„Wir stehen gar nicht schlecht da!“

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Ausgabe Nr. 2457
 

Gespräch mit der stellvertretenden Generalschulinspektorin Christine Manta-Klemens

 

 

Christine Manta-Klemens hat Deutsch-Englisch studiert und ist seit dem Jahr 2000 als Vertreterin der deutschen Minderheit Stellvertretende Generalinspektorin im Schulinspektorat des Kreises Hermannstadt. Zwischen den Jahren 2005-2009 war Frau Manta-Klemens Generalschulinspektorin.

Christine Manta-Klemens hat in den letzten 25 Jahren hauptsächlich Deutsch als Muttersprache am Pädagogischen Lyzeum (Colegiul Naţional Pedagogic „Andrei Şaguna”) unterrichtet.

Frau Manta-Klemens antwortete auf Fragen der Lehrer: Tatiana Medeşan (Mediasch), Ana Maria Mihaly (Reps), Ana-Maria Minea, Gerhard Misachevici und Claudia Muntean (Hermannstadt), Claudia Miriţescu (Kronstadt), Ágnes Mirk (Ungarn) und Adina Modoi (Agnetheln), koordiniert von Monica Nartea (Hermannstadt).

   Welches ist die schönste Erinnerung Ihrer beruflichen Laufbahn?

Ich glaube, das ist mehr der Kontakt mit einzelnen gewesenen Schülern, die dann nach Jahren zu mir kommen und mir erzählen, dass sie dank meines Unterrichts weiter Deutsch studiert haben. Das ist für mich die größte Anerkennung. Solches Feedback habe ich öfters erhalten. Eine andere Erinnerung betrifft einen Schüler, der mir sagte, dass er dank mir das Lyzeum beendet hat und dass er sogar in Deutschland weiterstudieren konnte.

Leider gibt es kaum Lehrer in Rumänien, die wirklich zufrieden mit dem Schulsystem sind. Was würden Sie persönlich ändern?

Da sehe ich drei Aspekte: Die Stundentafel, den Lehrplan und das Verhältnis zwischen Wissen – Können – Tun. Wenn es von mir abhängen würde, gäbe es keine Fächer mit einer Wochenstunde. Dann hätte der Schüler im selben Schuljahr lieber zwei Geschichtestunden und keine Erdkunde, im Jahr darauf zwei Erdkundestunden. Ich würde es gern sehen, wenn man weniger auf das Wissen an sich bestehen würde und mehr auf das Anwenden achten würde – dies ist zum Teil in den Lehrplänen vorgesehen, aber von vielen Lehrern nicht wirklich verinnerlicht und angewendet.

Im Fach Deutsch gehen wir formal davon aus, dass unsere Kinder Muttersprachler sind, de facto aber sind diese nicht muttersprachlich bestückt. Das bedeutet, dass wir doppelte Arbeit leisten. Ein weiterer Schwerpunkt: Wir vermitteln deutsche Kultur im Rahmen des Literaturunterrichts, wie wir es zu unserer Schulzeit auch vermittelt bekommen haben. Die Adressaten kommen aber aus einem völlig unterschiedlichen Kulturkreis, was das Unterfangen zur großen Herausforderung werden lässt.

Weshalb gibt es einen so großen Unterschied zwischen dem Grundschulwissen und den Anforderungen in der fünften Klasse?

Die Kluft ist nicht so groß, wenn wir uns auf den Lehrplan beziehen. Der hat sich bis zur dritten Klasse geändert, jetzt kommt die vierte Klasse dazu. Aber die Tatsache, dass der Grundschullehrer viel flexibler mit den Kindern arbeiten kann, macht es für den Gymnasiallehrer bezüglich der Unterrichtsgestaltung bedeutend schwieriger. Ideal wäre ein verstärkter Deutschunterricht mit mehr als fünf Deutschstunden pro Woche in der Fünften und fünf Stunden ab der sechsten Klasse. Eine engere Zusammenarbeit zwischen Lehrern unterschiedlicher Fächer wäre auch eine mögliche Lösung, ebenso zwischen Grundschullehrern und Gymnasiallehrern.

Ein weiteres, mittlerweile chronisches Problem sind die Schulbücher in deutscher Sprache. Wer sollte sich denn um Neuauflagen der in Rumänien entwickelten Bücher kümmern?

Das Ministerium. Doch wenn es um zahlenmäßig so geringe Verträge geht, wie im Falle der deutschsprachigen Bücher, ist der Druck für die Verlage unattraktiv. Wenn sich ein Verlag nun weigert, irgendein Buch neu zu drucken, dann gibt es in dem Jahr kein neuaufgelegtes Schulbuch. Deshalb werden am Ende des Schuljahres alle Bücher, mit Ausnahme der ersten Klasse, eingesammelt. Nur für 15 Prozent der Schüler dürfen jährlich neue Bücher bestellt werden.

Was würden Sie sagen, wenn man auf Bücher aus Deutschland zurückgreift? Wäre das möglich?

Jedes Bundesland hat einen anderen Lehrplan, die ich nicht alle kenne, dazu gibt es natürlich mehrere Verlage, welche Bücher anbieten. Jeder Lehrer/jedes Lehrerkollegium entscheidet für sein Fach, ob das eine oder das andere Buch besser zu seinem Unterricht/seiner Schülerschaft passt. Im Idealfall findet man das für Rumänien passende Buch, doch diese Bücher sind sehr teuer und das Unterrichtsministerium hätte vielleicht damit ein Problem, da in unserem Land die Schulbücher von der ersten bis zur zehnten Klasse unentgeltlich verteilt werden müssten und erst ab der elften Klasse von den Eltern bezahlt werden sollen. Deshalb ist das keine realistische Lösung für unser System. Es kommen immer wieder Schenkungen aus dem Ausland und man kann die einzelnen Klassensätze als Hilfsmaterial ungestört einsetzen, aber das ist sehr zeitaufwändig.

Kommen wir zum nächsten „heißen“ Thema: Wie würden Sie die Prüfungsergebnisse der deutschsprachigen Schüler des Kreises Hermannstadt einschätzen? Halten Sie die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen (z. B. die Videoüberwachung) für sinnvoll?

Wir stehen gar nicht schlecht da! An allen Schulen waren die Ergebnisse nach der Einführung der Videoüberwachung kaum schwächer als vorher. Das ist ein sehr gutes Zeichen und beweist, dass man von Anfang an gewöhnt war, ehrlich und gründlich zu arbeiten. Hermannstadt hat gute Resultate, sowohl im Abitur und der Evaluation der achten Klasse, als auch bei der Prüfung für das Sprachdiplom, wenn man diese mit anderen Kreisen vergleicht. Dass nur um die 60 Prozent die Stufe C1 des Europäischen Referenzrahmens erreichen, macht mich persönlich allerdings nicht glücklich. Wenn man vom Kindergarten bis zur zwölften Klasse Unterricht in deutscher Sprache hatte, dann sollte man die Sprache doch auf C1 Niveau beherrschen! Aber leider ist die Einstellung unserer Schüler und ihrer Eltern etwa so: „Ich bin an der deutschen Schule, also kann ich Deutsch!“. Fehlschluss! Ich würde sagen, du bist an der deutschen Schule, um Deutsch zu lernen und dafür muss auch etwas getan werden. Je besser die Schule, desto prägnanter diese Auffassung.

Haben die deutschen Abteilungen noch eine Zukunft in Rumänien?

Natürlich, doch es gibt von Ort zu Ort große Unterschiede. In Hermannstadt ist die Nachfrage zurzeit sehr groß. Wir hätten sowohl in der Unterstufe, als auch am Gymnasium noch fast zwei Klassen gebraucht, aber wegen Lehrermangel war es nicht möglich, diese einzurichten. Es gibt allerdings auch in unserem Kreis Schulen, an denen die Nachfrage kleiner ist: Zum Beispiel in Agnetheln, in Großpold oder Freck. In Freck gibt es zurzeit Simultanunterricht in den Grundschulklassen. Wenn die Schüler in der 5. Klasse in deutscher Sprache weiter lernen wollen, müssen sie nach Hermannstadt kommen.

Wenn man sich Gedanken über die Zukunft macht, so kann man das Problem der Ausbildung von deutschsprachigen Erzieherinnen und GrundschullehrerInnen nicht umgehen. Was kann man tun, um die Ausbildung am Pädagogischen Lyzeum zu verbessern?

Viele der Pädaschüler sind lieb und nett zu den Kindern, was sicher nicht einfach ist. Leider gibt es bei vielen große Sprachmängel, besonders was die mündliche Kommunikation betrifft. Man sieht, sie können nicht immer vermitteln, was die Kinder verstehen sollen, weil ihr Wortschatz für zukünftige Erzieherinnen oder Lehrerinnen zu bescheiden ist. Sie können ihre Anliegen nicht verbalisieren und somit auch keinen wirklich guten Unterricht erteilen. Fazit: Es ist mehr Spracharbeit notwendig und ideal wäre auch eine verstärkte Stundenanzahl in Deutsch und Methodik-Didaktik.

Zurzeit sind Sie nicht nur im Schulinspektorat tätig, sondern leiten auch pädagogisches Praktikum von Pädaschülern. Wie ist das organisiert?

Zuerst hospitieren die Schüler im Kindergarten oder in der Grundschule, nachher analysieren wir diese Stunde und später, wenn sie selbst unterrichten sollen, entwerfen sie den dazugehörigen Lektionsplan. Dieser wird besprochen und erst dann halten sie die Stunde. Darauf wird diese wiederum mit den hospitierenden Kollegen unter die Lupe genommen. Die Praktikanten erhalten eine Note für den Plan und eine für die Stunde.

Welche beruflichen Zukunftspläne haben Sie?

Dadurch, dass es seit kurzem einen zweiten stellvertretenden Generalschulinspektor gibt, würde ich ihm vom administrativen Teil einiges abgeben und mich mehr um die deutschen Schulen kümmern und Unterrichtsbesuche machen. Ich will mehr Präsenz zeigen, damit die Kolleginnen und Kollegen auch sehen, dass man Interesse für ihre Arbeit zeigt.

Sie sind eine vielbeschäftigte Beamtin und da würden wir gerne erfahren, ob sie Zeit für Hobbys haben und welches diese sind?

Das bisschen Freizeit, das ich habe, versuche ich zu teilen: ich lese gerne, gehe in Konzerte und versuche mich körperlich zu betätigen – so gehe ich abends öfters durch den Erlenpark spazieren und manchmal, selten, schwimmen. Im Winter fahre ich leidenschaftlich gerne Ski.

Wir danken für das Gespräch.

 

Christine Manta-Klemens (3. v. l.) antwortete im Sitz des Hermannstädter Generalschulinspektorats auf Fragen der folgenden Lehrer (v. l. n. r.): Claudia Miriţescu, Monica Nartea, Gerhard Misachevici, Tatiana Medeşan, Ana-Maria Minea, Ágnes Mirk und Claudia Muntean.

Foto: Ana Maria MIHALY

 

Veröffentlicht in Aktuelle Ausgabe, Bildung.