Lernen für das Leben

Teile diesen Artikel

Ausgabe Nr. 2467
 

Bald Finnische Schule in Hermannstadt

 

 

Im September eröffnet eine besondere private Schule in Hermannstadt. Die „Finnische Schule“ wird ihren Sitz in der Waisengasse/Pedagogilor, im Gebäude der „Carol I“-Baufachschule, haben. Über die Ziele der Schule und das finnische Schulsystem sprach HZ-Redakteurin Cynthia P i n t e r mit der Geschäftsführerin der Finnischen Schule in Hermannstadt, Elena Lotrean.

  Was ist die Finnische Schule?

Die Finnische Schule ist eine gewöhnliche Schule, die aber eine unterschiedliche Herangehensweise an die Lern-Kontexte bietet als die rumänische Schule. Mit anderen Worten, die Finnische Schule stellt den Schüler in den Vordergrund des Lernprozesses und nicht das Schulbuch oder etwa den Lehrer. Die Kinder sollen für das Leben lernen und nicht für Kontrollarbeiten. Die Lernziele unterscheiden sich kaum von jenen, die im rumänischen Lehrplan stehen. Bloß die Umsetzung ist anders.

Ich nenne jetzt mal ein Beispiel: Im Mathematikunterricht bekommen die Schüler ein Kärtchen auf dem geschrieben steht: „Gehe in den Schulhof, sammle 50 Steinchen, komm zurück und lege sie in Häufchen von je 10 Stück. Gib deinem Mitschüler 5 Steinchen“ und so weiter. So lernt es sich viel einfacher. In den Finnischen Schulen lernen die Kinder viel in Gruppenarbeit.

Ist Gruppenarbeit die einzige Methode, die den finnischen vom rumänischen Unterricht unterscheidet?

Nein, auf keinen Fall. Das Beste an dem finnischen Unterrichtssystem ist, dass der Lehrer auf jeden Schüler eingeht. Jedes Kind hat seinen eigenen Rhythmus, der respektiert werden muss. Und jedes Kind lernt anders. Der Job des Lehrers ist es, sich an jeden Lernstil anzupassen. Außerdem ist das Schulsystem in Finnland ganz anders aufgebaut als bei uns. Die Grundschule dauert von Klasse 1 bis Klasse 6. Dann folgen drei Jahre Gymnasium und drei Lyzeum. Sie respektieren dadurch die natürliche Entwicklung des Kindes, dessen erste Etappe eben bis zum 12. Lebensjahr andauert. In Rumänien wird dieser natürliche Rhythmus in der 5. Klasse unterbrochen. Wir möchten, dass unsere Lehrer die Schüler bis zur 6. Klasse begleiten. Natürlich werden wir uns dabei an das rumänische Schulsystem halten. Mit der Zeit möchten wir aber dieses finnische System auch hier akkreditieren lassen.

Wie sieht es mit der Benotung der Schüler aus?

Es gibt eine Benotung, wir nennen sie informative Evaluation. Und zwar wird dabei die Entwicklung des Kindes bewertet. Es soll dabei motiviert und nicht bestraft werden. Das Vorurteil, dass es keine Noten gibt, ist falsch. Es gibt Noten, aber die Notenvergabe stellt einen Vergleich dar. Wie hat sich das Kind entwickelt? Ist es besser als vor einem halben Jahr? Und nicht etwa nach dem Motto: Ist Ionel besser als Gigel? Wir werden die Entwicklung jedes Einzelnen benoten und auf keinen Fall die Kinder untereinander vergleichen.

Warum wurde das finnische und nicht z. B. das deutsche Schulsystem als Modell gewählt?

Ganz einfach. Finnland hat bei der Pisa-Studie von allen europäischen Ländern am besten abgeschnitten. Die Pisa-Studie ist eine Schulleistungsuntersuchung, die alle drei Jahre gemacht wird. Geprüft werden 15-Jährige auf alltags- und berufsrelevante Kenntnisse und Fähigkeiten. Das finnische System ist so gut organisiert, dass es kaum Unterschiede zwischen einer Dorfschule und einer Schule in Helsinki gibt. Außerdem ist die Differenz zwischen dem besten und dem schwächsten Schüler sehr gering.

Wie kam es zu der Idee, in Hermannstadt eine Finnische Schule zu gründen?

Meine Gründe waren erstens persönlicher Natur. Ich habe eine Tochter im Vorschulalter und darum habe ich schon lange überlegt, was ich ihr in Hermannstadt bieten kann. Heutzutage ist nicht mehr der Lehrer der einzige Informationsbesitzer. Informationen jeglicher Art findet jeder einfach per Mausklick. Ich wollte, dass meine Tochter eine Schule besucht, die ihr beibringt, anpassungsfähig zu sein. Denn die Welt ist in ständiger Veränderung.

Zweitens habe ich Radu Szekely vor einigen Jahren kennengelernt. Er ist vor mehr als 15 Jahren nach Finnland ausgewandert und hat dort als Professor für angehende Lehrer gearbeitet. Er ist also mit dem finnischen System vertraut und hat auch mich überzeugt. Er ist übrigens zusammen mit mir Mitglied in unserem Schulgremium, in dem noch Päivi Pohjanheimo, Botschafterin Finnlands in Rumänien, Pfarrer Constantin Necula, Lucian Todea, IT-Unternehmer und Dan Luca, Personalentwickler, dabei sind. Dieses Gremium wird ein Mal im Monat einer Sitzung beiwohnen.

Ein dritter Grund wäre meine persönliche Berufslaufbahn.

Sind Sie selber Lehrerin?

Ja, ich könnte als Lehrerin arbeiten. Ich habe nämlich an der Lucian Blaga-Universität in Hermannstadt Rumänisch und Englisch studiert. Ich habe sogar 2 Jahre lang am Pädagogischen Lyzeum hier unterrichtet. Und so betrachtet, unterrichte ich immer noch als Trainer bei Teamentwicklungen, die ich für den Verein Future Capital, bei dem ich als Managing Partner tätig bin, organisiere.

Gibt es noch andere Finnische Schulen in Rumänien? Welche Klassen wird es in der Hermannstädter Finnischen Schule geben?

Es gibt noch eine Finnische Schule in Bukarest, die 2010 gegründet wurde und die sehr gut funktioniert. Unsere Schule wird ab September 2016 eine Vorbereitungsklasse (Klasse 0) und eine 1. Klasse haben. In einer Klasse werden zwischen 16 und 18 Kinder lernen. Wir werden auch After-school anbieten. 

Die Unterrichtssprache ist Rumänisch. Wird es auch eine deutsche Abteilung geben?

Wir haben darüber nachgedacht. Im Grunde wollen die Eltern, dass ihre Kinder die deutsche Sprache beherrschen. Wie können wir das ermöglichen? Indem wir Deutsch in den After-School-Stunden anbieten. Außerdem haben die Kinder die Möglichkeit Englisch und vielleicht sogar Finnisch zu lernen. Wir werden Gastlehrer aus Finnland haben und daher können wir auch diese Alternative bieten.

Wie groß ist das Interesse für die Finnische Schule in Hermannstadt? Wie viel kostet die Schulgebühr?

Das Interesse ist unerwartet groß. Bei unserer offiziellen Präsentation, die wir Mitte Januar in Hermannstadt hatten, waren so viele Leute gekommen, die Informationen wollten. Pro Jahr beträgt die Schulgebühr 11.700 Lei, darin ist auch das Mittagessen einbezogen. 250 Lei pro Monat kosten die After-School-Stunden, die ebenfalls im Schulgebäude in der Pedagogilor-Straße Nr. 7 stattfinden werden. Der Stundenplan wird so aufgebaut sein: 8-14 Uhr Schule, Mittagessen; 14-17 Uhr Wahlfächer (z.B. Schwimmen, Theater etc.); oder 14-18 Uhr After-School.

Wie sehen Sie die Zukunft der Finnischen Schule in Hermannstadt?

Ich sehe die Zukunft! Viele von uns haben die Kapazität verloren, die Zukunft zu sehen. Aber ich sehe die Zukunft, so wie ich sie mir wünsche. Die Finnische Schule wird eine Innovationsgrundlage für das rumänische Schulsystem sein. Unser Ziel ist es, überall das Bildungssystem zu verbessern. Dies ist erst der Anfang.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Die 37-jährige Elena Lotrean ist Geschäftsführerin der Finnischen Schule Hermannstadt.

Foto: Rareș HELICI

 

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bildung.