als Lehrer. Der Kontakt zu ausländischen Firmen, aber auch Reiseerleichtungen durch die Europäische Union und Auslandssemester, brächten viele Studierende dazu, nach dem Studium ins Ausland zu gehen und dort zu bleiben. Zwischen 2011 und 2015 seien 20 Prozent der Germanistik-Absolventen ausgewandert. Dies schiene zwar zunächst, so Galter, nicht so viel, aber es seien „die besten und flexibelsten“ gewesen, also jene, welche die rumänische Gesellschaft brauchen würde.

Abgerundet wurde die Veranstaltung durch einen Vortrag von Iulian Finica, der in diesem Semester ein Studium der Wirtschaftswissenschaften in Hermannstadt absolviert hat. Er beschäftigte sich mit der Migration ungelernter Arbeitskräfte nach Spanien. Er wies darauf hin, dass es den Menschen, die nach Spanien gingen, nicht um einen höheren Lebensstandard ginge, sondern darum, überhaupt einen Lebensstandard zu erreichen. Sie seien überhaupt bestrebt, so viel zu verdienen, dass sie ihre Familien adäquat versorgen könnten.

In der anschließenden Diskussion fasste Diskussionsteilnehmer Dietrich Urban zusammen, dass die Verstrickungen der sozialen und infrastrukturellen Probleme in Rumänien den Nährboden für die Migration bieten würden. Der Braindrain zeige sich damit als Symptom für grundsätzliche Probleme einer Gesellschaft.                     M.St.

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bildung, Schule.