„Ein facettenreiches Land”

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Ausgabe Nr. 2465
 

Trotz strengen muslimischen Regeln: Jordanien ist immer eine Reise wert

 

Über das Leben als Christen und als Deutsche in einem arabischen Land sprachen die Gemeindesekretärin der evangelischen Kirchengemeinde in Amman, Christine Loos, und Jürgen Loos, Gesandter der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit – Bereich Wasser – die seit sieben Jahren in Amman, der Hauptstadt des Haschimitischen Königreiches Jordanien leben und vor kurzem Hermannstadt besucht haben, mit der HZ-Redakteurin Ruxandra S t ă n e s c u.

Gibt es eine evangelische Kirchengemeinde in Amman?

Christine: Ja, die evangelische Gemeinde mit ihren ca. 50 Mitgliedern gehört zur Erlöserkirchengemeinde Jerusalem, ist also nicht selbstständig. Sie ist entstanden, als es nicht mehr möglich war, wegen der Grenze zwischen Jordanien und Israel am Gottesdienst teilzunehmen.

Sie haben am Sonntag am Gottesdienst in der Hermannstädter evangelischen Johanniskirche teilgenommen. Wie war die Erfahrung?

Christine: Wir sind sehr nett aufgenommen worden, die Leute waren sehr interessiert, und das ging so weit, dass der Gedanke kam, mal ins Heilige Land, nach Israel und Jordanien zu kommen. In Hermannstadt waren viele ältere Leute beim Gottesdienst dabei, in Amman sind es eher Frauen, die mit Jordaniern verheiratet, aber Christinnen geblieben sind, oder Expats wie wir. Zum Unterschied zu Hermannstadt haben wir in Amman auch keine „richtige” Kirche, sondern praktisch einen Raum, in dem die Gottesdienste statt finden.

Warum gibt es keine Kirche?

Jürgen: Da gab es eine Zeit, in der der arabische Staat allen Glaubensgemeinschaften die Möglichkeit angeboten hat, sich  zu akkreditieren, als anerkannte Gemeinschaft. Die Gemeinde hat es nicht gemacht, die Frist ist irgendwann abgelaufen und da gibt es keine Möglichkeit, eine Kirche zu bauen – abgesehen vom fehlenden Geld.

In welcher Sprache findet der Gottesdienst statt?

Der Gottesdienst findet in der deutschen Gemeinde auf Deutsch statt. Es gibt auch eine Arabische Lutherische Gemeinde, da findet der Gottesdienst auf Arabisch statt. Außerdem haben wir zur Zeit aus Deutschland Pfarrer im Ruhestand, die für ein halbes Jahr kommen, denn wir können eigentlich kein Gehalt, sondern nur eine Pfarrwohnung zur Verfügung stellen. Da können sich aber auch Pfarrer aus anderen Ländern – also auch aus Rumänien  – bewerben, Hauptsache, sie sprechen Deutsch.

Kann man als Christ in Jordanien leben?

Christine: Die Tatsache, dass wir Ausländer sind, macht es natürlich einfacher. Für die normalen Jordanier spielt natürlich die Religion eine große Rolle, man wird von den normalen Muslime auch akzeptiert, aber es ist wichtig, überhaupt eine Religion zu haben, denn Atheisten sind gar nicht gut gesehen.

Jürgen: Weil sie eine Minderheit sind, fühlen sich die jordanischen Christen jedoch manchmal ein bisschen bedrängt durch die muslimische Welt, sind allerdings nicht so bedroht, wie man es in anderen Ländern sieht. Die Christen haben auch einen Plan B, eine Grüne Karte für Amerika oder  kaufen Immobilien in Europa, denn wenn etwas passiert, sind sie die ersten, die das  Land verlassen müssen, enteignet und  verfolgt werden. Man erkennt alle drei Religionen an, aber wenn etwas passiert, haben die Radikalen das Sagen, die moderaten Kräfte sagen da nichts.

Können die ausländischen Christen was tun?

Jürgen: Eigentlich nicht, das ist schon eine sehr geschlossene Gesellschaft, sie heiraten auch hauptsächlich untereinander. Mischehen sind möglich nur zwischen christlichen Frauen und muslimischen Männern, umgekehrt geht es ohne Konvertierung nicht. Auch die Aktivitäten der Kirchen sind sehr begrenzt, Missionieren ist streng verboten, denn Jordanien ist auch laut Verfassung ein muslimisches Land. Wenn also Christen in Bedrängnis kommen, müssen sie sehen, dass sie selber wegkommen. Als Ausländer ist man in der Regel schon früher weg.

Wie wird man als Tourist empfangen?

Christine: Eigentlich sehr freundlich, man hört ganz oft „Welcome to Jordan”, man wird auch ganz schnell zu einem Tee eingeladen, wir hatten mit allen unseren Besuchern immer sehr positive Erfahrungen gemacht.

Jürgen: Allerdings müssen die Gäste sich an einen Verhaltenscodex anpassen. Eine Reise ist es aber sicherlich wert, denn Jordanien hat eine grandiose Landschaft, hat Berge, sehr alte Kulturstätten aus vorchristlichen und römischen Zeiten, es ist ein vielfältiges Land, hier liegt z. B.  der tiefste Punkt der Erde, das Tote Meer. Außerdem sollte man die kirchenhistorischen Orte nicht vergessen, die man nachlaufen kann, man ist sehr nahe an Jerusalem. Jordanien ist auf jeden Fall ein  sehr facettenreiches Land.

Ist man da sicher?

Jürgen: Amman ist meiner Meinung nach eine der sichersten Städte der Welt in dieser Größe. Natürlich gibt es aber Unterschiede zwischen der persönlichen und der allgemeinen Sicherheit, denn man weiß nie, wie lange das Land noch stabil bleiben wird.

Christine: Zum Vergleich: Ich komme aus Frankfurt am Main, und da steige ich um 22 Uhr in keine S-Bahn mehr ein, jedoch kann man als Frau auch um die genannte Uhrzeit in Jordanien in ein öffentliches Verkehrsmittel einsteigen.

Jürgen: Als Frau genießt man im Prinzip noch ein bisschen mehr Schutz, denn so lange man mit traditionellen Arabern zu tun hat, ist die Frau unantastbar, egal woher sie kommt. Jede Frau ist – solange sie angemessen und respektvoll auftritt – schutzwürdig, und im Unterschied zum Westen schauen die meisten Araber auch nicht weg, falls es Probleme gibt.

Zu guter Letzt: Wie gefällt Ihnen Hermannstadt?

Jürgen: Hermannstadt ist wunderschön, weil das Historische noch vorhanden ist, was wir aus den deutschen Städten nicht mehr so kennen, da ja vieles am Ende des 2. Weltkrieges komplett zerstört wurde. Es ist  schön und teilweise auch befremdlich, dass man zweisprachige Schilder sieht, und auch Deutsch sprechen kann. Wir waren schon mal in Rumänien, vor dem EU-Beitritt, und da haben wir bemerkt, dass das Land sehr viel Potential hat und dass es wichtig ist, der EU beizutreten, um einfach die Chancen zu vergrößern, dass auch hier der Wohlstand ausbricht.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Ruxandra Stănescu, Christine und Jürg Loos (v. l. n. r.) im Gespräch in der HZ-Redaktion.                                                      

Foto: Beatrice UNGAR

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Kirche, Tourismus.