Ausgabe Nr. 2455
Wegweiser zu einem unbekannten Nachbarn
Kürzlich erschien „Rumänien – der unbekannte Nachbar“ von Manfred Kravatzky im Schiller Verlag. Das Buch soll weder Reiseführer, noch wissenschaftliche Auseinandersetzung sein: Es ist eine geeignete, hinreichend umfassende Einführung für alle Interessenten, für alle Neugierigen.
Um dieser Frage nachzugehen, liefert Kravatzky einen profunden Abriss der Geschichte des modernen rumänischen Staates: die Entwicklung der rumänischen Sprache, der historischen Provinzen sowie der autochthonen und zugewanderten Bevölkerungsgruppen – den heutigen Minderheiten. Zugleich wahrt der Autor sicheren Abstand zu eindimensionalen nationalen Erzählweisen. Er bemüht vielmehr fundierte Forschungserkenntnisse, um den unterschiedlichen Perspektiven des Landes, seinen vielfältigen und vielsprachigen Bürgern, gerecht zu werden.
Für Kravatzky sind historische Anknüpfungspunkte von großer Bedeutung: Der Autor setzt die Ereignisse der rumänischen Geschichte in einen europäischen Kontext, zieht Parallelen und macht diese greifbar. Der Region Siebenbürgen wird vor diesem Hintergrund besondere Aufmerksamkeit zuteil: Kravatzky sieht in ihr während der frühen Neuzeit die „östliche Kulturgrenze der sogenannten mitteleuropäischen Zivilisation“. Diese zivilisatorische Bindung resultiere aus der engen wirtschaftlichen Verflechtung, der Verstrickung Siebenbürgens in die politischen Umbrüche und Launen der mitteleuropäischen Geschichte, letztlich auch der Reformation und dem Dreißigjährigen Krieg.
Kravatzky spiegelt zudem die Auswirkungen der großen Politik in Europa auf den Staat Rumänien. Die Grenzverschiebungen im Rahmen der Pariser Vorortverträge sowie die wohlwollende Haltung vieler Siebenbürger Sachsen zum Dritten Reich werfen Schlaglichter auf solche Vorgänge, ermöglichen Querverweise zur deutschen Geschichte und werden auf diese Weise für den interessierten Leser nachvollziehbar. Der Erfolg des Buches „Rumänien – der unbekannte Nachbar“ ruht auch auf diesem Perspektivenwechsel, auf der guten Nachvollziehbarkeit unbekannter Ereignisse.
Erheiternd sind die Beschreibungen einzelner Stereotype sowie der häufig überspitzten Charakterzuschreibungen einzelner Bevölkerungsgruppen zueinander: Der gemeine Rumäne sei schlau, nur leider nicht mit besonderer Disziplin gesegnet. Der Siebenbürger spreche und denke langsam, sei aber gebildet und fleißig. Auf ganzer Linie gelingt es Kravatzky, einen lebendigen Ausschnitt Rumäniens zu zeichnen, der neben geschichtlichen Zusammenhängen auch immer wieder Lebensart in seine Erzählung einbettet. Er spricht dabei klar an, wenn Herrscher sich „einiges zuschulden kommen lassen“ haben oder „unhaltbare Zustände“ im Land herrschen. Das Buch liefert einen Ausblick über die politische und gesellschaftliche Entwicklung: Kritik richtet Kravatzky gegen die „herrschende politische Klasse“, die an Unfähigkeit leide und den Staat nicht erfolgreich regiere. Eine junge politische Elite werde sich in seinen Augen erst mit der Zeit finden, diesen Missstand zu beheben.
„Rumänien – der unbekannte Nachbar“ bietet sich als ein gelungener erster Wegweiser an, der den Kontakt mit Rumänien, seinen Menschen und seinen Landschaften erleichtern wird. Das Buch ist geeignet, einen sinnvollen Beitrag zu leisten, die Bekanntheit des Landes in seiner Nachbarschaft zu erhöhen und den Leser für dieses zu begeistern.
Jonas BORNEMANN
Manfred Kravatzky: Rumänien – der unbekannte Nachbar. Schiller Verlag Hermannstadt-Bonn 2015, 134 Seiten, ISBN 978-3-944529-55-4. In Hermannstadt im Erasmus-Büchercafé und in der Schiller-Buchhandlung zu kaufen.