Ausgabe Nr. 2461
Literarisches Symposium der Deutschen Gesellschaft e. V. in Berlin
Mit einem literarischen Symposium am 2. und 3. Dezember d. J. schloss die Deutsche Gesellschaft e. V. in Berlin das Gedenkjahr „70 Jahre Deportation der Rumäniendeutschen in die Sowjetunion" ab. Es war eine gut besuchte Tagung mit informativen, interessanten Vorträgen, Lesungen, Diskussionen und zwei tief berührenden Filmvorführungen, „Heimkehr aus der Sklaverei" und „Arbeitssklaven unter Hitler und Stalin", des Filmemachers Günter Czernetzky, der vor wenigen Wochen auch den beachtenswerten Band „Lager-Lyrik“ herausbrachte.
Den Auftakt machte der Vortrag des Historikers Dr. Florian Kührer-Wielach, seit dem 1. Oktober 2015 neuer Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) München.
Er bot uns zunächst einen Rahmen, im Blick auf eine Einordnung der Ereignisse der Deportation der Rumäniendeutschen im Januar 1945: das 20. Jahrhundert wartet mit dem 1. Weltkrieg auf, mit den Todesmärschen der Armenier, der Deportation von Tausend Münchner Juden nach Litauen, der Verbringung von Sinti und Roma in das Konzentrationslager Auschwitz, den Balkankriegen. Also sollte das Verlassen der Heimat sowie die Heimkehr oder Nicht-Heimkehr als ein typisches Merkmal dieses 20. Jahrhunderts gesehen werden.
„Im Moment der Rückkehr stellten viele der Deportierten ihren Rucksack still in eine Ecke, gut verschnürt, so dass nicht allzu viel herausfallen konnte. Der stalinistisch geprägte Alltag ließ kaum Zeit zum Auspacken“.
Es ist dies eine der letzten Gelegenheiten, Zeitzeugen zu hören und sprechen zu lassen. Dass unter den Teilnehmern kein Betroffener war, wird wohl dem hohen Alter geschuldet sein?!
Es fanden in diesem Jahr zahlreiche Gedenkveranstaltungen sowohl in Rumänien als auch in Deutschland statt. Jedoch waren dies keine Rumänien- und Deutschlandweit übergreifende, sondern ausschließlich lokal oder regional ausgerichtete. Auch Ulm war da keine Ausnahme!
Stärkt die Erinnerung an die Deportation das Gemeinschaftsgefühl der Rumäniendeutschen an sich, oder bleiben sie weiterhin zuallererst evangelische Sachsen aus Siebenbürgen oder katholische Schwaben aus dem Banat und Sathmar?
Und trifft es zu, dass die Deportation zu einer Identifikation der Rumäniendeutschen beigetragen hat?
Auch die Publikation von Erlebnisberichten erfolgt dezentral, und findet vor allem in den jeweiligen Heimatortsgemeinschaften (HOGs), statt, doch konnte uns der Literaturwissenschaftler und Hochschullehrer Michael Markel (Jg. 1937), einen beachtlichen Überblick über 21 belletristische Veröffentlichungen und 15 Erinnerungstexte geben. Er erläuterte z. B. das Buch von Anton Breitenhofer, „Spiel mit dem Feuer" (Kriterion Verlag, 1982), welches zwar nicht von der Deportation berichtet, aber von der Wiederaufbauarbeit, die „nur halb so schlimm" gewesen sei". In dem Theaterstück von Hans Kehrer „Zwei Schwestern – eine schwäbische Passion", das in den 80-ern in Temeswar uraufgeführt wurde, handelt es sich um ein Gespräch zwischen zwei Schwestern, die sich über das erlebte Leid der Deportation auseinandersetzen. Da Georg Aescht (Jg. 1953), Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz‘ in seinem Beitrag „Der Kontrapunkt: Richard Wagners ‚Habseligkeiten‘ und Erwin Wittstocks ‚Januar 45 oder Die höhere Pflicht‘" eine geradezu tiefgründige Analyse dieser beiden Bücher lieferte, verzichtete Markel auf eine inhaltliche Darstellung dieser beiden Bücher, die u. a. für den Leser die Gegensätzlichkeit dieser beiden Generationen beleuchten.
Zieht man eine Bilanz nach 70 Jahren Deportation, so wäre es an der Zeit für ein Forschungsprojekt, um die vielen Aspekte der Deportation aufzuarbeiten. Dazu beitragen könnte eine Erfassung aller bisher erschienenen Publikationen und Erlebnisberichte.
Denn gerade das Buch der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller hat enorm dazu beigetragen, dass die Deportation verstärkt in das Bewusstsein, nicht nur der Rumäniendeutschen, gerückt ist!
Elke SABIEL
Podiumsdiskussion mit Ernest Wichner, Norbert Wehr, Robert C. Schwartz, Michael Markel und Dr. Florian Kührer-Wielach (v. l. n. r.).
Foto: Deutsche Gesellschaft e. V.