Ausgabe Nr. 2468
Gespräch mit Dr. Liana-Regina Junesch von der Lucian Blaga-Universität
Dr. Liana-Regina Junesch absolvierte das Pädagogische Lyzeum in Hermannstadt und unterrichtete 8 Jahre lang an der Schule Nr. 16 in Hermannstadt (heute Şcoala Gimnazială „I. L. Caragiale”). Obwohl sie Freude an der Arbeit mit den Grundschulkindern hatte, studierte sie Germanistik und betreut seit mehreren Jahren deutschsprachige StudentInnen als Leiterin des Studiengangs deutschsprachige Grundschul- und Vorschulpädagogik an der Lucian Blaga-Universität in Hermannstadt. Sie ist bestrebt, ihr Wissen und die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten an die StudentInnen weiterzugeben. Auch heute noch wendet sie die bewährte Methode „One person – one language“ an, so dass die Lernenden „gezwungen“ sind, sie auf Deutsch anzusprechen. Ihre Arbeit insgesamt, spielt für den Unterricht in deutscher Sprache in unserem Land eine wesentliche Rolle.
Mit Frau Junesch sprachen Agnes Amrein-Pesti (Ungarn), Bădilă Rusalina und Nana Bâtiu (Hermannstadt), Bela Hajnalka (Mediasch), Ioana Bianca Bendorfean (Deva), Teodora Boar (Neumarkt) und Adrian Văluşescu (Kronstadt), koordiniert von Hildegard-Anna Falk (Hermannstadt).
Ich hatte riesige Freude an der Arbeit mit Kindern und eine gute Zusammenarbeit mit den Kolleginnen an der Schule Nr. 16. Als ich die zweite Generation Schüler nach der Wende übernahm, sprachen allerdings keine Kinder Deutsch und nur fünf von den 33 Kindern verstanden meinen Unterricht, weil es in jenem Jahr keinen Sprachtest gegeben hatte. Es war schwierig, alle Fächer in deutscher Sprache zu unterrichten. Ich suchte nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, die mir helfen sollten, ihnen die Sprache beizubringen. Ich sprach ausschließlich Deutsch mit den Kindern. Am Anfang der 3. Klasse machten sich positive Ergebnisse bemerkbar: Die Kinder waren im Stande, selbstständig Aufsätze und Gedichtchen zu schreiben und zu kommunizieren. Ihre Aufsätze waren fast fehlerfrei, sie hatten die Grammatik richtig erworben.
GrundschullehrerInnen-Studium in Hermannstadt. Was sollte man wissen?
Ein deutschsprachiger Studiengang für die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern wurde nach der Wende nur von der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg angeboten, heute gibt es ihn auch innerhalb des Departements für Recht und Erziehungswissenschaften an der Lucian-Blaga-Universität. Das dreijährige Grundstudium bietet eine sichere Berufsqualifizierung für Erzieherinnen und GrundschullehrerInnen an Einrichtungen mit deutscher Unterrichtssprache, ÜbersetzerInnen/DolmetscherInnen und ChefsekretärInnen können unsere Studentinnen aber angesichts der gesetzlichen Lage auch werden. Die verschiedenen Schwerpunkte des Grundstudiums erlauben einen großen Spielraum bei der Auswahl eines Masterstudiums und implizit auch verschiedene Möglichkeiten für die spätere Berufsorientierung.
Ich habe anfangs die Aufgabe bekommen, einen Lehrplan für den Studiengang zu entwerfen. Es schien mir vermessen, allein an so etwas zu arbeiten. Ich habe Fachleute kontaktiert, die als Arbeitsgruppe freiwillig mitgearbeitet haben. Meine Perspektive war sehr klar, ich wollte die neuesten Forschungsergebnisse in den Studiengang einbringen: Wie Kinder eine Sprache erwerben, welche Prozesse im Gehirn vorgehen, wenn ein Kind eine Sprache lernt usw. Vor allem wegen der Praktikumsbetreuung scheint es mir sehr wichtig, einen Präsenzstudiengang anzubieten.
Was vermissen Sie am meisten aus den Zeiten, die Sie in der Grundschule verbracht haben?
Die Begeisterung und die Neugierde der Kinder, etwas zu sehen, etwas zu lernen, etwas zu erfahren. Sie sind interessiert und leicht zu begeistern, wenn man ihnen etwas bietet, was ihnen Freude macht. StudentenInnen finden schwerer heraus, was sie interessiert. Viele kommen ins erste Studienjahr und wissen nicht genau, was sie wollen. Sie würden am liebsten alles oder gar nichts versuchen und sind viel schwerer zu begeistern als Kinder.
Wie werden Unterschiede in den fachlichen und sprachlichen Kompetenzen Ihrer StudentInnen bewältigt?
Fachliche Grundkenntnisse werden bei der Aufnahmeprüfung nicht gefordert, aber die Sprachkenntnisse unserer zukünftigen StudentInnen werden doch überprüft. Sie müssen ein Motivationsschreiben in deutscher Sprache verfassen, in dem sie ihre Berufspläne darstellen. Während des Studiums ist es natürlich unser gemeinsames Ziel, die Sprachkenntnisse unserer StudentInnen zu erweitern. Die ausreichende sprachliche und fachliche Qualifikation zum Lehreramt wird letztendlich auch in den Lehramtsprüfungen gemessen.
Weil unser Lehrertags-Motto „Wir sprechen Deutsch!“ ist, würde uns interessieren, welche Lösungen Sie für die Verbesserung der Sprachkenntnisse der zukünftigen Lehrer sehen.
Die Universität ist eine öffentliche Institution, jeder kann sich anmelden, das Studium in Rumänien ist frei und man darf niemanden diskriminieren. Wir haben trotzdem eine Sprachprüfung eingeführt. Man arbeitet viel an der Sprache, wir schaffen es, bis ins dritte Jahr die Sprache zu verbessern. Es ist wichtig, dass diese Lernenden die Möglichkeit haben, mit Personen, die ein korrektes Deutsch sprechen, zu kommunizieren und dass sie die Sprache auch miteinander üben.
Wie verläuft das Praktikum Ihrer Studenten?
Fast alle StudentInnen sind schon während des Studiums angestellt. Trotzdem müssen sie im zweiten Jahr hospitieren und im dritten Studienjahr einen Praktikumstag in der Woche haben, an dem sie Stunden halten. Diese Stunden werden gefilmt und dann mit den Methodikern besprochen und bewertet.
Welches ist der Grund dafür, dass manche Deutschlernende nach ein paar Jahren einfach „vergessen“, Deutsch zu sprechen?
Leider bedeutet Schule heute für viele Lehrende, Inhalte zu vermitteln, aber Schule sollte mehr sein, sie sollte Beziehungen schaffen. Damit meine ich, dass die Lehrer-Schüler- Beziehung sehr wichtig ist, schließlich ist die Lehrperson eine wichtige Bezugsperson des Kindes. Wenn eine wichtige Bezugsperson gutes Deutsch spricht, und die Kommunikation in dieser Sprache erfolgt, sind gute Bedingungen für den Spracherwerb vorhanden. Andererseits sollte man im Umgang mit der Sprache konsequent sein. Schüler brauchen Regeln und Ausdauer. Man sollte mit Schülern nur in der Zielsprache Deutsch kommunizieren, auch wenn es nicht so einfach ist. Gerade das Risiko, dass Schüler einmal nicht verstehen, müsste man ertragen können. Wenn die Sprache keine Kommunikationssprache in einer Beziehung ist, sondern nur eine Schulsprache, wird sie auch schnell wieder vergessen, gerade wenn man auf dem weiteren Lebensweg die Inhalte, die in dieser Sprache vermittelt wurden, nicht mehr braucht.
Schlussfolgernd und zum Thema des Lehrertages 2015 wollten wir fragen, ob Sie irgendeine Methode kennen, wie man Kinder überzeugen könnte, miteinander auch außerhalb des Unterrichts Deutsch zu sprechen.
Um die deutsche Sprache zu üben, kann man die außerschulischen Aktivitäten sehr gut nutzen, sei es ein Schilager, ein Ausflug oder eine Studienreise, wo laut Vereinbarung mit den SchülerInnen nur Deutsch gesprochen wird. Wenn man mit ihnen ein internes Zahlungssystem mit eigenen Zahlungsmitteln benutzt, kann man die Spielregeln besser einhalten. Wichtig ist dabei die konsequente Durchsetzung des Mottos „Hier sprechen wir Deutsch!“
Danke für das Gespräch!
Untere Reihe (v. l. n. r.): Adrian Văluşescu, Rusalina Bădilă, Bela Hajnalka, Liana-Regina Junesch, Nana Bâtiu und Teodora Boar. Obere Reihe (v. l. n. r.): , Ioana Bianca Bendorfean, Hildegard-Anna Falk und Agnes Amrein-Pesti.